SCHÖPFERISCHES GESTALTEN
Kunst wohin man schaut
Wahrscheinlich ist es den langen Wintern zu danken, daß die Tiroler
alles, was sie umgab, mit reichen Verzierungen ausschmückten. Denn
im Winter hatte man Zeit für Schnitzereien und sonstige Handarbeiten.
Damit allein wäre die Fülle und das hohe Niveau der Tiroler
Volkskunst aber nicht erklärt. Es gehörte schon ein gutes Maß
an Schönheitssinn, schöpferischer Kraft und Kunstfertigkeit
dazu.
Ungelernte Schnitzer und Maler, vielfach die Knechte am Hof, gestalteten
all die Buttermodel, Wetzsteinkumpfe, Peitschenstiele, Werkzeuge und andere
Gegenstände des täglichen Lebens, die wir heute so sehr bewundern.
Für größere und schwierigere Arbeiten standen Kunsthandwerker
in großer Zahl zur Verfügung: Tischler und Maler, Schmiede,
Töpfer, Metallgießer usw. Zimmerleute beherrschten meisterhaft
die Kunst formvollendeter und zweckmäßiger Holzarchitektur
und gestalteten so die Landschaft mit.
Am meisten Bewunderung verdient wohl die geschmackvolle Einrichtung des
Bauernhauses vom Holzgetäfel der gemütlichen Stube bis zu den
bemalten oder geschnitzten Möbeln mit ihrer Vielfalt talschaftsgebundener
Stilrichtungen.
Heute machen die kunstfertigen Erzeugnisse früherer Jahrhunderte
das Tiroler Volkskunstmuseum zu einer Sehenswürdigkeit ersten Ranges.
Vom Kunstsinn und von den Fertigkeiten der Vorfahren ist viel verlorengegangen.
Unsere Generation zehrt noch von der Hinterlassenschaft. Doch dürfen
auch die gegenwärtigen Bemühungen, im schöpferischen Gestalten
traditionelles Niveau zu halten oder wieder zu erlangen, nicht übersehen
werden. Vor allem das Tiroler Kunsthandwerk hat weitum einen guten Ruf.
In den Mußestunden, vor allem in der langen Winterzeit,
hat man früher viele Werkzeuge und andere Gegenstände des täglichen
Lebens kunstvoll verziert. Links ein Wetzsteinkumpf, unten ein Fughobel.
© Tiroler Volkskunstmuseum, Bildarchiv
Von viel Schönheitssinn zeugen die Formen und Verzierungen
dieser Geräte und Gegenstände aus dem Küchenbereich. Das
Tiroler Volkskunstmuseum in Innsbruck ist reich an derartigen Schätzen.
Nur ein geringer Teil davon kann ausgestellt werden, der Rest befindet
sich in den Studiensammlungen.
© Tiroler Volkskunstmuseum, Bildarchiv
Ein Begriff in aller Welt sind Tiroler Bauernmöbel.
Hier eine Zillertaler Truhe im Tiroler Volkskunstmuseum.
© Tiroler Volkskunstmuseum, Bildarchiv
Viel Kunstfertigkeit brauchte man zum Verzieren der Ranzen
(Bauchgurten), die einen wichtigen Teil der Männertracht darstellen.
Das Bild zeigt die Ausführung in verschiedenen Techniken (Zinn-Nieten,
Seidenstickerei, Federkielstickerei).
Künstlerische Begabungen gibt es in allen Volksschichten
auch heute noch in großer Zahl. Manche wenden sich der zeitgenössischen
bildenden Kunst zu, andere dem traditionellen künstlerischen Schaffen
oder dem Kunsthandwerk. (Bild: Der Schnitzer Albin Moroder im Zillertal.)
© Heimatwerbung Bildarchiv
Ein Musterbeispiel für bäuerliche Holzarchitektur:
Hof in Alpbach.
© Richard Frischauf
Das Tiroler Volkskunstmuseum besitzt eine einzigartige
Sammlung alter Bauernstuben aus allen Landesteilen Tirols und aus verschiedenen
Jahrhunderten. Sie zeugen von hoher Wohnkultur. Diese spätgotische
Stube aus Villanders in Südtirol stammt aus dem 15. Jahrhundert.
© Tiroler Volkskunstmuseum, Bildarchiv