Die Magnuskapelle in Haslach, Tirol


Das bairische Alpenvorland und der angrenzende inneralpine Raum lagen nach den Wirren der Völkerwanderungszeit wirtschaftlich und gesellschaftpolitisch darnieder. Erste Ansätze einer Christianisierung, die mit den Römern über die Via Claudia ins Land gekommen waren, schienen wieder verloren und die Bevölkerung hauste der Überlieferung nach wie "Bären auf den Hängen und in den Wäldern, bedroht von Drachen, Schlangen und bösen Geistern".

In diese verwüstete Gegend wurde um das Jahr 725 der St. Gallener Wandermönch Magnus, auch Maginold oder St. Mang genannt, mit drei weiteren Begleitern gesandt, wo er mit Kreuz und Wanderstab bewaffnet, das Ungeziefer und Gewürm, sowie die gefürchteten Lechgeister aus dem Gebiet vertrieb, einen Drachen tötete und hoch über dem Lech seine Zelle baute. Damit legte er den Grundstein für seine spätere Bezeichnung als "Ungezieferheiliger", den die Bevölkerung um seine Fürbitte gegen Feldschädlinge anrief und dem zu Ehren zahlreiche Bildstöcke, Kapellen und Kirchen im Raum Füssen, Außerfern und im angrenzenden Inntal, wie in Arzl i.P., Sautens (1841), Reith b. Seefeld (1780), Telfs, Ehenbichl (1680) und Strengen a. A. (um 1760), erbaut wurden.


Ikonographisch hält der heilige Magnus häufig einem Drachen das Kreuz entgegen, oder wirft ihm eine brennende Fackel in den aufgerissenen Schlund. Ihn umgebende Tiere wie Schlangen, Mäuse, Raupen und sonstiges Ungeziefer können als Sinnbild des Heidentums, das er ausrottete, gesehen werden, jedoch hat der Heilige auch einen angestammten Platz als Viehpatron in der bäuerlichen Bevölkerung.

Magnuskapelle in Haslach, Tirol © Hannes Weinberger

Die Magnuskapelle im Winter
© Hannes Weinberger

Auch die Magnuskapelle im Wald oberhalb des zur Gemeinde Stams gehörenden Weilers Haslach findet als Wallfahrtskapelle in der Anrufung gegen Schädlinge ihren Ursprung. 1877 schreibt der Stamser Zisterzienserpater Norbert Pallang in seinem Büchlein über die Pfarre Stams: "Die Magnuskapelle auf dem Bödele. Der hl. Magnus war Abt in Füssen in Bayern und wird als Schutzpatron gegen den Landbau schädlichen Insekten verehrt. Hier schadet gar sehr der Abfraß, das ist der Maikäfer in seinem Zustand als Larve, der sogenannte Engerling".

Die Landwirtschaft hatte im Inntal, besonders im mittleren Teil des Oberinntales, bis ins 19. Jahrhundert hinein nicht nur häufig mit schlechten Ernteergebnissen als Folge der "Kleinen Eiszeit" zu leiden, sondern wurde auch von Insektenplagen wie Maikäfern und Heuschrecken heimgesucht. Erste Berichte über Heuschrecken- und Maikäferplagen und daraus resultierenden Hungersnöten stammen aus dem 15. Jahrhundert. Solchen Schicksalsfügungen suchte die Bevölkerung mit besonderer Verehrung des hl. Magnus entgegenzusteuern.

Ein genaues Erbauungsdatum der Magnuskapelle ist nicht auszumachen, aber wie sie sich heute darstellt, muss sie spätestens um 1700 entstanden sein, 1842 wird eine Renovierung erwähnt, 1986 glänzte die Kapelle nach aufwendigen, gemeinschaftlichen Renovierungsarbeiten wieder in schlichter Schönheit.

Die in der linken, unteren Ecke des Altarbildes verzeichnete Jahreszahl 1711 betrifft die Entstehung des Bildes. Im Jahre 1711 kann diese Kapelle möglicherweise als Neubau, aber eher als Umbau einer aus früherer Zeit herrührender Kapelle entstanden sein. Die Verehrung des hl. Magnus geht ja auch in Tirol bis ins Mittelalter zurück. Auch die Lage als singulärer Baukörper auf einem markanten Geländepunkt, eben dem Bödele, weist auf ein Erbauungsdatum vor 1700 hin – die meisten exponiert gelegenen Wallfahrtskapellen wurden im 17. Jahrhundert errichtet.

Magnuskapelle in Haslach, Tirol © Hannes Weinberger

Die Magnuskapelle im Winter
© Hannes Weinberger

Das Altarbild stellt der Reihe nach dar: St. Josef und St. Martin – St. Magnus und Johannes der Täufer. Zahlreiche Votivbilder, meist aus neuerer Zeit stammend, hängen an den beiden Seiten, interessant sind die im Schleudergussverfahren hergestellten und an den Wänden befestigten Votivgaben, die Tiere, Glieder von Menschen u.s.w. darstellen, jedoch einem steten Schwund ausgesetzt sind, da die Kapelle nicht versperrt ist. In Reiseberichten aus den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wird die große Anzahl der Votivgaben noch erwähnt, jetzt finden sich aber nur mehr kümmerliche Reste.

Die Verehrung des hl. Magnus lebt in der Volksseele weiter, wird doch der 6. September als "Mongetag", in alten Kalendern auch als "Abfraßtag", bezeichnet und am darauffolgenden Sonntag im Weiler Haslach mit großer Beteiligung der angestammten Einheimischen festlich begangen. Nach einer Messe in der Haslacher Kapelle und der Prozession unter Verlesung der "Magnuslitanei" durch den Wald zur Magnuskapelle, wird mit Blasmusik, Festtagskrapfen und Würstln Kirchtag gehalten.

Magnuskapelle in Haslach, Tirol © Hannes Weinberger

Die Magnuskapelle im Winter
© Hannes Weinberger

Aber auch außerhalb eines solchen Feiertages finden sich Leute, meist ältere Frauen, die zum Rosenkranz auf das "Bödele" gehen und dort ihren Andachten in einer Umgebung nachgehen können, als sei das Rad der Zeit stehen geblieben.

© Hannes Weinberger 2005