Die Darre.

Darre nennt man die Abzehrung bei Kindern. Man heilt sie durch das sogenannte Darrabbacken. Drei Donnerstage hintereinander und zwar bei abnehmendem Mondlichte nach Sonnenuntergang knetet man einen Teig, wozu man jedesmal etwa ein halbes Quart (Stof) Mehl genommen hat, heizt den Ofen ein und begiebt sich mit dem Teige in die Küche. Hier bäckt man nun von dem Teige jedesmal nach und nach drei Brötchen. Während gebacken wird, geht ein Anderer rund um's Haus, kommt dann in die Küche und fragt:

Was backst?

Der Backende: Ich backe dem N. N. die Darre ab.

Jener: Back', back'!

Hierauf wird das erste Brötchen in den Ofen geschoben und dabei gesprochen:

Im Namen Gottes etc.

Unter gleichen Ceremonien wird nacheinander das zweite und dritte Brötchen gebacken. Endlich werden die drei Brötchen aus dem Ofen genommen und noch an demselben Abende, an welchem sie gebacken sind, in ein fließendes Wasser getragen.

Die beiden folgenden Donnerstage wird in gleicher Weise verfahren.
(Bürgersdorf bei Wehlau. N. Pr. Prov.-Bl. VIII, S. 27.)

Aehnlich ist das Darrabmahlen. Das mit der Krankheit behaftete Kind wird zu gleicher Zeit und in gleicher Zeitfolge, wie vorher angegeben, auf den Stein einer Handmühle, einer sogenannten Querl, die man zuvor an das offene Fenster gestellt hat, gesetzt. Während Jemand um's Haus geht, dreht ein Anderer den Stein der Mühle langsam herum. Der Umgehende tritt an's Fenster und fragt:

Was rathst und mahlst du?

Ich rath' und mahl' dem N. N. die Darre ab.

Mahl', mahl'!

Der Mahlende spricht nun:

Im Namen Gottes etc.

Noch zweimal wird das Haus umgangen, und ebenso noch zweimal der Stein der Mühle herumgedreht, wobei jedesmal die vorhin angegebene Frage und Antwort erfolgt. In gleicher Weise wird die nächstfolgenden beiden Donnerstage verfahren. (Wehlau.)

Gegen die Darre, Abzehrung, Auszehrung, englische Krankheit, welche nach Töppen, S. 52, daher rühren soll, daß dem Kinde Katzenhaare in den Magen gekommen sind, finden sich am eben angeführten Orte S. 11, 52 und 53 noch folgende Mittel:

Man trage das kranke Kind dreimal um die Kirche und hauche jedesmal, wenn man an die Kirchenthür kommt, in die Kirche hinein. (Hohenstein.)

Man brate einen Hahn, zerreibe den Magen desselben und gebe diesen Staub, mit Rothwein gemischt, dem Kinde ein. (Hohenstein.)

Man setzt einen Stuhl zwischen zwei Eimer und steckt das kranke Kind unter dem Bügel des ersten Eimers durch, zieht es über den Stuhl und steckt es dann unter dem Bügel des zweiten Eimers durch. Nun dreht man den Stuhl und die beiden Eimer um - das sind drei Arbeiten. Mit dem Kinde wird dieselbe Procedur wie vorher zum zweitenmal vorgenommen. Folgen abermals die bezeichneten drei Arbeiten, dann die Procedur mit dem Kinde zum drittenmal. Endlich setzt man das Kind in einen Schrank und betet das Vaterunser, aber ohne Amen zu sprechen. Man wendet dieses Mittel Donnerstag nach Abendbrot an. Oft hilft einmalige Anwendung, nöthigenfalls aber kann man sie noch einmal und zum drittenmale wiederholen. (Hohenstein.)

Man führt Donnerstag nach dem Abendbrot, bei abnehmendem Licht, desgleichen an dem darauf folgenden Sonnabend, endlich zum drittenmal an dem nächsten Donnerstag Folgendes aus. Man macht Teig zurecht, legt davon einen Fladen auf den Tisch und stellt das Kind auf diesen Fladen, zuerst mit beiden Füßen, dann bloß mit dem rechten Fuß, so daß sich die Spuren in dem Teige abdrücken. Dann formt man aus diesem Teige kleine Fladen, legt sie in den Ofen und läßt sie bebacken. Das Kind wird hierauf in's Wasser gesetzt, und nachdem die drei Fladen in das Wasser gekrümelt sind, gebadet, wobei man das Vaterunser ohne Amen betet. Endlich nimmt man etwas von der Asche aus dem Backofen, sei es mit der Hand oder mit einem Span und fährt dem Kinde damit über den Kopf, von vorn nach hinten. Das Wasser wird nach Sonnenuntergang, ohne daß man dabei spricht oder sich umsieht, ausgegossen. (Hohenstein.)

Man nimmt einen Pferdekopf, geht Donnerstag nach dem Abendbrot, ohne zu sprechen und sich umzusehen, zu einer Lehmgrube, in welcher sich Regenwasser angesammelt hat, schöpft daraus einen Eimer voll, gießt es zu Hause, nachdem es erwärmt ist, in eine Teine, zieht den Pferdekopf von Sonnenaufgang nach Sonnenuntergang dreimal durch dasselbe und badet das Kind darin. Das Hemde des Kindes wird auf der Brust mitten entzwei gerissen. Endlich trägt man Wasser und Hemde schweigend und ohne sich umzusehen in die Lehmkaule zurück. Dies Experiment wird noch an zwei Donnerstagen in derselben Weise wiederholt und führt gewiß Besserung und Heilung herbei.
(Gilgenburg.)

Zwei alte Frauen nehmen das kranke Kind, die eine reicht es der andern durch den Zaun (Rückzaun) und erhält es über den Zaun zurück. Dies wird dreimal wiederholt.
(Kl. Jerutten.)

Quelle: H. Frischbier, Hexenspruch und Zauberbann. Ein Beitrag zur Geschichte des Aberglaubens in der Provinz Preußen, Berlin 1870. S. 43 - 46.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Gabriele U., Juli 2005.
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