Mandragora

Diese zur Familie der Nachtschattengewächse gehörige Pflanze ist als "Alraun" im Volksmunde bekannt geworden und trägt die botanische Bezeichnung "Mandragora officinalis".

Sie besitzt breite, ovale stumpfe Blätter und dicke, oft 20 bis 40 Centimeter tief in die Erde eindringende Wurzeln. Die Wurzelstöcke der Mandragora sind weiss, mitunter auch bräunlich oder schwarz gefärbt und sind in der Regel in zwei oder drei Theile gespalten.

Die Pflanze hat einen bitteren und ekelhaften Geschmack, dann einen stinkenden, die Kopfnerven unangenehm beeinflussenden Geruch und soll die Wurzel bis zu 50 Jahre in der Erde ausdauern.

Officinell ist ihre Rinde, welche als Breiumschlag bei entzündeten und scrophulösen Geschwüren zertheilend und entzündungswidrig wirken soll.

Für die Magie ist nur die Wurzel der Mandragora bemerkenswerth, und zwar durch ihre einigermassen an einen Menschen erinnernde Gestalt, welcher durch Kunst vielfach nachgeholfen wurde.

Der zauberische Gebrauch des Alrauns reicht ins graueste Alterthum [Altertum] zurück und soll das "Dudaim" der Hebräer und das "Jabruchin" der Chaldäer mit dieser Wurzel identisch sein.

Pythagoras nennt diese Wurzel ihrer Menschenähnlichkeit halber "Menschenpflanze", was mit der heutzutage üblichen persischen Benennung "Merdum-Giah" übereinstimmt.

Paracelsus erwähnt dieselbe ebenfalls vielfach und nennt sie die "Heerdensammelde" aus nicht eruirbaren Gründen. Nach diesem Gewährsmanne müssen die Wurzelgräber, wenn sie die Mandragora sammeln, die genannte Pflanze mit nach Abend gekehrtem Gesichte dreimal mit einem Schwerte umkreisen, wobei ein zweiter Wurzelgräber unter Hersagung bestimmter Beschwörungsformeln um den ersten herumtanzt. Nur wenn dies geschieht, kann die Wurzel geschnitten werden, ohne ihre magischen Eigenschaften zu verlieren.

Nach Flavius Josephus wird die Mandragora nach einem Orte bei Jerusalem, an dem sie vorzugsweise zu wachsen pflegt, "Barras" geheissen und soll vor jeder Person, die die Wurzel zu bekommen sucht, in die Erde verschwinden. Dies Versinken der Mandragora lässt sich nur dadurch verhüten, dass man selbe – sowie man sie erblickt – mit Harn begiesst.

Sie kann überhaupt nicht ohne Lebensgefahr aus dem Boden gezogen werden, sagt der Volksglaube. Will man dies unbeschadet der Gsundheit seines Leibes thun, so muss man die Wurzel, ohne sie zu berühren, mit einem Graben umziehen, bis nur der unterste Theil mehr in der Erde steckt. Hierauf muss man einen schwarzen Hund mit seinem Schweife daran anbinden und denselben aus einiger Entfernung zu sich locken. Reisst der Hund dabei an, so zieht er die Wurzel vollends aus der Erde; an Stelle des Menschen wird aber der arme Hund urplötzlich eine Beute des Teufels und fällt todt zusammen.

Im Orient gilt heute noch dieser Glaube und soll nach Meinung der Landleute in Europa ihre magische Kraft verlieren, sobald sie durch menschliche Hand aus der Erde gerissen wird.

Hat man endlich ein solches Alräunchen erlangt, so muss es, um seine zauberischen Fähigkeiten nicht zu verlieren, allwöchentlich an einem bestimmten Tage in Wein gebadet und dann mit einem frischen weissen Hemde aus Seide und rothem Seidenrocke bekleidet werden. Die schwarzen Mandragorawurzeln erhalten als Bekleidung einen schwarzen Sametmantel und ein ebensolches Barett.

Nach einer dem Alräunchen zugemutheten Eigenschaft, das vorhandene Geld, so oft davon genommen wird, wieder auf den ursprünglichen Stand zu vermehren, verdankt es wahrscheinlich auch den Namen "Heckemännchen".

Es wurde übrigens auch "Galgenmännchen" geheissen und oft mit schwerem Gelde – bis 60 Thaler für das Stück -  bezahlt.

Der Aberglaube liess das Alräunchen aus menschlichem Samen unter dem Galgen Aufgehängter entstehen -  woher die Bezeichnung "Galgenmännchen" -  und sollte dasselbe nicht nur auf Begehren das ihm täglich gebotene Geld verdoppeln, sondern nach belieben auch Gold und kostbare Steine produciren.

In zauberischer Hinsicht bezüglich des Menschen gewinne der Besitzer des Alraunmännchens, wo er nur wolle, Liebe, Gunst und Glück; auch bringe es unfruchtbaren Frauen Fruchtbarkeit – heisst es weiter.

Die heilige Hildegardis schreibt über das Alräunchen, dass dasselbe von menschlicher Gestalt und aus der nämlichen Erde wie Adam entstenden, der Versuchung des Teufels mehr denn jede andere Pflanze ausgesetzt sei. Deshalb soll kein Nothleidender und Bekümmerter es versäumen, solch ein Alraunmännlein mit frischem Wasser zu waschen und dann ins Bett zu sich zu legen, damit es, durch die Körperwärme und den Schweiss verwärmt, ihm von seiner magischen Kraft mittheile. Darnach spreche der Betreffende : "O Herr, der du den Menschen aus Lehm ohne Schmerzen gebildet hast, hier lege dieselbe Erde, welche noch niemals gesündigt hat, zu mir, damit meine sündige Erde (mein Fleisch) jene Frieden, den dieselbe ursprünglich besass, wieder erlange."

Die Alraunwurzel gilt heute noch als vorzügliches Mittel gegen das Verhextwerden und unterscheidet man bei denselben Männlein und Weiblein.

Es wurde jedoch mit dem Verkaufe von Alraunwurzeln viel Unfug getrieben, indem man häufig anstatt der echten Alraunwurzel vorwiegend in Deutschland die durch besondere Kunstgriffe, als: frühzeitiges Zuschneiden, in Formen wachsen lassen usw. dem Alraun ähnlich gemachte Wurzel der wilden Zaunrübe verkaufte.

Quelle: Die Pflanzen im Zauberglauben, G.W. Germann, Emailzusendung von "Faith" am 30. April 2006