Frau Emmi und das Hotel Hochfinstermünz, Teil 1

Frau Emmi und das Hotel Hochfinstermünz - Teil 1
Frau Emmi und das Hotel Hochfinstermünz - Teil 2

Frau Emmi und ihr Hotel Hochfinstermünz © Wolfgang Morscher, www.SAGEN.at

Frau Emmi im Hotel Hochfinstermünz

Frau Emmi - weil ich vom ganzen Herzen Wirtin bin

im obersten Teil des Tiroler Inntales lebt Frau Emmi. Frau Emmi ist Wirtin.
Frau Emmi betreibt das Alpenhotel. Das Alpenhotel war ein Grand-Hotel. Das Grand-Hotel hat Dunkelkammer, Raucherzimmer, das erste Freibad, eigene Kapelle, eigene Postautohaltestelle, eigene Tankstelle, eigenen Bauernhof und ein eigenes Postamt. Das Grand-Hotel war eine der besten Adressen Tirols. Das Grand-Hotel hatte eine eigene Ortstafel. Vom Grand-Hotel aus sieht man in drei Staaten und die höchsten Berge und Gletscher. Es kamen Könige, Adelige, die größten Schauspieler, die besten Regisseure aus aller Welt. Es wurden große Filme in der Gegend vom Grand-Hotel gedreht. Es wurde ein Film über Frau Emmi und ihr Grand-Hotel gedreht.

Frau Emmi betreibt zeitlebens das Grand-Hotel. Das Grand-Hotel ist in der Einrichtung und Zustand unverändert aus der Zeit nach dem ersten Weltkrieg. Auch der zweite Weltkrieg geht am Grand-Hotel vorüber.

Seit vielen Jahren lebt Frau Emmi alleine im einstigen Grand-Hotel. Das Grand-Hotel verfällt. Frau Emmi ist weiter die Wirtin vom Grand-Hotel, weil sie von ganzem Herzen Wirtin ist.

Ich komme seit mehreren Jahren auf Tee zu Frau Emmi in's Grand-Hotel.
Heuer im Sommer habe ich Frau Emmi gesucht und nicht angetroffen. Was wird wohl aus dem Grand-Hotel werden?

Werbetext 1932:
"Luft-Kurort Hochfinstermünz
Mit Alpenhotel Hochfinstermünz

An der staubfreien Straße Landeck - Meran mitten im Tannen- und Lärchenwald. Gutgeführtes bürgerliches Haus, hat Post und Telegraph, Trafik, kath. Kapelle, große Speiseräume, drei offene Veranden, Salon, Lesezimmer, Rauchzimmer, Dunkelkammer mit Photo-Utensilien, Garagen und Boxen für 15 Auto, Shell-Benzin, Dynamin, Aral und verschiedene Öle. Schönste Aussicht ins Engadin, viele Spaziergänge, großer Park mit Liegestühlen, Tennisplatz, Schwimmbad, gutes Familienhotel für länger. Aufenthalt, Diätkost, Mittagessen von S 3.- bis S 6.- je nach Menu. Sehr geeignet für Gesellschaften. Im Hotel sind viele sehenswerte Jagdtrophäen sowie ein lebender Adler. Finstermünz, der älteste Paß-Übergang Europas, mit der alten Zollbrücke an der Römerstraße, oben am Felsen Schloß Siegmundseck. Schlittenverbindung mit dem Samnauntal."
aus: Nauders am Reschen-Scheideck, Tirol. Historisch-geographische Skizze mit Führer. Hermann v. Tschiggfrey, Innsbruck 1932.

"Drei Köpfe aus Pappmaschee hinter den Fenstern des alten Hotels Hochfinstermünz erinnerten Vorbeifahrende noch bis vor kurzem an die Filme „Der Rebell“ und „Der Feuerteufel“, die Luis Trenker als Regisseur und Hauptdarsteller 1932 und 1939 mit den Filmpartnerinnen Leni Riefenstahl beziehungsweise Judith Holzmeister dort gedreht hatte. Die Köpfe gehörten zu den Puppen, die als „Komparsen“ für halsbrecherische Abstürze an der Felswand hinter dem Haus dienten. Als Neunjährige konnte Emmi einst die legendären Filmstars hautnah erleben. In Vergangenheit waren es vor allem Busunternehmer aus dem Vinschgau, die über diese Geschichte Bescheid wussten. „Di Vinschger sain ollm mitn Omnibus stean bliebm unt hoobm di Grint oungschaug“, schildert Emi, "ober koaner isch inni kemman eppas trinken". Vor Jahren stießen spielende Katzen die Köpfe zu Boden. Emmi hob sie nicht mehr auf, weil sie sich immer so geärgert hatte. „Vielleicht hoobm si inzwischn di Mäus gfressen“, bemerkt sie mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht."
Quelle: Magdalena Dietl Sapelza "Vielleicht hoobm si inzwischn di Mäus gfressn", Der Vinschger 17/2003.

"Das einstige Nobelhotel mit sechzig Betten verfügte bereits zur Jahrhundertwende über Etagenbäder und ein Frei- schwimmbad, damals ein besonderer Komfort. Bis zu fünfzehn Angestellte umsorgten während der Sommermonate die durchwegs wohlhabenden Gäste, die meist aus England kamen, oder arbeiteten im hoteleigenen landwirtschaftlichen Betrieb. Die dreieinhalb Hektar Grünland auf dem Schuttkegel am Fuße von Hochfinstermünz mit dem klingenden Flurnamen "Österreich", ernährten sieben Kühe, mehrere Schafe und Schweine."
Quelle: Magdalena Dietl Sapelza "Vielleicht hoobm si inzwischn di Mäus gfressn", Der Vinschger 17/2003.

Frau Emmi hatte ein gewaltiges Gedächtnis und begrüßte jeden Gast, der schon einmal im Hotel auch nur auf eine Tasse Tee zu Besuch war, persönlich. Ihre liebenswürdige Art und ihr Bemühen das Hotel Hochfinstermünz in Betrieb zu halten beeindruckten jeden Besucher.

Sie erzählte von den glanzvollen Tagen des Hotels ebenso wie von dem langsamen aber stetigen Niedergang des Hotels.
Das Hotel Hochfinstermünz war von den 1920er-Jahren bis in die 1950er-Jahre eine der besten und nobelsten Adressen Tirols. Wenn sie ihr Gästebuch aufschlug, konnte sie Persönlichkeiten aus aller Welt aufzählen.

Besonders beliebt war das Hotel Hochfinstermünz auch in der Filmbranche, vor allem seit Luis Trenker dort mit Leni Riefenstahl und Judith Holzmeister die Filme "Der Rebell" und "Der Feuerteufel" gedreht hatte.

Das Hotel Hochfinstermünz geht auf ein Gebäude zurück, das für die Errichtung der Reschenstrasse 1853 - 1855 errichtet wurde. Dieses Gebäude hat ihr Vater in den 1920er Jahren erworben und zum noblen Alpenhotel ausgebaut.

Der Vater von Emmi legte auf Eleganz besonderen Wert. Auch nächtlich zukehrenden Reisenden öffnete er stets im besten Anzug gekleidet. Im Lauf der Zeit und durch seine exponierte Lage auf einer der wichtigsten Alpenverbindungen hat das Alpenhotel viele Gäste erlebt, von nächtlichen Schmugglern bis hin zu höchsten Politikern.

Frau Emmi kann von allen diesen Gästen eine Menge erzählen, auch Erzählungen von Unfällen und mysteriösen Morden in der Region. Sie hat schließlich ihr ganzes Leben in einer Region verbracht, wo sonst weitum niemand lebt.

Ebenso kann Frau Emmi eindringlich von der Vergänglichkeit des Lebens erzählen. Mit ihrer Erzählung "Auf der Bank wo Sie sitzen, ist mein Lebensgefährte in meinen Armen entschlafen" hat sie mich überrascht und bedrückt.

Irgendwann wurde das Leben der Menschen stressig. Und dieser Stress macht auch dem Alpenhotel zu schaffen. Früher war Hochfinstermünz ein eigener Ortsteil mit Ortstafel, als man diese abmontiert hatte, rasten die Menschen in ihren Autos nur an der Hotelanlage vorbei. Die Menschen rasen heute nur noch über den Reschenpass um so schnell wie möglich zu ihrem Ziel in einer der italienischen Hotelburgen an der Adria zu sein. Kaum jemand kennt noch das Gefühl einer Alpenreise, das Gefühl einen Berg erreicht zu haben und diesen auch zu geniessen.

Es ist schwer zu sagen, wie sich eine spätere Nachfolge von Frau Emmi im Alpenhotel Hochfinstermünz entwickelt?

Wir hoffen, dass Frau Emmi noch so lange wie möglich dieses wertvolle Haus mit seiner beeindruckenden Geschichte erhalten kann.

Garage II des Hotel Hochfinstermünz © Wolfgang Morscher

Garage II des Hotel Hochfinstermünz

Hochfinstermünz © Wolfgang Morscher

Balkondetail, historische Beleuchtung Hochfinstermünz

Ausblick vom Hotel Hochfinstermünz © Wolfgang Morscher

Ausblick vom Hotel Hochfinstermünz

Souvenirladen Hochfinstermünz © Wolfgang Morscher

Der ehemalige Souvenirladen beim Hotel Hochfinstermünz
hier gab es Ansichtskarten, Fotografien und Zigarren-Verschleiß

Ansichtskarten, Zigarren-Verschleiß Hochfinstermünz © Wolfgang Morscher

Der ehemalige Souvenirladen beim Hotel Hochfinstermünz
links im Bild die Kapelle

Das noble Hotel Hochfinstermünz, hauseigene Tankstelle © Wolfgang Morscher

die gesamte Anlage des noblen Alpenhotels "Hochfinstermünz" an der Reschenstraße
links vorne im Bild die ehemalige hauseigene Tankstelle

Kapelle Hochfinstermünz © Wolfgang Morscher

Die Karl-Borromäus-Kapelle der Hotelanlage Hochfinstermünz wurde vom Bauleiter der Reschenstrasse gestiftet.

Frau Emmi auf Hochfinstermünz © Wolfgang Morscher

Frau Emmi in einer kurzen Sonnenpause beim Bedienen der Gäste

"K. K. Post- & Telegraphen Amt" Hochfinstermünz © Wolfgang Morscher

"K. K. Post- & Telegraphen Amt" Hochfinstermünz

Karl-Borromäus-Kapelle Hochfinstermünz © Wolfgang Morscher

Im Inneren der Karl-Borromäus-Kapelle Hochfinstermünz. Die Kapelle wurde 1856 geweiht und erhielt ihren Namen mit Zustimmung des damaligen Statthalters von Tirol, des Erzherzogs Karl Ludwig. Das von ihm gestiftete Altarbild von Caspar Jele stellt seine beiden Namenspatrone dar. Die Kapelle wurde ab 1994 in Etappen restauriert.
Hinweis: Das Altarbild wurde in der Nacht vom 27. auf den 28. April 2011 gestohlen!
Zweckdienliche Hinweise zur Auffindung des Bildes an Sicherheitsdienststellen erbeten!

Karl Ludwigs Kapelle Hochfinstermünz © Wolfgang Morscher

"Karl Ludwigs Kapelle
Mich schirmt Karl Ludwigs Fürstenschild
Und schmückt Sein kostbar Weihebild.

So stellte mich als Denkmal hin
Des Meisters Perwög fromer Sin,
Dem kühnen Bau zum würdigen Schluss
Dem Wanderer zum Segensgruss

Am Tag des h. Karl Boromäus
1856."

Karl Ludwig Kapelle Hochfinstermünz © Wolfgang Morscher

Im Inneren der Kapelle Hochfinstermünz

Hotelfassade Hochfinstermünz © Wolfgang Morscher

Detail der Hotelfassade

Hochfinstermünz © Wolfgang Morscher

Detail des Souvenirladens

Hoteleingang Hochfinstermünz © Wolfgang Morscher

Frontansicht des Hoteleinganges Hochfinstermünz

Hochfinstermünz © Wolfgang Morscher

Detail der Hotelfassade, Balkon und Hirschgeweih

Hochfinstermünz © Wolfgang Morscher

Detail eines Pavillions der Hotelanlage

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Frau Emmi und das Hotel Hochfinstermünz - Teil 1
Frau Emmi und das Hotel Hochfinstermünz - Teil 2

Literatur:

"Verwehter Glanz - Frau Emmi und das Alpenhotel"
Dokumentarfilm von Erwin Rehling und Gerburg Rosa Schwägerl, Österreich 2003
Der Film erzählt die Geschichte des Tiroler Alpenhotels Hochfinstermünz und seiner 72jährigen Besitzerin Emmi Priebsch. Mit Humor, Offenheit und Klugheit einer "Wirtin aus Leib und Seele", inmitten eines Sammelsuriums aufschlussreicher-kurioser Gegenstände aus glanzvollen Tagen, gibt Emmi einen Schatz von kleinen Alltagsgeschichten bis hin zu schier unglaublichen Ereignissen preis. Sie erinnert sich an Eltern, Personal und Gäste, Luis Trenkers Sohn Ferdinand denkt an Drehtage seines Vaters auf Hochfinstermünz. Alte Fotografien und Gästebücher zeugen von der Vergangenheit. Auch das mit Sorgfalt instand gehaltene Originalmobiliar und die Ansammlung kurioser Gegenstände tragen alle Spuren von früher. Als zum Betrieb noch eine eigene Landwirtschaft, Poststelle, Relaisstation und Tennisplatz gehörten, als sich noch keine Autokolonnen am Haus vorbeischoben. Mit einiger Mühe und unverwüstlicher Gastfreundschaft hält Emmi den Betrieb noch immer am Laufen.

Text und Fotos © Wolfgang Morscher (2004 - 2009), Berit Mrugalska (2007)


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