Vermutungen und erste Nachricht über den ältesten Bergbau in Vorarlberg


von Walter Weinzierl

Über den ältesten Bergbau im Lande lassen sich nur Vermutungen aussprechen.

Die zahlreichen rätischen Hellebardenäxte, die in Bludenz-Unterstein mit vielen Lanzenspitzen und sonstigen Eisengegenständen gefunden wurden, machen es wahrscheinlich, dass sie aus heimischen Erzen hergestellt worden sind. Daher ist ein vorgeschichtlicher Bergbau auf Eisen in Vorarlberg nicht von der Hand zu weisen.

Dass zur römischen Zeit bei uns Eisenbergwerke bestanden haben, ist so gut wie sicher, wenn wir an den lateinischen Flurnamen „Ferrara", das Eisenbergwerk neben dem Agathenkirchlein auf dem Kristberg und an den Namen „Ferwall", das Eisental im Silbertale, denken.

Im benachbarten Sargans haben die Römer ein Eisenbergwerk am Gonzen betrieben.

Der sicherlich bescheidene römische Bergbau bei uns dürfte während der Völkerwanderungszeit, so gut wie zum Erliegen gekommen sein, wenn er nicht in bescheidenem Maße von einzelnen rätoromanischen Familien weiterbetrieben worden ist, um in karolingischer Zeit dann einen neuen Aufschwung zu erhalten.

Von damals haben wir die erste urkundliche Nachricht über unseren Bergbau und zwar im sogenannten rätischen Reichsurbar, verfasst um 850, welches den damaligen königlichen Besitz und die königlichen Einkünfte im Ober- und Innerland aufzeigt.

Entsprechend der Wichtigkeit der ersten Nachricht über unseren Bergbau in diesem Urbar, seien die betreffenden Stellen wörtlich wiedergegeben:

Census autem huius ministerii id-est Vallis Drusiana iste est . . . de ferro 70 Massas una-quaque per . . .
Ministro autem id-est Sculthacio 6 Massas de ferro, secures 5 . . .

„Der (Königs-)Zins dieses Ministeriums, das ist des Drusianatales aber ist dieser . . . vom Eisen 70 Massen, jede zu . . .

Dem Minister jedoch, das ist dem Schultheiss, gebühren 6 Massen vom Eisen und 5 Beile."

Und weiter heißt es in diesem Urbar: Est autem alius census Regis de Ministerio, quod dicitur Ferraires. Est ergo talis consuetudo, ut omnis homo qui ibi pro ferro laborat, (extra Wanzaningam genealogiam), sextam partem reddat in Dominico. Sunt ergo ibi octo fornaces.
Scuithacio vero massas 36 quando suum placitum ibi habet. Quando autem non habet 32, secures 8, Felles hircinas 8.

„Ein anderer (Zins) aber ist der Königszins vom Ministerium, welches Ferraires (das Eisenbergwerk), genannt wird. Dort ist es der Brauch, dass jeder, der dort auf Eisen arbeitet, (außer dem Geschlecht der Wanzaninga), den 6. Teil an die Herrschaft abgibt. Es sind dort 8 Schmelzöfen.
Dem Schultheiss gebühren 36 Massen, wenn er dort Gericht hält; wenn nicht, dann hat er 32 Massen Eisen, 8 Beile und 8 Bockfelle zu bekommen."

Aus alldem geht hervor, dass an manchen Orten im Walgau Eisen gewonnen worden ist und von diesem Bergsegen 70 Massen dem König und 6 Massen, nebst 5 Beilen dem Schultheiss zugestanden sind. Außerdem gab es aber im Drusentalgau noch ein großes Bergbaugebiet, Ferraires genannt.
Aus diesem Gebiet jedoch bezog der Schultheiss 36 Massen, sowie 8 Beile, und der König den 6. Teil der gesamten Eisenerzeugung.

Der Schultheiss des Drusentalgaues war in Ferraires auch als Bergrichter tätig, während die abgabenfreien Wanzaninger die Oberaufsicht über die dortigen Erzgruben und Schmelzöfen ausgeübt haben dürften.

Leider ist im Urbar die Lage dieses Bergbaugebietes und seiner 8 Schmelzöfen nicht angegeben, doch glaube ich nicht weit fehlzugehen, die Gruben und Schmelzen der Karolingerzeit im Viereck: Bürs, Nüziders, vorderes Klostertal und Montafon zu suchen, wo ja auch später unsere Hauptbergbaugebiete waren.

Inmitten dieses eisenreichen Bezirkes liegt Bludenz, das wir zum Ausgangspunkt unserer Streifzüge machen wollen.

Doch vorher sei noch ein Verzeichnis jener Namen eingeflochten, die mit dem Bergbau zu tun hatten und für das bessere Verständnis der rätoromanischen Namen und ihrer Deutung notwendig sind.

Verzeichnis, der für den alten Bergbau wichtigen Namen.

Von Metallen: lateinisch rätoromanisch
Eisen ferrum fer und fier
Blei plumbum plom
Kupfer cuprum aram und ram
Silber argentum argient (arschent gesprochen)
Gold aurum or

Mit dem Bergbau hängen ferner zusammen:

Eisenbergwerk ferraria  
Erzberg   kalanda
Erzader vena vaina
Kleine Erzgrube   gava, geva und schava, scheva
Große Erzgrube   gaferuna
Tiefe Erzgrube   foppa oder Loch
Schmelzofen fornax  
Schmelzhütte (fornaces) forna und fortnatsch

Mit rätoromanischem Bergbau haben auch die Rona- und Dura-Namen zu tun.

Runa,- Rona- und Ronna-Worte bezeichnen wahrscheinlich jene Wälder im Umkreis großer Eisenerzgruben, welche für die Kohlenmeiler gebraucht wurden.

Die Bedeutung von „dura", meistens beiwörtlich gebraucht, z. B. gavadura, steht noch nicht ganz fest, aber weil „dür crap", harter Felsen und „dürezzas", harte Steine bedeutet, wird dieses dura, z, B. in gavadura, eine Erzgrube aus hartem Gestein bezeichnet haben.

Mit dem deutschen Bergbau hängen noch folgende Namen zusammen:
Rotte und Röttli, die Knappenbelegschaft einer großen, bzw. einer kleinen Erzgrube;
Schlüssle, seltener Burg, als Bezeichnung für das Haus des Aufsehers über die Gruben und Schmelzöfen; in abgelegenen Gegenden auch für die Unterkunft der Knappen.
Worte mit „Rosen" hatten gleichfalls mit dem Bergbau zu tun und mit Rosengarten wurden von den Knappen des öfteren die Bergwerke selbst bezeichnet.

St. Eligius, rätoromanisch Elogius oder Loy, war der Schutzpatron der Knappen und wo er verehrt wurde, da muss man die Erzgruben nicht weit davon suchen. —

Nun gehen wir nach Bludenz, dem Ausgangspunkt für unsere Wanderungen in die alten Bergbaugebiete, nicht nur wegen seiner zentralen Lage, sondern auch deshalb, weil diese Stadt zur Blütezeit unseres Bergbaus der Sitz des Bergrichters und der Gewerke war.

Dass dem so gewesen ist, lesen wir in dem Schreiben der Regierung in Innsbruck von 1520 an den Vogt in Bludenz, als auch an den Bergrichter vom Montafon, Stefan Köberle, dass sie es, zur Erweckung und Aufnahme im Laubinger des Dalaaser Waldes in der Herrschaft Sonnenberg, für notwendig halte, wegen Erfindungen, Bergrechten, Ordnungen und Raitungen, sowohl dieses als auch anderer Bergwerke, in Bludenz zu verhandeln. Daher soll Köberle, im Namen des Kaisers, mit seinem Haushalt nach Bludenz übersiedeln, wie das auch frühere Bergrichter taten, damit die Gewerke eifriger die Bergwerke bebauen.

Über das Gelöbnis und die Aufgaben eines Bergrichters werden wir anlässlich der Bestellung Köberles zu diesem Amt genau in Kenntnis gesetzt. Darin heißt es: Köberle hat die Bergwerksämter (vom Montafon und vom Tannberg) treu und fleißig zu verwesen, die kaiserlichen Gerechtsame fest zu handhaben; über die Wälder und Holzwerke der Bergwerksarbeiter fleißig Aufsicht zu führen, damit sie recht gehauen, die Bergwerke treulich bearbeitet und die Schichten ordentlich eingehalten werden. Auch sollen die Werke belebt; Fron und Wechsel gefördert und dem Kaiser das Seinige, — soweit keine Befreiung vorhanden ist, — fleißig entrichtet werden.

Der Richter hat ferner alle Strafen und Bußen die an seinen regelmäßigen Quatembergerichten fällig werden, einzuziehen und über Aufforderung der kaiserlichen Raitkammer in Innsbruck Rechnung zu legen.

Ferner verspricht er, das Recht unparteiisch für arm und reich zu handhaben und alle Erlöse, Ordnungen und Abschiede einzuhalten. —

Wahrscheinlich unterstand dem Bergrichter ursprünglich nur das Werk im Montafon, das nach 1332 bis zu seinem Eingehen im 17. Jahrhundert, „der Silberberg" hieß. Zu ihm gehörte das „Gericht Silberberg" mit seinem Bergrichter an der Spitze, welcher über die Silberer die niedere Gerichtsbarkeit ausübte, während die hohe dem Grafen oder seinem Vogte unterstand.

Dieses Gericht hieß auch das „Gericht über die Egge", nämlich vom Klostertal bis jenseits des Kristberges im Montafon. In dieses Gericht gehörten die Silberer und Bergwerkstreibenden zwischen Dalaas und dem Prätigäu.

Aus dem Gesagten geht hervor, dass der Bergrichter im Dorfe Silbertal Gericht gehalten hat, aber in Bludenz sesshaft gewesen ist, wo auch die Gewerke waren, denn 1347 stiftete eine Gesellschaft von Gewerken, also von Grubenbesitzern, an ihrer Spitze Berchtold aus dem Silberberg, der Sohn des Gumpentz von Veringen, mit seinen Verwandten aus Bludenz, eine Jahrzeit in dieser Stadt.

Damit verlassen wir Bludenz und begeben uns ins Montafon.

Quelle: Walter Weinzierl, Über den alten Bergbau in Vorarlberg, Dornbirn 1972, S. 5 - 9.
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