Der Heimatforscher Dr. Ludwig v. Hörmann zu Hörbach

(Zum 25. Jahrestag seines Todes am 14. Februar)

Es ist bezeichnend, daß die Namen Heyl und Hörmann einen Stabreim bilden: zwischen ihren Trägern besteht ja auch eine Wechselbeziehung durch Gemeinsamkeit von Interessen und Verdiensten — um unsere Heimatkunde. Fruchtbarer war wohl der zweite; dafür war ihm aber auch eine längere Lebenszeit beschieden und sein Beruf ließ ihm mehr freie Zeit als der des Schulmannes seinem Kollegen Heyl. Beide waren Bibliotheksverwalter, Heyl allerdings nur nebenberuflich an seiner Anstalt, dem k. k. Pädagogium zu Innsbruck, während L. v. Hörmann nahezu 36 Jahre im staatlichen Bibliotheksdienst stand, davon 21 Jahre als Direktor der Innsbrucker Universitätsbibliothek amtierte.

Ein Biograph schrieb seinerzeit von ihm: „Kein Schriftsteller und Forscher hat mehr für die Volks- und Landeskunde Tirols und Vorarlbergs geleistet als Ludwig v. Hörmann.“ Dies hohe Lob mag berechtigt sein, wenn man das überreiche Lebenswerk des Gelehrten, die Menge seiner Veröffentlichungen überblickt und zugeben muß, daß er „so recht eigentlich der Begründer einer allgemeinen, geographisch und stofflich umfassenden Tiroler Volkskunde“ war; seine Forschung umfaßte eben das ganze Volkstum in Sitte und Brauch, im Wirtschaftsleben, in Sage, Volksgesang und -kunst, Tracht, Mundart und Redeweise, während seine Vorgänger, ein L. Steub, A. Pichler, I. V. Zingerle, Chr. Schneller, H. Noë u. a., die er überholte und überlebte, nur einzelne Zweige der Volkskunde pflegten oder sich in ihren Schriften mehr nebenher und gelegentlich damit befaßten.

Ob L. v. Hörmann nun den Volkscharakter und das Volksleben Tirols schildert oder dessen vielgestaltige Landschaft in prächtigen Bildern vorführt, stets bewährt er sich als gründlichen Kenner und glänzenden Meister des Stiles. Er war vielleicht der letzte, der als einzelner das ganze Gebiet der tirolischen Volkskunde betreute und beherrschte. Durch die spätere Aufteilung des Riesenstoffes auf zahlreiche Forscher und Einzelgebiete nach Zweigen und Bezirken wurden ja manche Forschungsergebnisse L. v. Hörmanns ergänzt und berichtigt, doch seine Vorarbeit bildet heute noch einen Grundstock unserer Heimatforschung, auf seine Schriften wird heute noch fast in jeder größeren heimatkundlichen Abhandlung verwiesen.

L. v. Hörmann hat nicht bloß volkstümliche Lieder und Gesänge (so z. B. „Schnaderhüpfeln“), mundartliche Dichtungen gesammelt und überliefert, sondern sich selbst auch dichterisch betätigt, besonders in jüngeren Jahren. Später blieb er lieber bei der Prosa und überließ die Poesie seiner Gattin, der namhaften Dichterin Angelika v. H., die man die Sappho Tirols nannte (gest. 23. Februar 1921).

Unser Heimatforscher war geboren zu Feldkirch am 12. Oktober 1837 als Sohn eines Beamten, kam aber schon als Student des Obergymnasiums in die Landeshauptstadt von Tirol, die seine zweite Heimat wurde. Er hielt sich außer in Innsbruck nur noch in Klagenfurt und Graz dienstlich länger auf. 1865 vermählte er sich mit der Tochter (Angelika) des Innsbrucker Universitätsprofessors Dr. Geiger; dieser Ehe entsprossen mehrere Kinder. 1902 trat L. v. Hörmann in den staatlichen Ruhestand, um sich fortan mit ganzer Kraft und Hingabe seinem Lieblingsfache, der Volkskunde und Kulturgeschichte, zu widmen. Er starb 1924 in Innsbruck.

Ein Menschenfreund wie selten einer, wußte sich dieser Mann das Zutrauen des Landvolkes, auf das er ja bei seiner Forschertätigkeit zumeist angewiesen war, in hohem Grade zu sichern; er war auch sonst im Verkehr überaus gemütlich, wie Schreiber dieses aus persönlicher Bekanntschaft mit ihm bezeugen kann, und nahm sich als hochherziger Gönner viel um die studierende Jugend an. In den Jahren 1868—92 verkehrte das Ehepaar Hörmann gern in der Tafelrunde „Heimgarten“ die, von B. Hunold gegründet, eine Elite von Literaten und Künstlern im „Delevo“, einem ehemals beliebten Weinhaus der Maria-Theresien-Straße, vereinigte. Dort und später am Stammtisch der Hotel-Restauration „Kreid“ konnten nicht wenige bedeutende Männer Österreichs und Deutschlands bei gelegentlichem Besuch der Stadt am Inn den besten Kenner und Schilderer des Tiroler Volkes treffen und begrüßen, dessen Name ihnen bereits rühmlich bekannt war.

Es ist wohl überflüssig, eigens hervorzuheben, daß das Land an der Etsch, an Eisack und Rienz dem Forscher gar sehr am Herzen lag und zu seinem Interessenbereich gehörte.

Max Geißler, der als Kritiker seinem Namen alle Ehre machte, schrieb um 1913 in seinem „Führer durch die deutsche Literatur des 20. Jahrhunderts“ über L. v. Hörmann: „Was ihn vor allem auszeichnet, ist seine unbedingte Verläßlichkeit und Ehrlichkeit als Schilderer des Tiroler Volkslebens... Hörmann schreibt mit der Feder des Historikers, dem jede Rücksichtnahme, jede Beschönigung fremd ist. So sind seine Werke das klare, ungetrübte Spiegelbild eines ganzen Volkes, eine Kultur- und Sittengeschichte der Gegenwart und eine unerschöpfliche Fundgrube für den Ethnologen und Forscher...“

Sicher wird der 25. Todestag dieses Mannes, auf den wir stolz sein dürfen, viele Freunde der Heimatkunde an seinem Grabe zu einer Huldigung versammeln. Im Geiste nehmen auch wir Südtiroler daran von ganzem Herzen teil!

Dr. F. S. Prast

Quelle: F. S. Prast, Der Heimatforscher Dr. Ludwig von Hörmann zu Hörbach, Zum 25. Jahrestag seines Todes am 14. Februar, in: Der Schlern, Illustrierte Monatsschrift für Heimat- und Volkskunde, 23. Jahrgang, 1. und 2. Heft, Jänner - Feber 1949, S. 51 - 52.