Glockenbräuche und Volkstum
Von Georg Opperer, 1934

Berichte lassen erkennen, daß das Glockenläuten im wesentlichen überall aus gleichen Anlässen geschieht. Nur die Benennung des Zweckes des Läutens ist in Einzelfällen von Ort zu Ort unterschiedlich. Volkstümlich, mit einem Wort. „Geläutet wird, wie's der Brauch ist.“ Unerwähnt blieben in den bisherigen Abhandlungen über das Glockenläuten das vor 40 bis 50 Jahren z.B. in Hopfgarten übliche „Übers-Grab-Läuten“ um 3 Uhr nachmittags am Vortag eines Begräbnisses und das „Unsern-Herrn-Ausläuten“ bei Versehgängen untertags.
Im „Übers-Grab-Läuten“ kam durch Mitläuten von mehr oder weniger Glocken zum Ausdruck, wie „groß“ die Leiche (der Kondukt) angeschafft ist. Beim „Feiramläuten“ wurde darin ein Unterschied gemacht, daß dies Festtage und bessere Sonntage am Vortag um 12 Uhr mittags stattfand, für gewöhnliche Sonntage eine Stunde später.

Daß jenes Läuten, womit Tageszeiten angezeigt wurden (das Betläuten morgens und abends, das Elf- und Zwölfuhrläuten mittags), vielfach - zumindest bei den Bauern - auf Regelung der Arbeitszeit von Einfluß war, ist zweifellos. So konnte man von Abkommen, die Bauern mit einzustellenden Dienstboten trafen, hören, daß, wenn es sein muß, „von einem Betläuten auf's andere gearbeit' wird“.

Beim Dreschen (Bengeln) zum Beispiel, wozu in der Regel eine acht Personen starke Partie in Verwendung stand, waren diese Leute „ums Betläuten“ in der Früh zur Arbeit gestellt. Beim ersten Glockenschlag wurde der Englische Gruß gebetet. Dann eröffnete der Bauknecht den Drusch.

Noch mehr als diese Bräuche sind die Übungen im Bedienen der Glocken volkstümlich: Ein Schmied im Ort ist der Glockenwart. In Hopfgarten war dies um die erwähnte Zeit der Neuschmied Friedrich Sojer. Dieser hat auch die Beschläge zu dem vor dem Brand zuletzt eingebauten Glockenstuhl verfertigt sowie die übrigen zum Läutwerk erforderlichen mechanischen Einrichtungen (Einfang usw.) Auch das „Schmirben“ der Glocken hatte der Neuschmied über. Dazu nahm der Friedl ganz auserwählte Buben mit „auf' n Turm“, die dies auch als eine besondere Auszeichnung zu würdigen wußten.

„Heut toa ma Glogg' n schmirben“, verkündete er seiner Garde, wenn Zeiten kamen, wo die Glocken einer besonderen Strapaze ausgesetzt wurden.

Da wurden dann die "Schmirber" von mancherseits insgeheim gebeten, „Glogg’n Träföad“ (altes, von den Glockenlagern abtropfendes Schmieröl oder Fett) aufzufangen, weil das „für's schlechte Ghear (Gehör)“ gut ist.

Das große Läuten, besonders das Turmläuten im Glockenhaus selbst, war Vertrauenssache. Zum Großteil auch Ehrensache. Bei Hochzeiten und Begräbnissen wurden die Läuter bezahlt. Bei kirchlichen Festlichkeiten nicht. Im besten Fall gab es eine Jause als "Ehrung".

Zum Betläuten an Sonn- und Feiertagen, das um 4 Uhr früh mit allen Glocken geschah, zu großen Feiramläuten, dem Pfingstag- und Freitagläuten (Donnerstag abends und Freitag vormittag nach dem Gottesdienst), wozu die große Glocke verwendet wurde, stellten sich die gewissen Läuter freiwillig ein. Ja, man kann sagen, daß diese Läuthilfe als auf gewisse Häuser, bzw. Familien soviel wie eingebrieft betrachtet wurde, wenn dies auch nirgends geschrieben stand.

Für die Volkstümlichkeit der Glocken mag ein Vers als Beweis dienen, welcher im Jahre 1916 über einer zum Einschmelzen bestimmten Glocke angebracht war:

Drauß'n  hear i schiaß'n
 's Läuttn tuat mi vadriaß'n
Meine Buam von da G'moa
Laß' i ah nit alloa
I geh' jetzt davon
Und werd' a Kanon!

Georg Opperer, Glockenbräuche und Volkstum, in: Tiroler Heimatblätter, 1934.
Von Gottfried Opperer freundlicherweise für SAGEN.at zur Verfügung gestellt.
© digitaler Reprint: Gottfried Opperer.