Die Burgruine Vellenberg, Götzens, Bezirk Innsbruck-Land


Völs zeigt an und für sich kein hohes Alter, denn seine meisten Häuser mussten nach dem Kriegsjahr 1703, weil die Bayern das Dorf angezündet hatten, neu erbaut werden.

Die Siedlung reicht jedoch in graue Vorzeit zurück. Aus der Völser Gegend stammen neben etlichen Tongefäßen und bronzezeitlichen Geräten auch die ältesten Eisengeräte, die man in Tirol finden konnte, etwa aus der Zeit um 800 vor Christus. Die im Landesmuseum Ferdinandeum verwahrten Fundgegenstände verraten die weitreichenden Beziehungen der Urbevölkerung zu den Völkern Nord- und Westeuropas. Die mit einfacher Strichverzierung geschmückten dunkelfarbigen Krüge erinnern an den deutschen Molkenbeiger Stil, für den die am Halsrand spitz zulaufende Form bezeichnend ist. Die trichterförmige Gestalt eines Bechers gemahnt an die germanische Megalith-Keramik. Das bronzene, sichelförmige Rasiermesser steht hingegen den südetrurischen Exemplaren auffallend nahe.

Die vorgeschichtlichen Ansiedlungen im Inntal pflegten auch untereinander wirtschaftliche Beziehungen. Daraus folgt, dass schon Zu jener Zeit ein Verbindungspfad zwischen den Siedlungen in Wilten, Völs und Zirl bestanden haben musste. Als bald nach Christi Geburt die Römer eindrangen, folgten sie naturgemäß jenen schon bestehenden Wirtschaftswegen und bauten sie im Laufe der Zeit zu Militärstraßen aus. Die beiden römischen Meilensteine am Michelfelde zwischen Kematen und Völs werden wiederholt erwähnt und sind erst im vorigen Jahrhundert verschwunden. *
* Dr. Hans Hochenegg gibt Hinweise auf deren einstige Lage in den „Tiroler Heimat-blättern“, Jg. 1934, Seite 444.

Als in der Zeit der Kreuzzüge allenthalben in Tirol trotzige Burgen errichtet wurden, dürfte auch Vellenberg, vielleicht an Stelle einer älteren Wehranlage, entstanden sein.

„Velse“ (Völs) wird seit 1150 genannt. Weil schon im Jahre 1142 in einer Andechser Urkunde * ein Graf von „Blassenberch“ erwähnt wird, glaubte man, dass sich die Angabe auf eine am nahen Blasienberg befindliche Burg beziehe. Tatsächlich handelt es sich um einen bayerischen Besitz der Andechser. Aber auch Vellenberg war diesem Geschlechte unterstellt. Wir folgen der von Otto Stolz gebotenen Darstellung fast wörtlich, wenn wir jetzt einiges aus des Schlosses Geschicken erzählen.

* Oesele, Die Grafen von Andechs, Reg. 99. Weitere geschichtliche Angaben aus Otto Stolz, Pol. hist. Landesbeschreibung, Seite 273 ff.

Bei Wiederbelehnung des Herzogs Otto von Andechs mit der Grafschaft Unterinntal im Jahre 1232 erscheinen die Festen Vellenberch bei Götzens und Matray als Hauptstützpunkte der Landesherrschaft. Nach dem Tode dieses letzten Andechsers, 1248, übernahm die Landeshoheit im Inntal Graf Albert von Tirol und nach dessen baldigem Hinscheiden, 1233, Graf Gebhard von Hirschberg. Die Feste Vellenberg, ebenso auch Thaur und Fragenstein, werden ausdrücklich als Besitz des Hirschbergers erwähnt. Allein schon 1263 musste er auf diesen Teil des Inntales, der sich mit den Landgerichten im Inntal und Matrei deckt, zugunsten Meinhards II. von Tirol verzichten und seitdem sind jene Gebiete für immer mit der Grafschaft Tirol vereinigt. Hiebei werden die Hauptleute der Schlösser Insprucke, Vellenberch, Strazfride (bei Vill) und Materai als die hervorragendsten Amtleute der Grafen von Tirol in dieser Gegend in das Schiedsgericht berufen, das etwaige Streitigkeiten aus diesem Abkommen bereinigen soll.

Burg Vellenberg, Götzens, Innsbruck-Land

Plan der Ruine Vellenberg (Burg Völlenberg)



Fortan werden Herren von Vellenberg als Landrichter im Inntal oftmals in Urkunden genannt. Im Jahre 1349 verkaufte Jakob von Vellenberg den halben Teil des Landgerichtes im Inntal den drei Brüdern von Liebenberg, die dasselbe hierauf vom Landesfürsten als Lehen empfingen.

Burg Vellenberg fiel offenbar den Liebenbergern zu. Der Rest muss bald darauf den Rottenburgern verkauft worden sein; er fiel 1411 zugleich mit dem Sturze des übermütigen Geschlechtes dem Landesfürsten zu. Die andere Hälfte des Landgerichtes mit Vellenberg brachte Herzog Friedl im Jahre 1426 von Peter von Liebenberg kaufweise an sich. Er ließ nun das Landgericht durch unmittelbar von ihm eingesetzte und zur Rechnungslegung verpflichtete Beamte verwalten, die sich Pfleger von Vellenberg und Landrichter von Sonnenburg nannten. Als solche erscheinen in den Raitbüchern der Kammer 1413 Hans Dorn, 1417 Christian von Patsch, 1427 Hans Rapp, 1432 Andrä Rauch.

Herzog Friedrich und seine Nachfolger ließen auch fernerhin die Verbindung der Festen Vellenberg und Sonnenburg bestehen. 1439 vereinigt Andrä Sauerwein [Anmerkung: richtig: Ulrich Saurwein, laut Urkunde - freundlicher Hinweis Gerd N.) beide Ämter, 1478 wird Wilhelm Pallauf hierin bestätigt. Die abgelegene Lage der beiden Schlösser, auch deren allmählicher Verfall brachten es vor etwa 300 Jahren mit sich, dass die Sonnenburger Landrichter nach Innsbruck übersiedelten und dorthin wohl gleichzeitig auch ihren Amtssitz verlegten. **

** Man vergleiche meinen Aufsatz „Sonnenburg“ in Heft 3 der „Tiroler Heimatblätter“ von 1936.

Was Vellenberg als einstigen Gerichtssitz ganz besonders bekanntgemacht hat, ist die Gefangenschaft eines der berühmtesten tirolischen Sänger und Dichter.

Es war das Jahr 1427, als, Oswald von Wolkenstein, ein Führer des aufständischen Adels, von Herzog Friedrich mit der leeren Tasche auf Vellenberg in Haft gehalten wurde. Der Dichter selbst erzählt uns seine Leiden in seinen Gedichten.

Die Verse lauten in Johannes Schrotts hochdeutscher Übersetzung:

Zu Vellenberg im Winkel dort
Für meine Füße sah ich stehn zwei Eisen.
Ich schwieg und redete kein Wort.
„Nun kannst Du“, dacht ich, „Tapferkeit beweisen;
Es winkt Dir neue Ritterschaft
Mit neuen Sporen, die Du nie getragen."
So saß ich da in finstrer Haft,
Von Traurigkeit und tiefen Weh geschlagen.
Für Freiheit hätt ich alles Gut
Gegeben, kann ich sagen.
So lag ich manchen langen Tag.
Der römische König könnt' es nicht vergüten,
Was ich gelitten. Offen lag
Der wunde Rücken mir. Um mich zu hüten,
Man ringsum, hinten, vorne, hart
Am Leibe scharfe Wächter mir gesellte.

Oswalds Haft dauerte jedoch nicht sehr lange. Denn der Landesfürst erinnerte sich einstiger Freundschaft mit dem eingekerkerten Ritter und schenkte ihm gnädig die Freiheit.

Unter den Pflegern von Vellenberg ragt der Kammerrat Kaiser Maximilians, Blasius Hölzl, an Bedeutung hervor. Denn dieser ließ 1522 aus Dankbarkeit für Rettung aus Lebensgefahr am Scheidepunkt des Vellenberger und Völser Weges ein kunstvoll gegossenes Kruzifix aufstellen. Nach den Forschungen Dr. Oberhammers schuf Leonhard Magt das Modell und besorgte Stephan Godl den Guss. Das Kruzifix gehört zu den besten Arbeiten der tirolischen Frührenaissance; man hat es später in die Wallfahrtskirche am Blasienberg übertragen, deren Glanzstück es heute noch bildet. An des Kreuzes einstiger Stelle befindet sich heutzutage eine kleine gemauerte Kapelle, die aber wegen des geänderten Straßenverlaufes abseits steht.

Vellenberg, Götzens, Tirol

Foto der Burgruine Vellenberg 1936

Auch am Schloss hat sich im Laufe der Zeiten so viel verändert. Mitschuldig am Verfall ist wohl der lockere Moränenboden. Besonders in der Gegend der am Plane mit Nr. 5 bezeichneten Falltüre, deren Einkantung heute noch sichtbar ist, scheint der Boden nachgegeben zu haben. Der dort an der nordöstlichen Ecke der Burg einstens vorhandene Turm ist fast spurlos verschwunden, der gegenüberliegende an der Nordwest-Seite noch im Unterbaue erhalten. Die dazwischen liegenden Gewölbe verraten die Merkmale des romanischen Baustiles.

Von der Tiefe der Talseite erblickt man zur Zeit noch die beiden Fensteröffnungen der allein noch übrigen Kellerräume. Das eigentümlichste an der Struktur der äußeren Burgmauern ist ein an jener Stelle eingebauter schmaler und langer Stufenkorridor, der sich unheimlich tief nach unten zieht. Er wäre noch gangbar, wenn ihn das abgebröckelte Gemäuer der eingestürzten Mauern nicht gänzlich verschüttet hätte. Ein Nachgraben an den fraglichen Stellen sowie eine Restaurierung des noch erhaltenen Gemäuers wäre wegen der geschichtlichen Bedeutung der Burg wohl ratsam. Der einsame und dichte Tannenwald, der talwärts grünen Bergwiesen Platz lässt, der zu unterst teilweise durch Laubwerk gedeckte Axamer Wildbach, das im Hintergründe des Mittelgebirges schroff auftauchende Felsengestein der „Saile“ erregen im Besucher einen Eindruck von eigentümlichem Zauber. Vellenberg sieht tatsächlich aus wie eine Burg der Märchen!

Quelle: Dr. Arch. Paul von Molajoni, Burg Vellenberg und Völs, in: Tiroler Heimatblätter, 14. Jahrgang, Heft 12, 1936, S. 374 - 378.

Vellenberg (Götzens)

Vellenberg wird 1232 als Besitz der Andechser erwähnt. Die Burg ging 1248 an Albert von Tirol, 1253 an die Grafen von Hirschberg und 1263 endgültig an Tirol über. Das Ministerialengeschlecht, das sich nach der Burg nannte, ist aber schon 1164/67 nachweisbar, erscheint vom Ende des 13. Jahrhunderts bis 1349 im Lehensbesitz des "Richteramtes" im Inntal (heutiges Landesgericht Innsbruck) und starb Ende des 14. Jahrhunderts aus. Vellenberg blieb bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts Sitz des Richters.

Die Burg besaß zwei Türme: den Vellenberger und den Liebenberger Turm, letzterer genannt nach den Herren von Liebenberg, die in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts Mitbesitzer der Burg wurden. Heute sind von ihr nur mehr dürftige Mauerreste vorhanden. Am besten erhalten sind die Substruktionsmauern, die das Areal der Burg gegen die Talseite erweitern und gewölbte Kellerräume enthalten, nach Ausweis des Mauerwerks aber über das 16. Jahrhundert kaum zurückreichen dürften.

1757 gestattete die Regierung, das Material der Ruine zum Bau des Widums am Blasienberg bei Völs zu verwenden. Das Häuschen am Burghügel entstand 1839.

Quelle: Josef Weingartner, Magdalena Hörmann-Weingartner, Die Burgen Tirols, Ein Burgenführer durch Nord-, Ost- und Südtirol. Innsbruck 1981. S. 115 - 116.


Fragen und Diskussion zum Thema in unserem Forum!

Ergänzungen sind gerne willkommen!