Verschollene Bergbaue im Ennstal


Von Ferdinand Tremel

In einem seiner ersten Aufsätze verwies unser Jubilar [Fritz Popelka, 60. Geburtstag] auf die Anfänge des Kohlenbergbaues in der Steiermark in den Jahren 1606 und 1607.1) Er konnte darin die Ursachen aufzeigen, die einer so frühzeitigen Verwertung der mineralischen Kohle im Wege standen: den Widerstand der Grundherrschaften, die sich fürchteten, dass ihnen die Gründe als Kammergut entzogen würden, die teure Fracht der „Stein'"kohle, wie man damals alle mineralische Kohle im Gegensatz zur Holzkohle nannte, und die mangelhafte Eignung der technischen Einrichtungen jener Frühzeit für die Kohlenheizung. An ihnen scheiterten die Versuche, die Jonas Cramworff aus Guttaring in Kärnten in der Gegend von Donawitz, Leoben und Kapfenberg zur Ausbeutung der dort gelegenen Braunkohlenlager unternahm. 2)

1) Fritz Popelka. Die Entdeckung der steirischen Kohlenlager, „Grazer Volksblatt“. 16. November 1920.
2) F. Popelka, a.a.O.

Zahlreiche Versuche zur Auswertung der heimischen Braunkohle wurden in der Hochblüte des Merkantilismus, in der Zeit Karls VI., unternommen. Der Mangel an Holzkohle wurde immer drückender, die Bergwerke und die heimischen Eisenhämmer brauchten neuen Brennstoff — das waren die Gründe, warum man wieder auf die längst bekannten Lager von mineralischer Kohle zurückgriff. Im Jahre 1718 begann Fürst Schwarzenberg, der über große Eisenwerke in Murau und Turrach verfügte, die Lager von Fohnsdorf auszuwerten; 3) um dieselbe Zeit ließ der Besitzer des Kupfer- und Edelmetallbergbaues in der Walchen bei Öblarn, Hans Josef Stampfer, in Fohnsdorf auf Kohle graben, 4) aber der Transport der Kohle von Fohnsdorf nach Öblarn war zu teuer, und so wurde dieser Betrieb wieder eingestellt. Wenige Jahre später, 1726, versuchte die innerösterreichische Hofkammer, Steinkohle zur Feuerung der Hochöfen und Hämmer in Vordernberg und Eisenerz zu verwenden, doch führte dieser Versuch zu keinem befriedigenden Ergebnis. Dauerhafter war der im selben Jahre eröffnete Kohlenbergbau am Münzenberg bei Leoben 5) und wenige Jahre später erschloß Abbé Poda die Kohlenlager um Köflach. 6).

3) H. Pirchegger. Geschichte der Steiermark mit besonderer Rücksicht auf das Kulturleben, Graz 1949, S. 210.
4) K. A. Redlich, Die Walchen bei Öblarn (Bergbaue Steiermarks, II.) Leoben 1903, S. 11.
5) A. Buchmüller, Mitteilungen aus der Chronik von Donawitz. Donawitz 1914. S. 30 f.
6) F. Popelka, a. a. O.

Inzwischen war der Mangel an Holzkohle auch im Ennstal immer empfindlicher geworden, dort vor allem deshalb, weil die größten und besten Waldungen dem Erzberg gewidmet waren, wodurch die kleineren Bergbaue und Eisenwerke in rechte Not gerieten. Unter den Bergbauen des oberen Ennstales hatte die Walchen unter Hans Josef Stampfer einen gewaltigen Aufschwung genommen; der Aufstand Rakoczys unterband die Einfuhr von Vitriol aus Ungarn und verursachte ein starkes Ansteigen des Vitriolpreises, der Spanische Erbfolgekrieg wieder hatte große Nachfrage nach Kupfer zur Folge. Diese äußeren Umstände bewirkten, dass die Kupfer- und Vitriolerzeugung in der Walchen einen nie gekannten Höhepunkt erreichte, mit ihr aber auch der Bedarf an Holz und Kohle, ja, die Beschaffung von Kohle wurde geradezu eine Existenzfrage für das Werk. 7) Das erkannte Graf Stampfer und begann daher, da die Grabungen in Fohnsdorf nicht den gewünschten Erfolg hatten, im Jahre 1720 mit dem Abbau von Braunkohle bei der Sägemühle in St. Martin am Grimming. Allein der Versuch wurde bald wieder eingestellt, als sich zeigte, dass die Lager nicht abbauwürdig waren.

7) F. Tremel. Öblarn, Geschichte eines steirischen Dorfes (Ms.).

Der Mangel an Brennstoff verursachte indes immer neues Suchen nach Kohlenlagern. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts sah sich auch das Halloberamt Aussee gezwungen, danach Ausschau zu halten; um das Jahr 1798 eröffnete es bei Tipschern, nächst dem vlg. Krottenbacher, also in unmittelbarer Nähe der Stelle, an der schon Stampfer hatte graben lassen, einen Kohlenbergbau, hatte damit aber nicht mehr Glück als sein Vorgänger; nach kurzer Zeit musste der Betrieb wieder eingestellt werden — sein Ertrag war zu gering. 8)

8) Archiv Sölk im Steierm. Landesarchiv Graz, Sch. 41, H. 256.

Nun lebte zu Anfang des 19. Jahrhunderts in Öblarn ein sehr unternehmungslustiger Mann, der den Bergbau mit Leidenschaft betrieb, zahllose Schurfrechte erwarb, von den Bauern der Umgebung weidlich ausgenützt wurde und doch nichts erreichte, der Waldmeister des Stiftes Admont Josef Anton Grahofer. Als dieser von dem ehemaligen Kohlenbergbau in Tipschern erfuhr (1807), wandle er sich an den Schladminger Gewerken Ferdinand Thomoser um dessen Unterstützung, und den beiden gelang es nach vielem mühsamen Suchen tatsächlich, bei Tipschern, nahe der Poststraße, der heutigen Bundesstraße, wie sie meinten mächtige Kohlenausbisse anzutreffen. Da Thomoser die Geldmittel zur Ausbeute nicht aufbrachte, nahm Grahofer allein den Betrieb auf. Das Flötz erhielt den Namen „St. Maria von der guten Hoffnung", ein Stollen wurde 224 Lachter, das sind 432 Meter, tief vorgetrieben und in ihm wirklich Glanzkohle der besten Sorte gewonnen. Der Preis der Kohle belief sich ab Tipschern auf 40 Kreuzer für den Pfundzentner, was gegenüber der Holzkohle eine wesentliche Verbilligung bedeutete. Der Betrieb war freilich recht primitiv, Maschinen wurden nicht verwendet. Versuche mit  der Kohle, die beim Eisenhammer in Pruggern angestellt wurden, ergaben ihre gute Brauchbarkeit. Sie hinterließ keinen Geruch, der im Zerrennfeuer erzeugte Stahl unterschied sich in nichts von den mit Holzkohlenfeuerung hergestellten Sorten und auch die im Streckfeuer erzeugten Waren waren „wider alles Erwarten gut". Trotzdem konnte kein geregelter Absatz erzielt werden. Die Ursache für dieses Versagen sah Grahofer in „tief eingewurzelten, noch nicht besiegten Vorurteilen", zu denen sich „altgewohnter Schlendrian" gesellte. Mag man dieses Urteil übertrieben halten — es steckte viel richtige Beobachtung darin —, so war der unglückliche Unternehmer doch sicher im Recht, wenn er klagte, dass die Gewerken „zu wenig Wissbegierde" zeigten und dass die Vorzüge der Steinkohle „zu wenig bekannt" waren. Es ist das alte Lied in der Geschichte des Niederganges des steiermärkischen Eisenwesens zu Beginn des vorigen Jahrhunderts, dass die Gewerken viel zu behäbig an altväterlicher Sitte festhielten und nicht wahrhaben wollten, dass eine neue Zeit im Anzuge war, die rücksichtslos das Alte überrannte.

Einige Jahre vor der Eröffnung des Kohlenbergbaues durch das Halloberamt hatte der Pfarrvikar von St. Martin am Grimming, P. Augustin Zapf, 9) einen Bergbau auf Zinnobererz am Grimming oberhalb von Diemlern aufgetan. 10) Ein Stollen wurde knapp 60 Meter tief vorgetrieben, dann stellte der Pfarrer den Betrieb wieder ein; offenbar waren seine Erwartungen nicht erfüllt worden. Im Jahre 1803 forderte der Grundherr des Schürfplatzes, Graf Franz von Saurau, den zu solchen Unternehmungen immer bereiten Grahofer auf, seinerseits die Suche nach dem Zinnober wieder aufzunehmen. Der Waldmeister ließ sich nicht lange bitten; mit Hilfe eines Bergmannes aus Öblarn und eines Bauern aus Espang machte er sich auf die Suche und es gelang den dreien tatsächlich, die schon ganz verfallene Grube wieder aufzufinden. Hochbefriedigt ließ Grahofer den Stollen wieder öffnen und durch ein volles Jahr graben, doch konnte kein Zinnober gefunden werden. Mit einem Verlust von 130 ½ Gulden musste Grahofer das Unternehmen einstellen. Trotz dieses Misserfolges wurden die Versuche neun Jahre später noch einmal aufgenommen, doch wieder waren sie vergeblich.

9) Gest. 1830 als Jubelprofeß und Senior des Stiftes Admont. — Vgl. J. Wichner. Geschichte des Benediktinerstiftes Admont. 4. Bd., Admont 1880. S. 445.
10) Archiv Sölk. a. a. O. Sch. 41. H. 256.

Oberhalb des Schlosses Gstadt, am Fuße der Eichleiten bei Öblarn, tritt die Enns heute ganz nahe an den Mitterberg heran. Gerade über dem Normalwasserspiegel öffnet sich eine Höhle in den Felsen, die vor der Regulierung des Flusses, als der Eingang noch leicht zugänglich war, viele Neugierige anlockte und als „Einsiedlerhöhle" durch Paula Groggers besinnliche Legende „Das Kind der Saligen“ in die Literatur einging. Diese Höhle ist ein Stollenmund.

Färber und Gerber, Kürschner und Riemer, Sattler und Papiermacher, Buchbinder und Apotheker benötigten Alaun, der bis in die Zeit Josefs II. in die obere Steiermark zu ziemlich hohen Preisen eingeführt werden musste. Das veranlasste den Berg- und Hüttenverweser des gräflich Stampferschen Bergbaues in der Walchen bei Öblarn, Johann Fächer, in der Umgebung seines Wohnortes nach Alaun zu suchen. Auf der Suche stieß er im Jahre 1779 an die genannte Stelle des Mitterberges und dort fand er zarte weiße und grauweiße Kristalle von Federalaun. 11) Er ließ sofort einen etwa 25 Meter tiefen Gang graben und hatte auch die Genugtuung, seine Arbeit mit Erfolg gekrönt zu sehen, als er schon im Jahre darauf als Oberverweser nach Obervellach in Kärnten versetzt wurde. Sein Nachfolger setzte den Abbau nicht fort, vielleicht fehlte ihm auch das Kapital dazu; so verfiel der Stollen wieder und nur die kleine Höhle erinnert noch an ein kurzes, aber vielversprechendes Unternehmen.

11) Archiv Sölk, a. a. O., Sch. 41, H. 257.

Der früher genannte Gewerke Thomoser in Schladming versuchte in den Jahren 1805 und 1806 im Schnabelkar im Obertal bei Schladming auf Kobalt zu graben: geringe Hältigkeit der Lager und Mangel an Kapital brachten den Bergbau rasch wieder zum Erliegen. Noch erfolgloser war die Suche nach Kobalt auf dem Hofmanninger Berg bei Gröbming durch Grahofer. Es fand sich zwar ein Gestein, das in seiner Farbe dem Kobalt ähnelte, aber Proben, die an das Oberbergamt in Vordernberg und an eine private Adresse in Nürnberg geschickt wurden, ergaben, dass der vermeintliche Kobalt ein gewöhnlicher schwarzer Schiefer war.

Grahofer ließ sich durch seine Misserfolge nicht abschrecken: er grub auf Kupfer in St. Nikolai in der Sölk, 12) auf Silber bei der Breitlahngangalpe im Kleinsölktal und im Schwöllerergraben bei Niederöblarn und suchte nach angeblich verschollenen Bergbauen auf der Gumpenalm und auf der Matillenalm im Walchental, doch blieb ihm das Bergmannsglück überall versagt; teils waren die Lager zu wenig hältig, teils lagen sie zu ungünstig und es kam die Produktion zu teuer. So erfolglos aber alle diese Versuche blieben, sie waren doch mehr als Schrullen eines Sonderlings; sie sind bezeichnend für eine Epoche, in der der Übergang von der gewerblichen zur industriellen Unternehmungsform vor sich ging. Mit wenig Arbeitern ohne maschinelle Ausrüstung unternommen, erforderten sie keine nennenswerten Kapitalien und wollten nur der Befriedigung des Bedarfes der nächsten Umgebung dienen. Sie erinnern damit an handwerkliche Betriebsformen einer schon im Absterben begriffenen Zeit. Für den Ausbau zum Großunternehmen auf kapitalistischer Basis aber fehlten ihnen alle Voraussetzungen: es fehlte die Mächtigkeit der Lager ebenso wie das Betriebskapital, der Absatzmarkt so gut wie die billige und leichte Transportmöglichkeit. Sie konnten daher nicht gedeihen und nur ein kaum noch erkenntlicher Stollen erinnert da oder dort den erstaunten Wanderer an längst entschwundene Träume vom Bergmannsglück.

12) Darüber H. Wimbersky. Eine obersteirische Bauerngemeinde in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung 1498 - 1899, I. (einziger) Bd., Graz 1907. S. 128 f.

Quelle: Ferdinand Tremel, Verschollene Bergbaue im Ennstale, In: Blätter für Heimatkunde, Herausgegeben vom Historischen Verein für Steiermark, 24. Jahrgang, Graz 1950, S. 4 –8.
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