Alte Bergbaue am Aferer Bach.


Von Dr. Karl Meusburger
© digitale Version: www.SAGEN.at

In seinem Standardwerk „Geologie von Tirol“ widmet Prof. Dr. R. v. Klebelsberg ein Kapitel den nutzbaren Mineralien und behandelt darin in erster Linie die Bergwerksbetriebe in alter und neuer Zeit. Unter den Betrieben der Brixner Gegend führt er auch einen Bergbau am Mittelberg an, das wäre also an der linken Flanke des Aferer Tales; er lieferte Kupferkies und Bornit (Buntkupfererz) (S. 274, 635). Obwohl es sich um die nächste Umgebung seiner Vaterstadt handelt, mußte v. Klebelsberg sich doch ein näheres Eingehen auf diese Betriebe versagen, das forderte gebieterisch die ganze Anlage des Werkes.

Nicht viel mehr als v. Klebelsberg bringt sein Assistent Dr. R. v. Srbik (Bergbau in Tirol und Vorarlberg in Vergangenheit und Gegenwart; Berichte des Naturwissenschaftlichen Vereines Innsbruck. 41. Bd.. Innsbruck 1929). Er berichtet, daß um die Mitte des 16. Jahrhunderts hinter Albes ein neuer Bergbau angefahren worden sei (S. 230). Ferner erwähnt er in der Erklärung zu Beilage 12, daß im 14. Jahrhundert am Mittelberg im dort anstehenden Tonschiefer Kupfer- und Schwefelkies abgebaut worden sei, bis im Jahre 1496 ein Bergsturz diesem Betrieb ein Ende machte (S. 233).

Auch der Bozner Naturhistoriker Georg Gasser (Die Mineralien Tirols, Innsbruck 1913) spricht von diesem Bergbau (S. 113. 172, 318) und sagt, daß er Kupferkies. Buntkupfererz und angeblich auch gediegenes Kupfer geliefert habe.

K. W. v. Dalla Torre bringt in Junks Naturführer von Tirol. Vorarlberg und Liechtenstein, S. 251, die kurze Notiz: „Albeins . . . Bergbau auf Kupfer 1560.“

Die vollständigsten urkundlichen Nachrichten verdanken wir dem Brixner Arzt Dr. Ignaz Mader (Die Ortsnamen am St. Andräer Berg bei Brixen a. E,. einschließlich Milland, Sarns, Albeins, Schlern-Schriften 31. Innsbruck 1936). Er berichtet, daß im Jahre 1560 Kaspar Summersberger und Thoman Mayr um die Bewilligung ansuchten, für das Bergwerk in der Sade Holz schlagen zu dürfen (S. 130, 139, 140). Sade ist ein halbverschollener Name des Aferer Baches, wie Vernagge ein ganz verschollener des Schalderer Baches ist. Ferner berichtet Dr. Mader, daß zwischen dem Sader- und dem Höllerhof eine Schmelzhütte gewesen sein soll, daß man sie aber aufgelassen und dem Verfalle preisgegeben habe, da man es vorzog, das wenige hier erbeutete Erz im nahen Schmelzwerk Sulferbruck zu verhütten.

In seiner im Jahre 1681 erschienenen „Baadordnung oder . . . Erklärung in . . . Tyrol gelegener Bäder“ spricht Dr. Johann Tileman von einem in der Albeinser Gegend sich findenden Kupferwasser, das gegen Gliedersucht gebraucht werde. Wir werden sicher nicht fehlgehen, wenn wir mit Dr. Mader dieses Kupferwasser mit dem Albeinser Kupferbergwerk in Verbindung bringen.

Nach Arthur Graf Wolkenstein (Aus der Geschichte von Rodenegg, Manuskript) endlich hat im Jahre 1752 Freiherr von Zinnenberg den Bergbau wieder eröffnet. Allem Anschein nach ist dieser Betrieb bald wieder aufgelassen worden, denn das gewonnene Erz dürfte wohl kaum die aufgewandte Arbeit gelohnt haben. Hätte er länger gedauert, so hätte der fleißige und gewissenhafte Sammler Johann Jakob Staffler in seinem berühmten, in den Jahren 1839 — 1846 erschienenen Werke: „Tirol und Vorarlberg, statistisch und topographisch mit geschichtlichen Bemerkungen“ sicher davon Erwähnung getan.

Heute weiß wohl kaum ein einziger Albeinser, daß im nahen Aferer Tal einst der Bergsegen blühte, und nur wenige wissen, daß es irgendwo im Tal darinnen einige alte Knappenlöcher gebe, in die noch vorhandenen Stollen tiefer eingedrungen ist sicher keiner von ihnen.

Diese alten, verschollenen Bergbaue — es handelt sich, wie aus den von Srbik gebrachten Nachrichten deutlich hervorgeht, um zwei voneinander verschiedene Betriebe — hat nun der ehemalige Bergführer und jetzige Portier des Brixner Krankenhauses, Herr Franz Jöchler, nach langem Suchen wiederentdeckt und einen derselben großenteils auch erforscht. Auf seinen Mitteilungen und auf einer unter seiner Führung unternommenen Begehung beruht die nun folgende Beschreibung. Herrn Jöchler sei an dieser Stelle der gebührende Dank ausgesprochen.

Der Eingangsstollen des ersten Bergwerkes liegt kaum eine halbe Stunde hinter der Albeinser Pfarrkirche am linken Ufer des Aferer Baches in etwa 705 m Meereshöhe. Der Zugang ist ziemlich beschwerlich, da einige senkrecht zum Bach abbrechende Felswände zu umgehen sind und der Bach einigemal auf halsbrecherischen Brücken oder auch ohne Brücke überschritten werden muß. Im Winter, wo Weg und Brücken zum Zweck der Holzlieferung immer neu instand gesetzt werden, ist dieses Bergwerk viel leichter zugänglich. Obwohl dieser Weg nun hart an den zwei offenen Mundlöchern der Stollen vorbeiführt, können diese doch leicht übersehen werden, da sie nicht nur 5 bzw. 9 m höher liegen, sondern im steilen Felshange auch noch etwas zurücktreten, da vor beiden ein kleiner, ebener Vorplatz liegt. Schutthalden, die sonst vortreffliche Anzeiger alter Bergbaue sind, fehlen hier gänzlich, denn die Hochwasser des Aferer Baches haben das taube Ausbruchsmaterial längst schon wieder weggeschwemmt.

Der obere Stollen führt in ungefähr südlicher Richtung etwa 6 bis 7 m tief in den Berg hinein. Er scheint nur ein Versuchsstollen gewesen zu sein, bei dem die Arbeit bald wieder aufgegeben wurde. In die beiliegende Skizze (nicht ein auf Messungen beruhender Plan!) ist er, da er genau über dem mit A bezeichneten wirklichen Eingangsstollen liegt, gar nicht eingetragen.

Alte Bergbaue am Aferer-Bach © Karl Meusburger 1936

Alte Bergbaue am Aferer Bach
Karl Meusburger

Dieser Eingangsstollen A führt zuerst etwas fallend, dann aber wagrecht in den Berg hinein, endet aber schon nach etwa 10 bis 12 m. Gleich nach dem Eingang zweigt von ihm nach rechts, also nach Westen, ein Querstollen ab, der aber bald in einen, wie es scheint, mit Ausbruchmaterial erfüllten und daher jetzt nur mehr metertiefen Schacht übergeht. Dem genannten gerade gegenüber führt ein anderer Querstollen (B) in den bis zu 3 in hohen Raum C, dessen Sohle eine ziemlich stark nach Süden einfallende Rutschfläche bildet und dessen südlicher Teil daher von Wasser bedeckt ist. Dieser Rutschfläche folgend, zweigt von diesem Raum ein breiter, nach Nordosten ziemlich stark ansteigender Stollen ab, der aber schon nach ungefähr 7 m endet. Hier stehen noch zwei kurze Stempelhölzer, obwohl (anscheinend wenigstens) nie eine Einsturzgefahr bestand. Von diesem Raum C führt ein kurzer Stollen D nach Osten, teilt sich aber schon nach etwa 6 m. Der nordöstliche Zweigstollen biegt bald um und führt dann, etwas nach abwärts verlaufend, zur verrammelten Mündung E. Der südöstliche Zweig F senkt sich etwas und seine Sohle ist, je weiter bergeinwärts sie führt, um so tiefer mit Wasser bedeckt. Nach etwa 7 m verhindert herabgestürztes Material ein weiteres Vordringen. Doch ist die Fortsetzung vom Schacht G aus zugänglich, der 28 m taleinwärts auf einer ganz kleinen Felsplatte beginnt, zuerst fast senkrecht, dann mit mittlerem Gefälle und dann wieder fast senkrecht in die Tiefe führt und etwa 12 m hinter der Verschüttungsstelle in den Stollen F mündet. Wie weit dieser Stollen in den Berg hineinführt, ist unbekannt, da das immer tiefer werdende Wasser schon 15 m hinter der Einmündung ein weiteres Vordringen unmöglich macht. Die saigere Höhe des vorgenannten Schachtes G mag etwa 10 m betragen.

Nun kehren wir wieder in den Raum C zurück. Vom westlichen Ende dieses Raumes führt in schnurgerader Richtung ein 62 m langer knie- bis metertief mit Wasser erfüllter Stollen J zum birnförmigen Raume K, dessen Boden etwas schief liegt und der deshalb auf seiner nördlichen Hälfte trocken, auf der südlichen aber vom Wasser bedeckt ist. Von diesem Raume gehen drei Stollen aus. Der nach Osten führende L endet schon nach etwa 5 m. Im jetzt mit Wasser erfüllten Stollen N scheint bei der Auflassung des Bergwerkes noch gearbeitet worden zu sein, denn hier stecken zwei Holzteile im Felsen; mehr als auf 10 m Länge ist auch dieser nicht vorgetrieben worden. In den dritten nach Südosten gerichteten Stollen M drang Herr Jöchler mit hohen Wasserstiefeln ausgerüstet 10 m tief ein, verlor dann aber plötzlich den Boden unter den Füßen und fand keinen Grund mehr. Zum Glück konnte er sich noch mit den Händen halten und sich, allerdings vollständig durchnäßt, wieder herausarbeiten. Ob der Stollen hier sich nur plötzlich senkt oder ob er gar in einen Schacht übergeht, konnte bis jetzt noch nicht erforscht werden.

Dort, wo vom Raum C der lange Stollen J ausgeht, zweigt nach Westen ein sanft abfallender, unter dem Stollen A hindurchführender und deshalb in der Skizze nur punktiert gezeichneter Stollen P nach Westen ab. Nach einem Verlauf von etwa 25 m führt er zu einem ganz kleinen Wassertümpel Q; hinter diesem Tümpel wird er immer enger. Wahrscheinlich diente er einst zur Entwässerung. Würde man von Q aus durch den ganz engen Stollen R weiterkriechen, so würde man fast sicher bald ins Freie gelangen und bei jenem Loch herauskommen, das, vom Stolleneingang A aus gerechnet, 25 m talauswärts liegt und aus dem ein an sich klares, sein Rinnsal aber mit gelbem Eisenocker erfüllendes Wasser fließt. Dieses künstlich gebohrte, etwa einen Quadratmeter große Loch verengt sich schon nach 2 bis 3 m derart, daß ein Mann nur mehr mit Mühe durchkriechen könnte.

Die meisten Stollen dieses Bergwerkes sind nur in gebückter Haltung passierbar, denn ihre Höhe beträgt nur etwa 1,4 m die in der Skizze schraffierten Stellen sind mit Wasser bedeckt, auf dessen Grunde sich überall gelber Eisenocker als Schlamm abgelagert hat. Die Breite der Stollen beträgt ebenfalls 1,2 bis 1,4 m.

Offenbar gehören die hier beschriebenen Stollen jenem Bergwerk „in der Sade“ an, das nach Srbik im 16. Jahrhundert neu angefahren wurde, zu dessen Betrieb Summersberger und Mayr Holz schlagen wollten und das im Jahre 1752 wieder gewältigt wurde. Herr Jöchler hat auch noch ein zweites altes Bergwerk entdeckt, aber nicht erforscht. Seine Stollen liegen etwa eine halbe Stunde weiter taleinwärts. Möglicherweise ist das jener Bergbau, der nach Srbik schon im 14. Jahrhundert betrieben wurde, aber dann im Jahre 1496 infolge eines Bergsturzes aufgegeben werden mußte.

Das eben beschriebene Bergwerk liegt ganz im Phyllit, der aber für den Unkundigen schwer als solcher kenntlich ist, denn einerseits enthält er bald mehr, bald weniger Graphit, ist infolgedessen fast schwarz und färbt ab; andererseits ist er durch die Hitze der nahen Klausener Eruptivgänge etwas metamorphosiert und dadurch viel kompakter geworden. Mit diesen Klausener Eruptivgängen mag auch der Erzgehalt zusammenhängen. Wahrscheinlich sind, als in der Vorzeit die glutflüssigen Massen der Porphyrite und Klausenite aus der Tiefe der Erde heraufdrangen, auch metallhaltige Dämpfe emporgestiegen und haben die größeren und kleineren Spalten des Gesteins durchsetzt. Eindringendes Wasser hat diese Erzteilchen langsam gelöst und in Spalten und Klüften wieder abgelagert. Diese sekundäre Erzbildung geht heute noch vor sich, denn an vielen Stellen sieht man grünliche Ausblühungen, die mitunter zu kleinen Stalaktitchen anwachsen. Auch Limonit- oder Brauneisensteinbildung kann man beobachten, sei es, daß dieses rostbraune Mineral das Gestein in dünner Schicht überzieht, oder sei es, daß es auch kleine Stalaktitchen bildet. Das sind die Anfänge der Malachitbildung bzw. der Bildung des braunen Glaskopfes. Außerdem finden sich auf der Südseite des Stollens B Ausblühungen eines weißen strahligen Minerals, wahrscheinlich solche von Natrolith.

Auffallend ist, daß die Stollenwände öfters von Rutschflächen gebildet werden, aber ganz glatt sind. Bei der Verschiebung der Gesteinsschollen haben sich nämlich die Spaltenwandungen aneinander gerieben und sich dabei gegenseitig geglättet. Da nun mehrere Stollen diesen Rutschflachen bzw. diesen Spalten folgen, dürfte zur Zeit des Bergwerksbetriebes hier die Erzführung sicher größer gewesen sein als anderswo und diese Anreicherung des Erzes in der Nähe der Spalten stimmt mit der eben gegebenen Erklärung von der Entstehung dieser Erze recht gut überein.

Nach dem, was man jetzt noch in den Stollen sehen kann, dürfte dieses Bergwerk wohl nie eine reiche Ausbeute geliefert haben und es ist kein Wunder, wenn sein Betrieb schon frühzeitig aufgegeben wurde. Wenn also schon damals, wo einerseits die Arbeit noch billig war und andererseits das Kupfer als Münzmetall einen höheren Wert hatte als heutzutage, der Betrieb sich nicht mehr lohnte, so wäre eine Wiedergewältigung heute ganz ausgeschlossen.

Von einem Bohrloch für Pulversprengung ist in keinem Stollen eine Spur zu sehen, wahrscheinlich wurde nur mit Fäustel, Meißel und genetzten Holzkeilen gearbeitet. Auf letztere wohl recht altertümliche Technik weisen die beiden am Ende des Stollens N steckenden Holzteile hin. Die starke Zerklüftung des an sich festen Gesteins erleichterte diese primitive Art der Arbeit.

Wenn wir uns jetzt noch die Frage stellen, wie dieses in einer unwegsamen Schlucht gelegene Bergwerk wohl entdeckt worden sein mag, so ist es nicht unwahrscheinlich, daß die grünen Ausblühungen, die wir heute noch in den Stollen sehen, den Anlaß geboten haben. Ein herabfallender Felsklotz mag sie bloßgelegt haben. Später hat man Metalle vielfach mit der Wünschelrute gesucht. Der berühmte Agricola († 1555) hat in seinem „Bergwerksbuch“ hiezu die Anleitung gegeben und ihr die Abbildung eines erzsuchenden Rutengängers beigefügt. Wahrscheinlich hat man an solchen von Rutengängern bezeichneten Stellen kurze Probestollen in den Felsen getrieben; fand man kein Anzeichen eines Erzes, so wurde die Arbeit bald wieder eingestellt. Auf diese Weise mögen jene künstlich in den Fels gesprengten Löcher entstanden sein, die wir in der Albeinser Gegend finden: zwei hart nebeneinander, etwa 60 m links vom Wege, der von Sarnes nach Albes führt, etwas vor man zur sogenannten Platte kommt; ein anderes südlich von Albes in der sogenannten Ganne, hart am Wege zum alten Schießstand; ein weiteres nur metertiefes und vom Gesträuch ganz überwachsenes 200 m südlich vom Atzlerhof, fast unmittelbar neben dem Wege nach Tiso.

Diese Albeinser Bergwerke und Knappenlöcher sind, wie v. Klebelsberg ausdrücklich bemerkt, durchaus nicht die einzigen in der näheren Umgebung seiner Vaterstadt. Auch die anderen sind ihm wohlbekannt, doch kann er unmöglich auf derartige Einzelheiten eingehen, denn seine Arbeit muß größeren und wichtigeren Problemen gelten, solche ins kleine eingehende Spezialforschungen überläßt er jenen, die er durch sein Standardwerk „Geologie von Tirol“ zu derartigen Arbeiten und zu weiterem Forschen angeregt hat.

Quelle: Karl Meusburger, Alte Bergbaue am Aferer Bach, in: Der Schlern, Illustrierte Monatsschrift für Heimatkunde und Volkskunde, 17. Jahrgang, 11. und 12. Heft, November/Dezember 1936, S. 187 - 190.
© digitale Version: www.SAGEN.at