Die Eisack-Burgen und Rodeneck.

Vielfach stehen Burgen an der Stelle ehemaliger rhätischer oder römischer Castelle. So ist es mit Hohen-Eppan, mit der Trostburg und verschiedenen Castellen an der Sill, das Wipptal hinauf und am Eisack.

Eine solche Übereinstimmung in den Ansichten der Erbauer von Bollwerken in römischer und in mittelalterlicher Zeit finden wir auch bei Matrey [Matrei]. Denn auf den Stätten bei welchen man nicht nur Kaisermünzen und lateinische Aschenkrüge, sondern auch allerlei angeblich etruskisches Gerümpel ausgegraben hat, steht das Schloß von Matrey [Matrei], dessen vorspringenden Berg nunmehr ebenfalls ein Tunnel durchbohrt, und man braucht nicht weit zu gehen, um zu den ritterlichen Ansitzen Bärenholz, Latschburg und Narrenholz zu gelangen - deren Namen sicherlich jedem Leser so urteutonisch klingen, daß ein weiterer Exkurs über die Gründer derselben erspart bleiben mag.

Dort wo Menschenhand dem Eisack, der soeben erst durch den Pflerscherbach ein ordentliches Bergwasser geworden ist, einen Tunnel mitten durch den Berg gebrochen hat, damit dessen ehemaliges Bett dem Schienenweg Raum gewähre - wo kernige Eschen an den schäumenden Wasserkreiseln stehen und heute sich die Holzfäller mit ihrer Hantierung mit Baumfällen und Rindenschälen auf der Straße breit machen, auf welcher einst die Menge der Lastwagen oft mit Mühe sich kreuzte, erhebt sich noch heute ein gelbbrauner Turm, der einzige Überrest der Veste Straßberg, angeblich von Raubvögeln bewohnt, die in dem unzugänglichen Gemäuer nicht minder vor den Nachstellungen der Nachbarn sicher sind, als einst die Herren von Villandes oder Freundsberg, die hier ein schwunghaftes Geschäft mit wohlfeilen Waaren betrieben. Ganz in der Nähe befand sich Burg Raspenstein, vor sechs und einem halben Jahrhundert vom Grafen Albert von Tirol erbaut. Man erzählt von diesem Raubnest, daß es mit dem vorerwähnten Straßberg und mit Sprechenstein in der breiten Talmulde von Sterzing gemeinschaftliche Spähe pflog und in wechselseitigem Einvernehmen über die Unternehmungen stand, die an den Reisenden ausgeführt werden sollten. Besonders auf die Vasallen des Hochstiftes Brixen, heißt es, war das Augenmerk der vieledlen Herren gerichtet, wenn jene harmlos durch die Enge zogen, bis König Heinrich 1221 dem Gründer selbst zur Abhilfe die Schleifung anbefahl. Nicht gar weit von der Franzens-Feste, doch entfernter vom Verkehrswege als jedes der vorerwähnten Castelle, im Süden von Waldgebirge und weiterhin von grauen Dolomitkofeln überragt, steht Rodeneck, weit und breit südlich der Wasserscheide bekannt.

Burg Rodeneck, www.SAGEN.at

Burg Rodeneck

Mayerhofer sagt darüber:

Des Geschlechtes der Herren von Rodeneck geschieht schon im elften Jahrhundert Erwähnung, die Erbauung ihrer Veste fällt erst in's zwölfte. Von welchem Umfange sie ursprünglich gewesen ist, läßt sich aus, der damaligen Menge der Bewohner entnehmen, wozu auch jene ehrsamen Handwerker gehörten, die nachher fortzogen und Mühlbach bevölkerten. Der letzte Rodeneck, Friedrich IV., von adeligen Konsorten befehdet, ohne von seinem Lehensherrn, dem Bischof von Brixen, irgend Hilfe zu erhalten, dankte geschwindigst für solche leidige Herrschaft und übergab sie, 1269 dem mächtigen Grafen Görz, Meinhard II., womit sie ein Krongut des Landesfürsten wurde. Darauf den von Vilanders als Lehen gegeben, empfanden diese bald den wankenden Flügelschlag der Gunst. Zwei Parteien, die Luxemburger und Brandenburger, rieben ihre Streitkräfte um den Besitz Tirols, der Sieg war Letzteren und die Villanders als unterlegene Genossen verloren dabei Gut und Leben. Der von Teck, so sie auf hohem Befehl aus dem Neste getrieben, nistete sich nun ein (1351), doch war auch sein Bleiben nur ein kurzes. Der österreichische Glücksstern sollte in diesem Lande zum ersten Male auf Rodeneck funkeln, indem es Herzog Albrecht kaufte und den Herren von Gufidaun als Pfandschaft übertrug. Später erinnerte sich einmal Kaiser Maximilian des Ritters Wolkenstein, der in Flandern und allerwärts, wo das Haus flinker Schwerter bedurfte, seine Schuldigkeit getan, und Rodeneck wurde das Ausgleichungsobjekt dankbarer Gefühle. Ersteres hatte Bestand bis in die jüngste Zeit und zwar zum Erblühen dieses Platzes; denn die Wolkensteiner waren sorgsame Pfleger untertanlichen Wohlseins in Ackerei und Viehzucht. Auch Wissenschaft und Kunst blühte unter ihren Händen; sie füllten die leeren Gemächer mit Büchern und Bildern, mit heraldischen und numismatischen Alltertümern seltener Art, wofür das Glück ihr treuer Gefährte ward. Von den gesammelten Schätzen, hat sich leider nur ein verhältnismäßig Kleines erhalten. Der Waffensaal, im dreißigjährigen Kriege eine sehr brauchbare und splendide Aushilfe für entwaffnete Helden, wurde mit stillem Gleichmut ausverkauft und die Hand- und Wurfgeschosse und kunstvollen Leibesrüstungen kamen, ich glaube in's Arsenal nach Wien, wo sie sich so wenig zu Hause finden, als jene von Ambras, die vor den neugierigen Blicken verrosten. Sogar die von Oswald von Wolkenstein mit eigener Hand geschriebenen Gedichte sammt Notenbeigaben aus dem Jahre 1442 verschwanden in irgend ein ausländisches Kabinet, das sie jedenfalls mit verständigerer Pietät behüten wird; wurde doch erst im vergangenen Winter eine andere Handschrift desselben Dichters, die sich in Innsbruck in einem staubigen Winkel vorfand, in ganz Tirol keines bleibenden Kaufes gewürdigt und wanderte in die Bibliothek nach München. Das Silber der Kapelle wurde zu Münzen geschlagen und wird nun vielleicht zwischen wucherischen Fingern herumgedreht. Ein Feuer verzehrte (1694) Haus und Hof und machte weiß Gott was für Kostbarkeiten zur Asche, französische Vandalen sengten und raubten nacheinander (1795 und 1805), was ihnen gefiel, andere kunstverständige Langfinger gibt es auch, die sich in Friedenszeiten mit unschuldiger Maske einzuschleichen wissen, was sollte da noch übrig bleiben, als einige Kirchenväter, schmutzige Leinwandstreifen mit langweiligen Gesichtern, Prunksäle in modernisiertem Aufputz und ja - doch das Beste — ein wonniger Blick in die schöne ewige Natur.

Burg Rodeneck, www.SAGEN.at

Burg Rodeneck

Quelle: Heinrich Noe, B. Johannes, Die Burgen von Tirol in Bild und Wort, Partenkirchen ca. 1890, Nr. 12 und 13.

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