Das älteste Innsbruck als Bergbauzentrum


Von Leo Weirather

Vorbemerkung der Schriftleitung. Karl Moeser hat in den Forschungen und Mitteilungen zur Geschichte Tirols, Jg. 4, 1907, S. 232 ff., den Bestand einer Innsbrucker Münzstätte für die Zeit zwischen 1230 und 1241 nachgewiesen. Die Abhandlungen des gleichfalls hochangesehenen Numismatikers Gustav Braun von Stumm: Ober das Münzrecht der Andechser, Tiroler Heimat, Bd. 11 und 12. Veröffentlichungen des Ferdinandeums, Bd. 31, Innsbruck 1947 - 1951, beschreiben die wenigen Münzen, die als Erzeugnisse der Innsbrucker Münzstätte in Betracht kommen.

Im Höttinger Berg, von der Kranebitter Klamm bis zur Mühlauer Klamm, sind viele alte Knappenlöcher bekannt, Reste eines ehemals blühenden Bergbaues.

Geblendet von den riesigen Ausbeuten, die der Schwazer Bergbau im 15. und 16. Jahrhundert ergab, nimmt man allgemein an, dass diese Zeit das einzige große Bergbauzeitalter Tirols war.

Die Schwazer Bergbaue sind etwa um 1420 in Aufschwung gekommen, aber der Name „Arzberg“ ist schon für das Jahr 1273 belegt, also in einer Zeit, als die Grafschaft Unterinntal den Grafen von Tirol gehörte, die 1274 die Münzstätte von Innsbruck nach Meran verlegten.

Vielleicht stand die Verlegung der Münze in Zusammenhang mit verringertem Bergbaubetrieb, der nicht mehr so große Erträge einbrachte wie zu Zeiten der Andechser.

Wenn man die Verlegung der Münze in Zusammenhang mit dem Ertragsschwund der Inntaler Bergwerke bringt, dann darf man wohl ihre Errichtung in einem Zusammenhang mit einer ersten Blütezeit des Bergbaues im Inntal bringen, deren Erträge die Andechser veranlasste, Silber ihrer Bergwerke als Münzen auszuprägen.

Bei Rückschluss von der Bestandsdauer der Innsbrucker Münzstätte aus kann die Dauer dieser ersten Blütezeit auf etwa ein Jahrhundert geschätzt werden. Auf ihren Aufschwung weist die Errichtung der Münze im Markte Innsbruck-Anbrücke hin, etwa 1170 - 1180; auf ihren Verfall die Verlegung der Münze nach Meran, 1274.

Voraussetzung für Bergbauforschung und Errichtung von Bergwerken ist, dass die maßgeblichen Stellen außer der Bewilligung seitens der Reichsgewalt — Bergwerkregal — auch über genügend Geldmittel verfügen. Das war der Fall seit der Belehnung der reichen Grafen von Andechs mit der Grafschaft im Unterinntale.

Im Jahre 1027 verlieh Kaiser Konrad II. dem Bischof Hartwig von Brixen die Grafschaft im Inn- und Eisacktale; das Hochstift bekam auch das Recht zum Bergbau auf Erz, später auch jenes auf Salz.

Die Kirche übertrug diese Rechte im Zusammenhang mit der Verleihung der Grafschaften an ihre Vögte als ihre Vertreter.

Um 1075 - 1090 ist diese Grafschaft des Adalbert genannt, und um dieselbe Zeit war ein Graf von Andechs (Diessen) „comes de Omeras“. Adalbert war wohl der Graf im Inn- und Eisacktale, der Andechser aber nur Besitzer der Herrschaft Amras.

Von 1165 bis 1170 war Otto VI. von Andechs Bischof von Brixen; wahrscheinlich wurde damals die alte Grafschaft im Inn- und Eisack(Nori-)tale aufgeteilt, wobei die neue Grafschaft im Unterinntal als Lehen an die Grafen von Andechs kam.

Sie waren ein reiches Geschlecht, Markgrafen von Istrien, mit dem Titel der Herzoge von Meranien (am Meere Adria), Dalmatien und Kroatien, mit vielen Besitzungen in Bayern und benachbarten Ländern, beheimatet am Ammersee. Demzufolge hatten sie das Recht und die Geldmittel zur Erforschung und Errichtung von Bergwerken, als Reichsfürsten auch das Münzrecht.

Gehörten ihnen damals auch die Höttinger Bergbaubetriebe?

Antwort gibt uns vielleicht der Name jener Gegend, wo heute noch die meisten und längsten Knappenlöcher nahe beisammenliegen: Gramart.

Vom Jahre 1556 ist das „Schwazer Bergbuch“ erhalten, von dem noch zwei Abschriften sowie das Original im Tiroler Landesmuseum aufbewahrt werden.
Bei dem Bilde von Hötting ist Gramart erwähnt, damals, im Original, „Grafenwardt“ geschrieben.

Die Bergwerke im Höttinger Berg gehörten also ursprünglich Grafen, fallen daher noch in die Zeit vor den Herzogen Friedrich und Sigmund, unter denen dann der Bergbau in Tirol zur größten Blüte kam.

Welche Grafen kommen in Betracht?

Die Zeit jener Grafen, die Lehensträger des Hochstiftes Brixen waren, kann gegliedert werden in die Zeit von 1027 - 1165, deren Gaugrafengeschlecht unbekannt ist, wohl eines aus Bayern.

Nach dieser Zeit der Norital-Inntal-Grafschaft kommt jene der Grafen des Unterinntales im Brixner Bistum, also zwischen Melach und Ziller, von etwa 1165 bis 1248, die Zeit der Andechser.

In diese Zeit fällt die Gründung von Innsbruck und die Errichtung der Münzstätte zu Innsbruck-Anbrücke. Es ist anzunehmen, dass sie in engster Verbindung mit der Schmelzhütte der nahegelegenen Bergwerke von Grafenwardt stand.

Die Grafen von Andechs starben 1248 aus; die Grafschaft Unterinntal kam an die Grafen von Tirol, 1254 an Gebhard von Hirschberg, 1284 an Meinhard II. von Tirol.

Es ist unwahrscheinlich, dass Bergwerksgründungen nach 1248 als Grafenunternehmungen bezeichnet worden sind; Grafenwardt gehört also in die Zeit, als die Inhaber der Grafschaft die Andechser waren.

Mehr als 200 Jahre nach der Belehnung der Andechser mit der Grafschaft im Unterinntale, zwischen Melach und Ziller, kam es unter Herzog Friedrich mit der leeren Tasche, dann unter Sigmund dem Münzreichen, zum großen Aufschwung des Schwazer Bergbaues ab 1420.

Der Name „Arzberg“ bei Schwaz, 1273, beweist, dass damals die Silber-, Eisen- und Kupfervorkommen bekannt waren und sicherlich schon früher bergbaulich ausgebeutet wurden. Auch in Südtirol war schon lange früher der Silberberg von Villanders bekannt, den 1159 Arno von Greifenstein dem damals neugegründeten Kloster Neustift bei Brixen geschenkt hat.

Man kann annehmen, dass auch in Nordtirol der mittelalterliche Bergbau auf Silber und Kupfer schon um die Jahrtausendwende in Aufschwung gekommen war und dass schon damals bei Hötting und dem andechsischen Schlosse Thaur rege geschürft wurde, mit Störungen, wie 1136, als Heinrich der Stolze, von Bayern, im Inntale eingefallen war und des Andechsers Otto V. feste Burg Amras belagerte und niederbrannte.

Die erste Blütezeit des mittelalterlichen Bergbaues in Tirol ist die „Grafenzeit", aus der der Name Grafenwardt stammt, der dann auf die heutige Form „Gramart“ abgeschliffen wurde.

Die zweite mittelalterliche Blütezeit ist dann von 1400 bis 1600; sie ist Nachfolgerin der ersten, und man darf ihr nicht die gesamten Strecken der alten Stollen zuschreiben. Man muss damit rechnen, dass in vielen Fällen die dem Stolleneingang nahen Strecken aus der Grafenzeit stammen, die tiefer bergeinführenden Strecken erst dem Spätmittelalter zugehören, während jene mit Sprengspuren frühestens im 17. Jahrhundert entstanden sind.

Vor diesen zwei Blütezeiten des Bergbaues im Mittelalter wurden wohl auch in der Zeit nach der baiwarischen Landnahme in Tirol jene Bergbaue weiterbetrieben, die aus der Römerzeit stammen; die Gewinnung von Gold, Silber, Kupfer und Blei hat wohl keiner der neuen Herren vernachlässigt. Seit dem vorgeschichtlichen Bergbau auf der Kelchsalpe bei Kitzbühel wird in Tirol immer wieder überall geforscht und geschürft worden sein, auch in der Umgebung von Innsbruck.

Nach der bisherigen Auffassung war die Münze zu Innsbruck so um das Jahr 1230 gegründet worden, denn zu dieser Zeit ist Ulrich Haller als „monetarius“, das ist als Münzmeister, genannt und als Richter. Dieser aktenmäßige Beweis für das Vorhandensein eines Münzmeisters darf aber nicht verwendet werden, um den Zeitpunkt der Errichtung der Münzstätte auf dieses Jahr oder auf wenige Jahre vorher festzulegen.

Zur damaligen Zeit entstanden die bürgerlichen Familiennamen; Bauern wurden nach ihrem Hof benannt, Handwerker nach ihrem Gewerbe, viele andere nach Herkunft oder irgendeiner Eigenart.

Man darf nicht annehmen, dass Ulrich Haller seinen Namen vom Orte Hall in Tirol hat, denn damals war der Ortsname Hall hier erst im Aufkommen für die Umgebung der Hal — der Salzsiedestätte.

Haller, als Name eines Münzmeisters, bezieht sich auf die Münze Haller, die später Heller genannt wurde, und die zu Anfang des 13. Jahrhunderts zu Schwäbisch Hall erstmalig ausgeprägt worden ist.

Als Spezialist für die Heller-Prägung kann Ulrich Haller aus Schwäbisch Hall nach Innsbruck gekommen sein. In dieser Zeit von Innsbrucks Anfang kommen hier noch andere Standespersonen mit Familiennamen nach Münzennamen vor; ein Vorgänger von ihm hieß Bernhard Pfenning, ein anderer Zeitgenosse hieß Helbling. Auch dieser Name bezieht sich auf eine Münzsorte — den Hälbling —; der Halbling war ein halber Pfennig.

Diese zwei Berufsnamen aus der Zeit vor der Stadterhebung sind beachtenswert für die Zeitbestimmung des Anfanges der Münzwerkstätte im Markte Innsbruck.
Zuerst war der Markt, der den Grafen von Andechs gehörte, auf dem linken Innufer, im Bereiche nahe an der Innbrücke, wo die Anbrückler hausen. Nennen wir diesen alten Markt „Innsbruck-Anbrücke“, seine Selbständigkeit bis zum Jahre 1180 rechnend. Den nach 1180 entstandenen Markt in der Au rechts vom Inn nennen wir „Innsbruck-Aumarkt", weil die Bezeichnung „Altstadt" für den neugegründeten Markt in der Au, für die Zeit von 1180 bis 1233, also bis zur Erhebung zur Stadt, nicht zutreffen würde.

Die Grafen von Andechs waren seit langem Besitzer der Herrschaft Amras, und wenn auch im Jahre 1136 der Bayernherzog Heinrich der Stolze dem Andechser das Schloss Amras belagerte und niederbrannte, so hatten die Andechser doch genügend Grundstücke zu zwei Tauschgeschäften. Wann das erste stattgefunden hat, ist unbekannt, es dürfte mit der Erbauung der Innbrücke um 1150 zusammenhängen; zur Zeit der Heerzüge römisch-deutscher Kaiser nach Italien war auf der Heerstraße ein fester Innübergang nötig geworden.

Damals musste aus dem weithin sich erstreckenden Bereiche von Hötting ein schmaler Streifen südlich des Dorfes herausgeschnitten worden sein, der in das Eigentum der Andechser übergegangen ist.

Als Gegenwert für diesen Tausch bekam das Stift Wüten vermutlich Grundstücke östlich der Sill, aus der Grundherrschaft Amras. So konnten die Andechser zwischen dem Fallbach und dem Höttinger Bach den Markt Innsbruck-Anbrücke errichten, der aber nicht gut ausbaufähig für eine Stadt war, lang und schmal und ohne Raum für eine Stadtmauer beiderseits der einzigen Häuserzeile.

Planten die Andechser den Ausbau des Marktes zu einer Stadt, so mussten sie den Markt in einen größeren Raum verlegen, südlich von der Innbrücke. So kam es zum zweiten Grunderwerb, dem jener Fläche der Au, die dann von dem Graben vor der Mauer der Altstadt umfasst wurde, dazu östlich davon ein Stück zum Saggen hin.

Bei diesem Tausche war Bernhard Pfenning als erster in der Reihe der Vertreter des Marktes Innsbruck-Anbrücke Zeuge, als Berthold III. von Andechs im Jahre 1180 mit dem Stifte Wüten den Vertrag abschloss.

War Bernhard Pfenning ein Münzmeister und wahrscheinlich auch Bergrichter, und als solcher an erster Stelle Standesperson im Markte Innsbruck-Anbrücke, so war eben schon vor 1180, im alten Markte, eine Münzwerkstätte! Diesfalls bestand sie schon 50 bis 60 Jahre vor der Erhebung von Innsbruck-Aumarkt zur Stadt, 1233, durch Graf Otto VII., der Otto VIII., 1239, im Stadtrechte noch mehr Freiheiten gab.

Man kann annehmen, dass es hauptsächlich die Gewinne aus den Bergwerken im Höttinger Berg waren, die nicht nur dem Reiche die Hälfte, sondern auch dem Besitzer der Grafschaft — dem Hochstifte Brixen — und seinem Lehensträger — dem Grafen von Andechs — Einkünfte brachten und Zuschüsse zu den Kosten der Amtsgebäude und Wehrbauten (Türme und Stadtmauern); auch Handel und Gewerbe verdienten an den Herren und Knappen, an Erzgewinnung und Erzverarbeitung.

Neben der verkehrsgeographischen Lage und den politischen Verhältnissen war die geologisch-bergbauliche Grundlage entscheidend für die Gründung *) und den Aufschwung Innsbrucks, zuerst links vom Inn, dann auf dem später erworbenen rechten Ufer; Hötting blieb ein Dorf, die Anbrückler waren die Keimzelle von Innsbruck.

*) G. Braun von Stumm legt das Hauptgewicht allerdings auf die strategische Bedeutung der neuen Stadt. Die Schriftleitung.

Beachten wir auch die alte Namensform für Gramart: Grafenwardt. Wardt bezeichnet einen Wart, einen Wächter oder eine Wache, eine Guardia, so wie Garde eine Leibwache; auch im Sinne von Wartung und Pflege kann es gebräuchlich gewesen sein, Wart als Pfleger, Beamter.

Eine Überwachung der Erzförderung war sicher nötig, ihre Gebäude lagen wahrscheinlich zentral inmitten des Bergwerksgebietes, in Grafenwardt-Gramart; jene der Metallgewinnung, wegen der Wasserkraft für die Hämmer und zum Schwemmen, beim Bach im Höttinger Graben, wegen Lawinengefahr weiter dorfwärts oder unten am Inn.

Auch die Überwachung von Silbergehalt und Gewicht der Münzen brauchte einen Wart, worauf der Titel Münzwardein zurückgeht.

Es kommt bei Innsbruck noch ein Ortsname mit der Bezeichnung Wart vor, nämlich Pfaffenwart, jetzt Lemmenhof, auf der Anhöhe südöstlich der Sillbrücke, wo die alte Weggabelung nach Vill und Lans ist. Auffälligerweise greift der Bereich der Grundherrschaft Wilten hier ausnahmsweise über die Sill ostwärts und fasst auch noch die Gluirsch bis unter den Burgstall von Straßfried ein. Es ist möglich, dass dieses aus dem Herrschaftsbereiche von Amras herausgeschnittene Stück Land die Gegengabe war für den unterhalb von Hötting, zwischen Höttinger Bach und Fallbach, herausgeschnittenen schmalen Streifen nördlich vom Inn.

Innsbruck-Anbrücke war ein kleiner Ort, hätte als neugegründeter Markt nur einige Händler, Wirte und Handwerker gehabt, wenn nicht zugezogene Bergleute, Hüttenleute und Münzer ein rasches Wachstum und damit einen Ausdehnungsdrang verursacht hätten. Dass er einen Richter hatte, verdankte er nicht nur dem Handel im Markte, der ja so nahebei in Wilten eine uralte Konkurrenz hatte, sondern auch der Münzwerkstätte und ihrer Rohstoffgrundlage, dem Silber aus Grafenwardt, und den anderen Bergwerken der Andechser im Bereich der Herrschaft Thaur, wo auch alte Knappenlöcher sind.

Gemessen am Aufschwung des Marktes scheint der Bergwerksertrag sehr groß gewesen zu sein; dessen Voraussetzung ist Zuzug vieler Arbeiter, die wieder Unterkünfte brauchten und dadurch die Vergrößerung des Ortes Innsbruck-Anbrücke, die Errichtung des neuen Marktes Innsbruck-Aumarkt, nötig machten. Dort war auf ein Jahrhundert hinaus genug Raum, dorthin verlegte sich die herrschaftliche Verwaltung und der Markt, dort entwickelte sich alles zur Stadt.

Die Stadtgründung verzögerte sich, weil die Andechser durch die Reichsacht von 1209 ihrer Lehen und Güter verlustig gegangen waren. Nach
ihrer Wiedereinsetzung erfolgte sofort die Erhebung zur Stadt, wo innerhalb der starken Mauern Sicherheit war für die Münzwerkstätte, Ämter, Handel und Gewerbe und die Lagerräume für die Edelmetalle aus den Höttinger Bergwerken.

Die Errichtung einer Münzwerkstätte zu Innsbruck-Anbrücke fällt in die Zeit vor 1180, vielleicht nach 1170, denn 1165 bis 1170 war der Andechser Otto VI. Bischof von Brixen, teilte die alte Grafschaft im Inntal und Eisacktal und beteilte seinen Bruder Berthold III. von Andechs mit der neuen Grafschaft im Unterinntale zwischen Melach und Ziller.

Damit war irgendwie die Berechtigung zur Münzprägung verbunden, auch zum Bergbau in der ganzen neuen Grafschaft.

Schon früher hatten die Andechser innerhalb der alten Grafschaft eigentumsmäßigen Besitz, voran die Herrschaft Amras, von ihr den Titel „comes de Omeras“, dann das Schloss Thaur, und schließlich auch den Marktbereich Innsbruck-Anbrücke.

Das Arztal bis hinauf zum Rosenjoch gehörte zu Amras, bei Thaur sind uralte Knappenlöcher und vom Höttinger Berg ist Grafenwardt schon im Jahre 1556 als altes Bergwerk erwähnt.

Wann diese Bergwerke gegründet wurden, ist unbekannt, sie gehen höchstwahrscheinlich in viel frühere Zeiten zurück. Als solche kommen in Betracht: 1. Das frühe Mittelalter, von der Völkerwanderungszeit an, besonders seit der Einwanderung der Baiwaren, etwa um 550; 2. die Zeit der Römerherrschaft, von 15 v. Chr. bis zum Zerfall des Imperiums, 476; 3. die frühgeschichtliche und vorgeschichtliche Zeit, aus der man in den Ostalpen besonders die Noriker und Taurisker genannt findet. An sie erinnern der Name des Gebirges — Tauern — und der Name ihrer Heimat — Norikum.

Wie weit sie auf dem Verkehrswege der Drautal-Pustertal-Furche westwärts vorgedrungen sind, ist unklar. Wer das Tauerngold zu finden und zu heben wusste, der wird auch im Tauferer und Ahrntal gesucht und geschürft haben. Warum sollen sie westwärts nicht weiter vorgedrungen sein? Vom Brunecker Talkessel die Rienz entlang abwärts geht es leicht und ist es nicht weit hinab zum Eisacktal, wo wieder zahlreiche Erzlagerstätten zu finden waren.

Nur wenige Wörter kann man dem Illyrischen, Rätischen, Norischen, Venetischen verlässlich zuteilen. Kennt man aus diesen Sprachen oder aus dem besser bekannten Keltischen die Fachwörter für Bergbau, ihre Sachwörter für Erz und Werkzeuge? Vielleicht ließe sich dann bei irgendeinem Knappenloch ein unverständlicher Flurname sachlich deuten und ergibt eine Auskunft über die Volkszugehörigkeit der ersten Bergleute. In der Nähe der Kupfer-Silber-Bergbaue in der Grauwackenzone müssen doch einige Fachwörter als Flurnamen erhalten geblieben sein, dass man die vorgeschichtlichen Bergbauleute auf der Kelchsalpe bei Kitzbühel, dann die am Westende der Grauwackenzone, das ist bei Schwaz, sprachlichvölkisch nachweisen kann.
Was soll diese Leute gehindert haben, westwärts von Schwaz nach Erzadern zu suchen, ihre Wanderungen in das mittlere Inntal auszudehnen, die Lagerverhältnisse in den Nördlichen Kalkalpen kennenzulernen, den Höttinger Berg, die Mieminger Berge und die Imster Gegend mit Heiterwand und Tschirgant zu erforschen?

Sollen die Bronzefunde vom Bergisel, die in den Jahren um 1840 wagenweise an die Glockengießer und Weißgießer verkauft wurden, und die Bronzesachen aus dem Gräberfeld von Wilten wirklich nur von der Kelchsalpe stammen, nicht auch von Schwaz? Und das Bronzezeug von Fundstellen ober Hötting und der Höhenstraße?

Soll dieses Material auswärts teuer gekauft worden sein, während in nächster Nähe dieselben Erze umgehen? Was hätten die Höttinger den Kelchsalplern dafür in Tausch geben können?

Wo Erzwaren zahlreich gefunden werden, dort ist auch das Bergwerk nicht weit weg! Die großen Funde von vorgeschichtlichen Bronzewaren von Wilten, Bergisel und Hötting setzen einen bronzezeitlichen Bergbau voraus; hier können wir nur die Bergwerke in der Nordkette — Höttinger Berg und Thaur — in Betracht ziehen.

In vielen Fällen gehen die alten Landgerichte auf uralte Großgemeinden zurück, auf die auch die alten Urpfarren oder Großpfarren bezogen werden. Absam und Mils waren früher in der Großpfarre Thaur eingemeindet, auch das spätere Landgericht Thaur umfasste diese Orte, einschließlich des anfänglichen Hall.
Sonderbarerweise gehört aber Hötting nicht zu dieser Großgemeinde-Urpfarre-Landgericht, trotzdem es verkehrsmäßig von Thaur aus viel leichter zu erreichen war, als über den einst brückenlosen Inn von Wilten aus. Warum wurde diese Flußgrenze überschritten und Hötting zu Wilten gezogen, statt eine große Markgenossenschaft von der Martinswandenge bis zum Vomper Bach zu bilden?

Sollten die Höttinger Bergwerke zur Römerzeit bestanden haben, zu Veldidena gehört haben, oder schon in der vorrömischen Zeit zu Weldidunum, wie der Name vor seiner Latinisierung zu Veldidena vielleicht geheißen hat?

Dunum, wie Campodunum — Kempten, bezeichnet einen befestigten Ort, vielleicht mit Palissaden umgürtet wie ein Zaun, wie eine Zahnreihe. Dunum, mit gelispeltem D-Laut, wie im Englischen oder Neugriechischen, ist sprachlich nahe verwandt mit den Wörtern Zaun und Zahn.

Die geographische Lage von Weldidunum, im Schnittpunkte der Brenner-Inntal-Verkehrswege, hat es sicher schon in vorrömischer Zeit zum Hauptorte im Lande der Breonen gemacht.

Wenn, so wie die Bergbaue bei der Kelchsalpe, auch die Anfänge der Höttinger Bergwerke in vorrömische Zeit zurückgehen, so gehörten sie zum nahegelegenen Hauptort der Breonen — Weldidunum — und die Ausarbeitung der Erze kann dort stattgefunden haben.

Noch etwas spricht dafür, dass im Raume um Innsbruck der Erzgewinnung und Verarbeitung ein sehr hohes Alter zukommt, nämlich der Name des Patrones der Stiftskirche Wilten, Laurentius.

Laut Heiligenlegende war er am Feuerrost geröstet worden. Er wurde zum Patron der Kohlenbrenner und Schmiede, besonders der Schmelzofenarbeiter und der in den Bergwerksstollen durch Feuersetzen das Gestein mürbemachenden Bergknappen. Dass in Veldidena als Patron der Kirche Laurentius genommen wurde, deutet darauf hin, dass hier schon in der Römerzeit ein Vorort für die Bergwerke der Umgebung war. Auch im Pustertale ist bei der Mündung der bergbaureichen Täler von Taufers-Ahrn und der Gader, an Stelle des römischen Sebatum St. Lorenzen, uralte Großpfarre, einst Sitz des Archidiakonates. Auch im uralten Bergbau von Schneeberg ist Laurentius Kirchenpatron.

Schon Jahrhunderte vor der Römerzeit Tirols gab es in Griechenland berühmte Silber- und Kupferbergwerke in Laurion. Aus dem Kreise der im Berge herrschenden Sagengestalten kennen wir Zwergkönig Laurin.

Wie im Worte Laur, steckt auch in den lateinischen   Worten  für  Gold  und   Silber   —   aurum, argentum — die Wurzel aur — ar, und über artschent eingedeutscht auch in Arz — Erz.

Wir müssen uns aber hier auf den engen Umkreis von Innsbruck beschränken und stellen hiermit die Frage nach der Herkunft der Rohmetalle für die Bergisel-Bronze zur Besprechung.

Quelle: Leo Weirather, Das älteste Innsbruck als Bergbauzentrum, in: Tiroler Heimatblätter, Zeitschrift für Geschichte, Natur- und Volkskunde, 33. Jahrgang, Heft 10 /12, Oktober-Dezember 1958, S. 123 - 128.
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