Ein Bergknappenaufstand in Schwaz 1525.
Von Dr. Albert Hollaender.
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Zu den Vorboten der großen Tiroler Bauernerhebung von 1525, der einzigen bäuerlich-ständischen Teilbewegung des Deutschen Bauernkrieges, die, namentlich auf judiziellem und sozialpolitischem Gebiete, wichtige Erfolge erzielte, wie sie etwa die „Bauernlandesordnung“ vom Jahre 1526 spiegelt, zählt auch ein Ereignis, das, mit Ausnahme einer kurzen, nicht sehr zuverlässigen Notiz in Franz Schweygers (zirka 1500 bis 1572) „Chronik der Stadt Hall“ (1303 bis 1572) 1) bisher nirgends eingehender behandelt, geschweige quellenmäßig beleuchtet, sehr bezeichnend erscheint für das frühneuzeitliche Ringen des Arbeiterstandes um eine politische Vertretung. Es ist dies der Aufstand der Silbererzknappen zu Schwaz im Unterinntal im Februar des Revolutionsjahres 1525.
Als im Jänner der Bauernaufruhr im Allgäu ausgebrochen war, wurde es auch an den nordwestlichen Grenzen Tirols unruhig. Am 12. Februar erhoben sich die Altlaubenberger, Prasberger und Kieslegger Bauern, zwei Tage später halten die von Rotenfels und Rettenberg Versammlungen ab, ferner tagen die Untertanen der Herren von Weidenstein und anderer zu Sonthofen, der 24. bringt die Einigung der Allgäuer in Oberdorf, und am Ende des Monats treten die Bauern der bischöflichen Pflegen Füssen und Nesselwang, also unmittelbarste Nachbarn der Tiroler, dem Allgäuer Bunde bei. Die „Vorarlberger“, die seit Ende 1524, allen Versuchen der oberösterreichischen Regierung in Innsbruck, die Ruhe im Lande aufrecht zu erhalten, zum Trotz eine auffallende Widersetzlichkeit an den Tag gelegt hatten, halten nun ebenfalls ihre Zeit für gekommen, Rankweil, Sulz und Jagdberg befolgen die landesfürstlichen Mandate nicht mehr, und die Stadt Bregenz sowie die Gerichte Wolfsberg, Hochfrieden, Lingenau, Sulzberg, Grünenbach und Stadels, die sich bisher ruhig verhalten hatten und vom Erzherzog-Statthalter Ferdinand noch gegen den 20. Februar ob ihrer treuen Haltung belobt worden waren, fallen alsbald ab und erzeigen sich „aufrüerig".
Da wird's mit einem Male auch in der Grafschaft Tirol lebendig. Nicht daß die Ereignisse in den Vorlanden den Sieg des Radikalismus auf dem gleichzeitig in Innsbruck abgehaltenen Landtag, dem sogenannten „Fastenlandtag“, bedingt hätten. Wohl aber hatte dessen Zusammentritt eine nicht mißzuverstehende Bewegung unter den Schwazer Bergknappen ausgelöst. Zwei bisher unbekannte Aktenstücke sind es hier, die uns über den stürmischen Verlauf dieser Bewegung ausführlich Kunde vermitteln: ein Bericht Erzherzog Ferdinands an den Brixner Bischof Sebastian Sprentz vom 13. Februar 2) und eine Relation des herzoglich bayrischen Gesandten lic. Jur. Hanns Weißenfelder, der sich im Februar 1525 in heikler Mission in Innsbruck aufhielt, einerseits um den Verlauf des für den 6. März einberufenen Landtages verfolgen zu können, anderseits aber, um Erzherzog Ferdinand in der Mailänder Frage auszuforschen, an der sich seine beiden Herren, das wittelsbachische Brüderpaar Wilhelm IV. und Ludwig X., stark interessiert zeigten. Weißenfelders Schreiben ist vom 15. Februar datiert 3).
Schon am 11. Februar hatten, dem Bericht des Erzherzogs zufolge, die Schwazer Gewerke einen kleinen und großen Ausschuß erwählt und den letzteren — 25 Personen — mit einer umfangreichen, leider nicht erhaltenen Beschwerdeschrift zum Erzherzog nach Innsbruck gesandt. Den — gleichfalls verlorengegangenen — Bescheid, der schriftlich erfolgte, ließ Ferdinand durch seine beiden Räte Anton von Brandis und Wilhelm Schurff nach Schwaz hinabschicken und daselbst in „gemainer versammlung“ verlesen. Das aber hatte unter den Versammelten ein lautes Murren zur Folge. Die Knappen erklärten, sie wollten nicht mit den Herren vom Regiment verhandeln, „dann bey derselben inen nie geholffen wurden sey, wissen ir auch nichts guts zu versehen“, sie wollten mit niemandem andern mehr verhandeln als mit dem Erzherzog selbst. Ein Tumult entspann sich, schon ging der „Gloggenstraich“ an, die Knappen wurden bewaffnet und begannen den Markt Schwaz zu belagern. Als von diesen Vorfällen Nachricht in Innsbruck eintraf, beschloß man dortselbst, den Knappen einen kurzen Stillstand anzutragen; sie mögen einen „khlainen erbern ausschuz“ zum Erzherzog entsenden, mit dem er sich „paß zu versteen“ gedenke. Der zugesagte Stillstand wurde indessen gebrochen, und das erfahren wir aus Weißenfelders Relation.
Darnach hätten am 14. Februar ungefähr 6000 „mit langen wören bewaffnete“ Bergknappen („... daruntter der merer tail helleparten, gar wenig lanng spieß und nit sunders puchsen (Büchsen), das annder schäfelin und lanng stöckl schier wie die halben spieß gewesen, all vor inen, doch in der ordnung auf der erdt ligend gehabt...“) den Marktplatz zu Schwaz besetzt, alle Zufahrtsstraßen auf eine Meile Weges im Umkreis abgesperrt und alle Dahinreisenden an der Weiterfahrt gehindert. Vom Erzherzog nach Schwaz abgesandte Botschaften wurden abgewiesen, man gab vor, mit niemandem andern verhandeln zu wollen als mit „seiner durchleuchtigkhait selbs“. Eine Anzahl Knappen begab sich nach Innsbruck, auf dem Wege dahin schlossen sich ihnen Bauern aus vier nicht genannten Gerichten an. Auf die Kunde, sie seien im Anzug, entschloß sich Erzherzog Ferdinand, persönlich nach dem nahen Hall aufzubrechen; auf der Gemeindewiese nahe der Stadt wurde nun die Versammlung abgehalten. Die Knappen und Bauern rückten in zwei Haufen an und nahmen dann, bei 90 Mann in einem Glied, Aufstellung. Ein Ausschuß trat vor, und als der Erzherzog erschien, wurden nach ehrerbietig vorgebrachter Entschuldigung zufolge Weißenfelders Schilderung — er hat der Versammlung selbst nicht beigewohnt — vornehmlich folgende vier Artikel vorgebracht:
„Erstlich das sy mit dem fuerkauff (Vorlauf, Wucher) aller prauvent (Proviant) und war (Ware) mercklich beswärt werden, mit bitt, einsehen zehaben und den fuerkauff abzestellen.
Zum anndern, das die bede lannd- und perckhrichter, auch der frener (Froner) etlich beschwerden halben, so sy gegen inen, den artzknappen, furnemen und üben, von den amptern (Ämtern) entsetzt und annder teuglich (tauglich) an ir statt verordent werden.
Zum dritten, nachdem inen bißher nit gestatt worden, das sy ires gefallens ain ausschuß (politische Personalvertretung!) oder ainich versamblung unnder inen gemacht (also Versammlungsrecht!), das inen solys zuegelassen und furtter nit verwört wird.
Zum vierten haben sy sich irer versamblung und empörung halben ainer sonndern ungnad oder straff besorgt, und gebeten, deshalb gegen inen nichts furzunemen…“
In Weißenselders Bericht folgt hier noch ein Zusatz:
„… Neben dem sind ettlich annder artickl, die gesellschafften und smeltzwerch, auch annders belangent, angetzaigt, darvon ich so grundtlich nit schreiben kan, dann man halt sy für gemain und flecht…“
Etwas präziser als Weihenfelder faßt Erzherzog Ferdinand die vier Hauptbeschwerdepunkte in seinem Bericht zusammen. Er schreibt:
„…Als mir bericht werden, so soll ir begern auf vier artigkl hafften. Nemblichen der erst, daz sy weder phleger, pergkrichter, lanndtrichter noch den frener in khainen weg wellen gedulten, sonder den Pudner (?) zum richter haben. Zum anndern, daz aller furkhauff und phennwart hanndl, so sy den wuecher nennen, bey den großen gesellschafften abgestelt und die Fuggerischen 4) und annder khauffleut aus dem pergkwerch gethan und fron und wexl inmassen wie bey weylannd ertzhertzog Sigmund zeitten an ainich verrer versatzung zu unnsern handen geantwort und geraicht (werden). Zum dritten, daz von allen schrifften, so ausganngen und noch kunfftiglich ausgeen, abschrifften zu iren hannden überanndtwort werdt. Und zum vierten, daz sy zu yederzeit, wan sy daz gelust, ain ausschuß irem gevallen nach machen mugen; und wiewol der artigkl, so sy begern, mer, so seyn doch daz die haubtartigkl, darauff sy hafften und in dhainen weg davon zusteen vermainen...“
Titelblatt der Tiroler Landesordnung
Nach dem Vorbringen dieser vier Hauptforderungen in vollständiger Ruhe antwortete der Erzherzog durch den vorderösterreichischen Statthalter Graf Rudolf von Sulz, den Vorkauf wolle er abstellen, Bergrichter und Fruner würden abgesetzt, jedoch sollten die Knappen die beiden bis zur Einsetzung neuer Männer ruhig unter ihnen wohnen und unbehelligt lassen. Einen Ausschuß zu bilden, wurde ihnen gestattet, doch sollten diesem, nur „from, erber angesessen leut“ angehören. Der Ausschuß dürfe ferner nicht einberufen werden ohne Vorwissen des vom Erzherzog eingesetzten Landrichters, ohne den auch keine bindenden Beschlüsse gefaßt werden sollten. Die Entschuldigung wegen Versammlung und Empörung nahm der Erzherzog zur Kenntnis und ließ die Knappen zu Ruhe und Gehorsam mahnen. Darauf schlossen diese einen mehrgliedrigen Ring, in welchen aus dem Gefolge des Erzherzogs der erwähnte Statthalter, ferner Graf Ulrich von Helfenstein „und sönst ettlich, doch nur teutsch rethe“ — ein Hinweis auf die welsche Umgebung Ferdinands — verordnet wurden. Die Knappen begehrten, daß ihnen über die Zugeständnisse eine unter dem Siegel des Landesfürsten ausgestellte Urkunde eingehändigt werde — Weißenfelder bemerkt dazu: „... das hette man gleichwol gern umbgangen...“ —, auf deren Ausfertigung man sich nach einigem Hin und Wider auch einigte. Darnach ritt Ferdinand erst um, dann durch den Haufen, der sich inzwischen in 68 Glieder formiert hatte, worauf der Abzug erfolgte. Die Gerichtsuntertanen, die an der Versammlung teilgenommen hatten, ließen sich durch eine aus Haller Bürgern bestehende Deputation beim Erzherzog vor dessen Aufbruch entschuldigen, „wie sy nit seiner furstlichen durchleuchtigkhait zuwider oder ainichen ungehorsam, sonnder darumb zu den knappen komen, dieweyl sy inen mit sippschafft verwont, das sy auch die knappen von irem furnemen haben wellen abweisen und stillen...“ Sie hätten sich also, schließt Weißenfelder seinen Bericht, „dermaßen entschuldigt, das furstliche durchleuchtigkhait zufriden gewest und sich vernemen lassen, sie hab ir (der Bürger) hanndlung (halben) ain gefallen. Also ist der krieg gericht worden.“
Für diesmal hatte sich das Unwetter, und zwar nicht einmal sonderlich grollend, verzogen. Es war aber das letzte Mal, daß die Tiroler Bergknappen ihre Forderungen verhältnismäßig so bescheiden vorbrachten. Der wenige Monate später ausbrechende Bauernkrieg sieht sie Schulter an Schulter mit den Landleuten um politische Rechte und ständische Freiheit kämpfen. In der Tat wurde ihnen dann auch — wenngleich nur ausnahmsweise und vorübergehend — eine Landtagsvertretung gewährt.
Anhang.
Aus Franz Schweygers Chronik der Stadt Hall.
„Aufruer der knappen zue Schwatz.
Anno 1525 am tag sanct Sebastian hat sich zue Schwatz ain unwillen und zwitracht zuegetragen zwischen den schmeltzherren und iren underthanen, den ärtzknappen, von wegen etlicher feyrtag halbn, dan die knappen haben dem altn prauch und herkummen nach wöllen volziehung thain, deß die schmeltzherren nit haben wellen lassen passieren, derhalben am anderen tag zue abent ain grosse menig der ärtzknappen zue Hall ankummen sendt und über nacht da bliben, haben am morgen frue dem hochgepornen fürsten erzherzogen Ferdinand zue wellen raisen auf Innsprugg und seiner fürstlichen durchlaucht ir beschwärung anzaigen wölln, das dan die hochgedacht fürstlich durchlaucht in aigner perschon mit sambt seinen rätn und hofgesindt hinaus grittn in ain wisen vor dem Spitallthor, genannt die Pygar, da send versamlet gewesen das ganz perkhwerch, ausgenommen die schmelzherrn, verwesern, herrnschreibern nitt, haben da der fürstlichen durchleichtigkhait in aller diemütigkhait lassen anzaigen yre beschwärungen, seindt auch da gestanden in aller maß, wie sie pflegen an ir pergarbait zue ghen. Hat in die fürstlich durchlaucht lassen anzaigen auf ir füerbringen, ire beschwärungen mit genaden einsehung zu thuen und sy pey ihrer alten freyhait handhaltung zu thain verschaffen, daß sy mit underthenigem dank angenummen haben und widerumb anhaims gen Schwatz seindt khummen.
Ungefärlichen drey Wochen nach diser handlung sind die ärtzknappen zue Schwatz widerumb zue hauffn khumen und mit gemainem rat gen Hall ankumen, der fürstlich durchlaucht ihr anligende und vorangezaigte beschwärung zue klagen. Ist derhalben die fürstlich durchlaucht aus vorwissen von Insprugg gen Hall ankummen mitsambt dem bischoff zue Brixen, Sebastian Sprentz, und seinen rädtn auch anderm hosgesindt. Seindt aber die ärtztnappen oder perkwerch, alt und jung versamlet gestanden im Milser feldt, etliche tausent. Haben da auf die fürstlich durchlaucht in aller gehorsam gewardt, darumb die fürstlich durchlaucht zu ihnen hinaus ist gerittn mit sambt den obpemelten herren und ihre klag widerumb gehört. Haben sy seiner fürstlichen durchlaucht anzaigen lassen, in(en) sey bißher khain wendung geschehen, irer vorangezaigten khlag und beschwärung halben. Darauf die fürstliche durchlaucht inen hat lassen anzaigen, er wöll entlichen einsechung thain ihrer beschwärung halben. Seindt sie deß wol zuefrieden gewesen und widerumb anhaims zogen gen Schwatz. Ist nachmals weiter auf ditzmal khain sonderliche unrue gespürt worden.“
1) Herausgegeben von David v. Schönherr, Tirolische Geschichtsquellen, Band 1, Innsbruck, 1867, S. 88 f. Ich gebe den Bericht im Anhang wieder.
2) Staatsarchiv Innsbruck, Miscellanea 106 A, Dr.
3) Hauptstaatsarchiv München, Bauernkrieg, Tom. VIII, Kopie.
4) Die Fugger hatten damals insoferne einen Hauptanteil an den Schwazer Silberbergwerken, als diese ihnen zum großen Teil verpfändet waren.
Quelle: Dr. Albert Hollaender, Ein Bergknappenaufstand in Schwaz 1525, in: Tiroler Heimatblätter, 13. Jahrgang, Heft 1, Jänner 1935, S. 29 - 33.
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