Amulett
aus: E. Hoffmann-Krayer, H. Bächtold-Stäubli, Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens,
Berlin und Leipzig 1932

I. Etymologie und Sprachgebrauch.

Das Wort Amulett kommt vom lateinischen amuletum, das uns zuerst durch Varro, dann durch Plinius bezeugt ist, im übrigen aber in der römischen Literatur nicht allzu oft begegnet. Die alte Erklärung 1), wonach das Wort vom arabischen hamalet kommt, ist abzulehnen, zumal hamalet nicht Anhängsel, sondern Obliegenheit bedeutet 2). Auch der vielfach angenommene Zusammenhang von amuletum mit amoliri ist ganz unsicher. R. Wünsch 3) stellt es mit xxxxxxx, Stärkemehl, zusammen. Zu untersuchen wäre, ob es zu xxxx gehört, dem Namen des aus der Odyssee bekannten schützenden Zauberkrautes, über dessen Etymologie Güntert 4) gehandelt hat, freilich ohne Berücksichtigung von amuletum. Von andern antiken Namen, die bei Kropatschek 5) aufgezählt sind, begegnen in lateinischen Schriften des Mittelalters ligamentum, ligatura, phylacterium, während amuletum so gut wie nicht hier vorkommt. Im Althochdeutschen hieß das Amulett zoubar (Zauber), im Altnordischen entsprechend taufr; in althochdeutschen Glossen wird phylacterium mit pleh, plehhir übersetzt, weil die Amulett vielfach aus Blech bestanden. Ein späterer deutscher Name ist Angehenke (siehe dort) 6). Im 16. und 17. Jh. werden diejenigen, die Amulett oder Schutzbriefe im Krieg bei sich trugen, Pessulanten oder Charakteristiker genannt 7). Heutzutage gebraucht man etwa in Schwaben 8) die Wörter Bändele und Bändelesmacher, im Badischen 9) Mamlette und Ammenetli, in der Schweiz 10) Bündeli, in der Oberpfalz 11) Büscherl, in der Landshuter Gegend 12) Amadedl. Das Wort Amulett selbst tritt in der deutschen Sprache erst zu Anfang des 18. Jahrhunderts vereinzelt auf, im Französischen Ende des 16. Jahrhunderts.

1) Von v. Hammer 1814 aufgestellt, übernommen u. a. von Seligmann Blick 2, 3; Seyfarth Sachsen 250.
2) Gildemeister ZDMG. 38, 140 f.
3) Glotta 2, 219 ff.
4) Göttersprache 93 f.
5) De amuletorum apud antiquos usu. Diss. 1907, 9.
6) Grimm Mythologie 2, 982; 3, 466 Nr. 869 f.
7) Fox Saarländische Volkskunde 1927, 464 f.
8) Höhn Volksheilkunde I, 143.
9) Meyer Baden 38.
10) SAVk. 21 (1917), 47; Schweizld. 4, 1364 f.
11) Wuttke 182 § 247.
12) Pollinger Landshut 274.

2. Begriffsbestimmung und Zweck.

Amulett ist ein kleinerer, krafterfüllter (orendistischer) Gegenstand, dessen Kraft sich dort wirksam zeigt, wo er angehängt oder befestigt wird 13). Vom Talisman (siehe dort) unterscheidet sich das Amulett höchstens dadurch, daß das Wort Talisman gelegentlich auch auf größere Gegenstände wie Bildsäulen angewandt wird. Zum Wesen des Amulett aber gehört seine leichte Tragbarkeit und Anhängbarkeit. Das Amulett kann einem vierfachen Zweck dienen, denselben 4 Zwecken 14), deren Erreichung allgemein im Gebiet der Religion wie in dem der Zauberei durch Kult- bzw. Zauberhandlungen hervorgerufen werden kann. Das Amulett kann also I. apotropäisch wirken, d. h. es kann böse Geister, Einflüsse usw. abwehren (siehe dort). Es kann 2. Zwangshandlungen ausüben, insbesondere zu Analogiezauber (siehe dort) gebraucht werden. Ferner kann es 3. die Kraft des Trägers stärken, d. h. die Kraft des Amulett wird der Kraft des Trägers zugefügt, beide werden vereinigt (sakramentale Wirkung). Und 4. kann durch das Amulett die Kraft göttlicher Wesen gestärkt, diese erfreut werden (euergetische Wirkung).

13) Pauly-Wissowa 11, 2156 f. 2169; Suppl. 4, 337 f.; Die Völkerkunde 1926, 42 f.
14) Pauly-Wissowa 11, 2108. 2151. 2164; Suppl. 4, 331; Blätter für Bayrische Volkskunde 10 (1925) 65 f.

3. Ursprung des Amulettglaubens.

Der Ursprung der Kleidung, den man gelegentlich entweder in einem physischen (Schutz gegen Witterung) oder in einem psychologisch-moralischen (Schamgefühl) oder in einem ästhetisch-sexuellen Grund (Wirkung auf das andere Geschlecht) suchte, ist wahrscheinlich, der des Schmuckes (siehe dort) sicher in einem mystisch-magischen Grund zu sehen. Man schmückte sich mit Teilen der Jagdbeute (Felle, Krallen, Zähne, Federn) oder erschlagener Menschen (Skalp, Stück des trepanierten Schädels), um sich die Kraft und Eigenschaften dieser Menschen und Tiere anzueignen. Man hängte sich Teile von Pflanzen (Blätterschmuck, Kränze) und bunte, glänzende Steine usw. an, um die darin vermuteten Kräfte sich zuzufügen. Man bemalte und tätowierte (siehe dort) seinen Körper, um seine eigene Kraft zu stärken. Das sind alles zugleich primitive Formen des Amuletts, die aber auch bei Kulturvölkern vorkommen; der primitive Schmuck wirkt also als Amulett. Einem Forschungsreisenden 15) wurde ein Halsschmuck geschenkt, der aus dem Schwanzhaar eines Elefanten bestand, an dem die Kralle eines Leoparden und eines Adlers, der Zahn eines Seefisches und eines Krokodils hing (zugleich Beispiel eines Komposit-Amuletts; s. u. § 5.). Haar und Krallen sollten auf der Jagd schützen, im Wald und Gras scharfsichtig und behende machen; die Zähne sollten vor den Gefahren des Wassers behüten. Oder: Herakles wickelte nach griechischer Sage 16) den kleinen Aias in das Fell des unverwundbaren Löwen von Nemea, wodurch sich die Unverwundbarkeit auf den Kleinen übertrug. So ist die ursprüngliche Bedeutung des Schmucks und des Amuletts die Zufügung von Kraft auf den Träger, also die sakramentale Bedeutung. Von diesem orendistischen Glauben aus, der sich im Gebrauch des Amulett bereits in der Steinzeit nachweisen läßt, konnten sich die übrigen Formen des Amulettgebrauchs entwickeln.

15) Peschuël-Loesche Loango-Expedition 3, 2, 352.
L6) Berl. phil. Wochenschrift 1912, 1028 ff.; Pauly-Wissowa 11, 2158.

4. Verbreitung und Geschichte

Vergleichendes Material. Der Gebrauch von Amuletten ist eine der einfachsten Formen im Bereich der orendistischen Vorstellungen und daher überall bei Natur- und Kulturvölkern verbreitet und von den prähistorischen Zeiten bis zur Gegenwart zu verfolgen. Auf das Wesentliche gesehen, gibt es in dem Vergleichsmaterial, das andere Völker bieten, nichts, was nicht auch im deutschen Volksglauben vorkäme. Einzelheiten unten. Es sei vorerst allgemein hingewiesen auf verschiedene primitive Völker 17), ferner auf die Inder 18), Assyrer und Babylonier 19), Ägypter 20), Israeliten 21), Griechen und Römer 22), Zigeuner 23), Chinesen 24), Japaner 25), ferner auf die Italiener 26) und auf die Prähistorie 27). So hat also das sich verbreitende Christentum überall den Gebrauch von Amulett vorgefunden, und es hat seinerseits auch hier christlichen Ersatz zu bieten gesucht, was um so leichter geschehen konnte, als auch dem N. T. orendistische Vorstellungen nicht fremd waren 28). Insbesondere die Reliquien (siehe dort) im weitesten Sinn, sowie die Heiligenbilder (siehe dort), Skapuliere (siehe dort) und sonstige geweihte Gegenstände wurden schon früh im Sinne von Amulett verwendet; dabei ist zu beachten, daß der christliche Reliquienkult von Anfang an im allgemeinen sehr viel mehr orendistisch war als der antike. Der Gebrauch von Reliquienpartikeln als Amulett ist nicht antik, sondern geht auf orientalischen Einfluß zurück 29). Auch geschriebene Amulette mit Stellen aus dem Amulett und N. T. waren bei den Christen im Gebrauch 30); siehe auch Bibelamulett. Die katholische Kirche hat dabei von jeher den Unterschied zwischen eigentlichen Amulett, die vom christlichen Standpunkt aus nicht erlaubt waren, und den kirchlich gebilligten Heiltümern gemacht, erstere als Zaubermittel und Aberglaube verboten, den Gebrauch letzterer als religiös empfohlen. Dieser Kampf gegen die magischen Amulette zieht sich durch alle Jahrhunderte hin 31). Es ist derselbe Kampf, in welchem z. B. die Christen der ersten Jahrhunderte die heidnischen Wundertaten im Gegensatz zu den Taten Christi als Zauberei bezeichneten, während die Heiden umgekehrt Christus und die Apostel als Zauberer hinstellten 32). Jener Unterschied wird demgemäß auch von der katholischen Religionswissenschaft vertreten 33), während der Volksglaube der katholischen Bevölkerung eine solche Unterscheidung im praktischen Gebrauch kaum, sondern nur in der Theorie 34) macht. Aber selbst hohe katholische Geistliche wie der 1749 verstorbene Fürstbischof Anselm Franz von Würzburg trugen gelegentlich magische Amulette 35). Der Protestantismus kennt keine Amulett-ähnlichen heiligen Gegenstände; doch finden sich Amulett selbstverständlich auch bei der protestantischen Bevölkerung, sogar oft Amulett, die von katholischen Priestern oder Mönchen geweiht sind 36). - Wie in den Ländern des Mittelmeergebiets, so hatte das Christentum auch in Deutschland gegen den nichtkirchlichen Gebrauch der Amulett zu kämpfen, da auch den Germanen der Gebrauch etwa von Runenzeichen und Bildern als Amulett nicht unbekannt war37). Dazu kam im abendländischen Mittelalter auch der Einfluß der antiken Kultur und ihrer Ausläufer, der den Glauben an Amulett förderte und in zahlreichen Schriften einen Niederschlag fand. Die Vorschriften für Verwendung und Herstellung von Amulett wurden zu einer Pseudo-Wissenschaft, wie sie uns etwa bei Arnold von Villanova 38) im 13. Jahrhundert und später bei Agrippa von Nettesheim 39) entgegentritt. Dieser okkulten Literatur des Mittelalters läßt sich etwa die moderne Schrift von Laarss 40) zur Seite stellen. Insbesondere im 16. und 17. Jahrhundert ist dann eine bedeutende Zunahme des Amulettglaubens festzustellen 41). Amulett wurden fabrikmäßig hergestellt, so etwa von Leonhard Thurneysser 42) aus Basel im 16. Jahrhundert, so wie auch heute noch viele "Braucher" und Wunderdoktoren Amulette anfertigen 43) und besonders auch während des Weltkriegs in den Handel gebracht haben 44); denn insbesondere Leute, die im Besitze magischer Kenntnisse und Kräfte 45) gelten, vermögen Amulette herzustellen, bei uns der Braucher, oft auch, besonders im Mittelalter, Geistliche und Mönche 46), bei den Mohammedanern Scheiks, Derwische und besonders Europäer 47); von letzteren auch sonst den Eingeborenen gegebene medizinische Rezepte werden von diesen oft als Amulett um den Hals gehängt 48). Im wesentlichen ist die mittelalterliche Verwendung der Amulette nicht verschieden von der der Jetztzeit, so daß sich aus den von Schindler und Meyer verwendeten und genannten Quellenschriften zahlreiche Parallelen zu dem heutigen Volksglauben anführen lassen. Daher kommt es auch, daß sogar mancher antike Brauch im Amulettwesen noch im heutigen Volksglauben weiterlebt 48).

17) Bartels Medizin 225 ff.; Schurtz AAnthr. 22 (1894), 57 ff.; Stumme ZfEthn. 1911, 91 ff.; Bellucci Paralleles ethnographiques 1915 (mit vielen Abbildungen); Graebner Weltbild der Primitiven 1924.
18) Oldenberg Religion des Veda 4 1923.
19) Hastings 3, 409 ff. In diesem Artikel Charms and amulets findet sich Material für fast alle Völker, ebenso in den Werken von Seligmann, insbesondere in dem im Druck befindlichen Die magischen Heil- und Schutzmittel.
20) Wiedemann Die Amulette der alten Ägypter (DAO. 12, 1, 1910); ARw. 8, Beih. 23 ff.; 21, 481 ff.; Z.f.Äg. 43 (1907); 45 (1909)-
21) Hastings 3, 451 ff.
22) Pauly-Wissowa 1, 1984 ff.; 3, 1048 ff.; 6, 2009 ff.; 11, 2156. 2169; Kropatschek a. a. O.; van Hoorn De vita atque cultu puerorum. Diss. Amsterdam 1909, 22 ff.; Stemplinger Sympathieglaube 1919; s. auch u. Anm. 58; Fahney De Pseudo-Theodori additamentis. Diss. Münster 1913.
23) Globus 59, 257.
24) ARw 18, 457 f.
25) Chantepie Lehrbuch 4 1, 309 ff.
26) 'Bayon Amulettes d'Italie RTrp. 5,219; Bellucci Catalogo dei Amuleti italiani contemporanei 1898.
27) Wilke Rel. der Indogermanen; Schrader-Nehring 1, 47 f.; Ebert Reallexikon 1, 158 ff.
28) Pauly-Wissowa 11,2116. 2158.
29) Pfister Reliquienkult 2, 607 ff.
30) Papyri Jandanae ed. Kalbfleisch 1, 1912; Eitrem und Fridrichsen Ein christliches Amulett auf Papyrus 1921. Antike Gegenstücke bei Heim Incantamenta.
31) Herzog-Hauck 1, 467 ff.
32) Pauly-Wissowa Suppl. 4, 325. 342 f.
33) Wunderle Religion und Magie 1926, 10 f.; Grabinski Mystik 84.
34) Sage vom teuflischen Amulett, das man durch kirchliche Hilfe wieder los wird: Meiche Sagen 560 Nr. 695.
35) Lammert 274.
36) SAVk. 21 (1917), 47.
37) Hoops Reallexikon 1, 80 ff.; Helm Religgesch. 1, 164 ff.
38) Lehmann Aberglaube3 192 ff.
39) Agrippa v. Nettesheim 1, 209 ff.; 5, 286 ff.
40) Das Geheimnis der Amulette und Talismane. Herstellung derselben nach alten Autoren auf magisch-astrologische Weise 1919.
41) Schindler Aberglaube 123 ff.; Meyer Aberglaube 255 ff.
42) Schindler 127; Meyer Abergl. 31.
43) Meyer Baden 565; ZfrwVk. 7 (1910), 64.
44) Hellwig Weltkrieg 51 f.
45) Pfister Schwaben 26 ff.
46) Schindler 128 f.; Hovorka und Kronfeld 1, 22.
47) Seligmann Blick 2, 302.
48) Ebd. 2, 303.
49) Stemplinger Aberglaube; Ders. Volksmedizin.

5. Stoff der Amulette

Da das Wesentliche des Amuletts die in ihm wohnende Kraft ist, kann als Amulett alles dienen, dem nach dem Glauben des Trägers eine solche Kraft innewohnt: und das ist nahezu alles. Also Teile von Menschen (Haare, Nägel, Knochen, Menstrualblut, Nabelschnur, Nachgeburt) oder Nachbildungen von Körperteilen wie Phallos und Vulva und die sog. Feige oder etwa die Zunge des Nepomuk 50) und das Auge; ferner Tiere 51), Pflanzen 52), Steine 53), Metalle 54) (siehe Einzelartikel). Ferner Münzen und besonders die Brakteaten 55), prähistorische Steingeräte 56), Donnerkeile 57), Faden und Knoten 58). Besonders zu erwähnen sind noch die geschriebenen Amulette, die heute wie im Altertum zahlreich vertreten sind: Himmelsbriefe (siehe dort), Gichtzettel, magische Quadrate (siehe dort) usw. Ihre Verwendung beruht auf dem Glauben an die magische Kraft des Buchstabens, der Zahl, des Wortes, Namens oder Spruchs, die durch das Aufschreiben auf das Papier übertragen wird und so auch dieses zu einem orendistischen Gegenstand macht; siehe auch Bibelamulett, Gebet, Zauberspruch. Auch sinnlose, unverständliche, fremdsprachige Worte spielen dabei eine Rolle. Da häufig die Kraft des Zauberspruchs durch die in ihm erzählte Geschichte gegeben wird, kann man ein Amulett auch dadurch herstellen, daß man auf einem Gegenstand die Geschichte bildlich darstellt, deren Verwirklichung man durch einen Analogiezauber (siehe dort) erhofft. Auch andere geweihte Bilder können als Amulett gebraucht werden. Neben solchen Bild-Amuletten gibt es auch andere, die ein orendistisches Zeichen wie Doppelaxt, Kreuz, Trudenfuß, Pentagramm, Hörner, den kreuzartigen Buchstaben T (Tau) u. a. m. enthalten, wie uns solche seit der altkretischen Kultur bekannt sind; siehe Bild, Tätowieren. Aber auch Gebet- und Zauberbücher (siehe dort), die Bibel (siehe dort) u. a. heilige und orendistische Bücher können als Amulett dienen. Als besonders erwähnenswert nenne ich noch das Komposit-Amulett, das aus vielen Bestandteilen besteht und ebenfalls seit der prähistorischen Zeit allgemein verbreitet ist. Ein solches wurde in einem Brandgrab (Bronzezeit) auf Seeland bei Lyngby gefunden: Ledertasche, darin Schwanz einer Natter, eine kleine Konchylie aus dem Mittelmeer, ein kleines zugeschnittenes Stück Holz, Bruchstück einer Bernsteinperle, Stück eines roten Steines, Feuersteinsplitter, Falkenklaue, ein Lederfutteral mit Unterkiefer eines Eichhorns und einige in ein Stück Blase eingehüllte Steinchen 59). Ähnliche Komposit-Amulette kennen wir aus dem Kongo-Gebiet 60), aus der Türkei 61), aus dem Germanischen Museum in Nürnberg 62) und sonst 63). Weshalb ein einzelner Stoff als wirksam galt, ist oft schwer zu sagen 64).

50) Andree-Eysn Volkskundliches 127f.
51) Zahler Simmenthal 40; Fahney 55 ff. Jühling Tiere; Andree-Eysn 142 ff. Auch Nachbildungen von Tieren wie die ägypt. Skarabäen.
52) Fahney 47 ff.; Marzells Arbeiten; Kropatschek 41 ff.
53) Meyer Aberglaube 55 ff.; Fühner Lithotherapie 1903; Andree-Eysn 139 ff. 54) Z.B. Eisen, daher eiserne Ringe; Pauly-Wissowa 1 A, 807 ff.; Andree-Eysn 136 f.; Goldziher ARw. 10 (1907), 41 ff.; Pfister Schwaben 64 ff.; Höfler Volksmedizin 174 tf.
55) Hoops Reallexikon 1, 8l. 307; Andree-Eysn Volkskundliches 126 f.
56) ZfVk. 13 (1903), 312.
57) S.d.; Fox Saarl. Volkskunde 291.
58) Wollers und Bissing ARw. 8 Beih. 1 ff.; Scheftelowitz Schlingenmotiv; Pley De lanae usu 91 ff.; Heckenbach De nuditate 106 ff.
59) Schrader-Nehring 1, 47; Helm Religionsgeschichte 1, 165 ff.
60) Söderblom Werden des Gottesglaubens 77 ff.; Pauly-Wissowa 11, 2187 f.
61) Seligmann Blick 2, 100.
62) Kronfeld Krieg 44.
63) Seligmann Blick 2, 96 f.; Seyfarth Sachsen 139; Kropatschek 69 f.; Schönwerth Oberpfalz 3, 256; Andree-Eysn 144 f.
64) Vermutungen bei Netolitzky Pharmazeutische Nachrichten 1926, H. 11.

6. Verwendung des Amuletts

Der vierfache Zweck, dem die Amulett dienen können, läßt sich bei Betrachtung der vielfachen praktischen Verwendung oft nicht scharf auseinanderhalten. Der wichtigste Zweck ist im heutigen Volksglauben der apotropäische. Wenn Amulette oder andere orendistische oder geweihte Gegenstände (z. B. Palmen oder Weihbüschel) in die Bettzipfel, insbesondere des Brautbettes, eingenäht werden 65), so soll damit Glück und Fruchtbarkeit in der Ehe erzielt, d. h. die Kraft des Amulett dem Ehebett zugefügt werden (sakramentaler Zweck). Am Bett der Wöchnerin 66) befestigt oder am Körper der Schwangeren und Wöchnerin 67) getragen, oder am Bett des Säuglings 68) oder des Kranken 69) angebracht, soll das Amulett die drohenden Dämonen, Hexen oder Krankheiten abwehren (apotropäischer Zweck). Wenn Brautleute beim Kirchgang Amulett, Rosmarin, Salz, Kornähren u. a. tragen 70), so kann das abwehrende und stärkende Bedeutung haben, ebenso wenn Soldaten im Krieg Amulett tragen 71). Vielfach führt man sein ganzes Leben lang ein Amulett bei sich, oft auch nur bei besonderen Gelegenheiten, bei Geburt, Hochzeit und Krankheit. Insbesondere in Krankheitsfällen wurden zu jeder Zeit Amulett empfohlen 72). Sie helfen aber auch gegen Wetter und Blitz 73), gegen den bösen Blick74) und werden auch den Toten mit ins Grab gegeben 75). Als Indikations-Amulette zeigen sie schon durch gewisse charakteristische Veränderungen an, wenn der böse Blick auf sie fällt, und warnen so den Träger 76). Bei Zauberhandlungen wehren sie böse Einflüsse ab 77), Bergleute tragen sie zum Schutz 78). Ebenso helfen Amulette auch den Tieren. Um einer Sau die Geburt zu erleichtern, hing eine katholische Frau dem Tier ihr in der Kirche geweihtes Amulett um, das einst in schwerer Stunde ihr selbst gegeben war 79). Auch sonst werden Tiere mit Amulett geschmückt 80). Schließlich kann man Amulett und amulettartige Gegenstände auch an Häusern, Ställen, Türen usw. anbringen oder dort die entsprechenden Zeichen, Bilder, Buchstaben, Worte direkt aufmalen oder einschneiden 81).

Meist wirkt so das Amulett apotropäisch; doch ist auch die sakramentale Bedeutung nicht ganz verschwunden, wofür schon einzelne Beispiele angeführt sind. Sie zeigt sich besonders in dem Brauch, das Amulett zu essen. Entweder wird es in Wasser getaucht und dann das Wasser, das jetzt die Kraft des Amulett enthält, getrunken, oder das Amulett wird pulverisiert eingenommen, oder besonders hierzu bestimmte "Eßzettel" werden verschluckt 82). Auch durch Küssen des Amuletts kann man sich dessen Kraft aneignen 83). Auch aus der allgemeinen Anschauung, daß das Amulett berühmt, reich, stark, klug, beliebt macht 84), kann man auf den Glauben an die kraftzuführende Eigenschaft des Amulett schließen. Um Zauberkraft zu erhalten, trägt es der Zauberer wie der Schamane 85). Der euergetische Gebrauch des Amuletts läßt sich nur da nachweisen, wo Götterbilder und Fetische existieren, deren Kraft durch Anhängen von Amulett verstärkt wird, wie z. B. beim ägyptischen Horus. Analogiezauber (siehe dort) bewirken Amulette, auf denen durch Wort oder Bild das dargestellt ist, dessen wirkliche Erfüllung man von ihm erwartet. Ebenso glaubt man an eine magische Wirkung, wenn man im Erzgebirge und sonst dem Säugling den einer lebendigen Maus abgebissenen Kopf anhängt, um ihm das Zahnen zu erleichtern 86).

65) Birlinger Aus Schwaben 1, 396.
66) Grüner Egerland 35.
67) Höhn Geburt 260; Pollinger Landshut 239.
68) Grüner 36; Meyer Baden 26; Sartori Sitte und Brauch 1, 27; Egerl. 4 (1900), 6; John Westböhmen 107; Pollinger 239.
69) Manz Sargans 80.
70) Sartori Sitte und Brauch 1, 82.
71) Kronfeld Krieg; Hellwig Weltkrieg; Sartori 2, 169; Meyer Aberglaube 277; ZfVk. 14 (1904), 126; Fox Saarländische Volkskunde 240; 464 f.
72) Hovorka und Kronfeld 1, 19 ff. mit Abbildungen; Kropatschek 14 ff.; Andree-Eysn Volkskundliches 63 ff.; Höfler Volksmedizin 38 ff.
73) Sart ori 2, 14; Andre e-Eysn 122 f.
74) Seligmann Blick; Ders. Zauberkraft.
75) Kees Totenglauben u. Jenseitsvorstellungen der alten Ägypter 1926, 249; Ebert Reallexikon I, 158 ff.; Kropatschek 16 f; Meyer Aberglaube 256.
76) Seligmann Blick 1, 266; Zauberkraft 446.
77) Kropatschek 12; Fahz Doctrina magica 35.
78) Drechsler 2, 170.
79) Maack Lübeck 27.
80) Zingerle Tirol 223; Zelenin Russische Volkskunde 64.
81) Sartori 2,19; Meyer D. Volkskunde 69 ff.; Andree Votive 52; Andree-Eysn 63 ff. 99 ff. 123.
82) ZfVk. 8 (1898), 248 f.; Andree-Eysn 120 ff.; Pauly-Wissowa 11, 2156. 2171 ff.; Pfister Schwaben 33 f. 36; Kropatschek 19.
83) Kropatschek 19; Pauly-Wissowa II, 2158 f.
84) Kropatschek 16 ff.; Meiche Sagen 560 Nr. 695; ZfVk. 10 (1900), 288 f.; Lammert 151.
85) Nioradze Der Schamanismus bei den sibirischen Völkern 1925, 60 ff.
86) Seyfarth Sachsen 298; Lammert 126 f., wo noch andre Mittel angegeben sind.

7. Die Kraft des Amuletts

Die Kraft, die in dem Amulett wirkt, kommt ihm entweder an sich zu durch das Material, aus dem es besteht, oder durch die magischen Zeichen, Worte und Bilder, die es trägt, oder auch sie ist ihm vom Zauberer oder vom Priester durch eine magische Handlung oder Weihung verliehen worden, oder sie ist durch Berührung mit geweihten Gegenständen (Heiligenbilder, Reliquien) in das Amulett übergegangen. Letztere Amulette sind sog. "angerührte" Gegenstände 87). Sie beruhen auf dem allgemeinen Glauben, wonach man auch künstliche Reliquien durch Berührung mit wirklichen Reliquien 88) oder, wie in Polynesien, Amulette aus roten Federn herstellen kann, die man mit einem Götterbild in Berührung gebracht hat 89). Da das Amulett ein orendistischer Gegenstand ist, ist es auch tabu; daher findet man gelegentlich das Verbot, ein Amulett zu öffnen 90) oder es anzuhauchen 91).

Eine umfassende Darstellung des Amulettwesens fehlt noch; eine listenartige Sammlung aller Amuletttypen wäre wünschenswert.

87) Andree-Eysn 117.
88) Pf ist er Reliquienkult 2, 431 f.; 533 f.
89) Visscher Naturvölker 1, 241 ff.
90) Meyer Baden 565; Hovorka-Kronfeld 1,22; Andree-Eysn 125; ZfrwVk. 7 (1910), 64.
91) Birlinger Aus Schwaben 1, 397.

Pfister.