Fronfasten
aus: E. Hoffmann-Krayer, H. Bächtold-Stäubli, Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens,
Berlin und Leipzig 1932


1. Die Fron- oder Quatemberfasten (quatuor tempora, auch in Quatertamper, Temper entstellt) treten viermal im Jahre ein und zwar - endgültig seit Gregor VII. - am Mittwoch, Freitag und Samstag der ersten Fastenwoche, der Pfingstwoche, der dritten Woche des September und der dritten Adventswoche 1). Sie verlangen Enthaltung von Fleischspeisen. Sie gehen auf römisch-heidnische Übungen zurück, und noch Papst Leo d. Gr. setzte sie mit dem Ackerbau und der Ernte in unmittelbare Beziehung. Später nahmen die Quatember rein den Charakter von Büß- und Bettagen an 2). Auch die der Protestanten sind aus ihnen hervorgegangen 3). Nach Gallien und den christlichen Teilen Deutschlands kamen die Quatemberfasten unter den Karolingern 4). Sie heißen in Deutschland auch Vrônefasten, d. h. Herrenfasten, weil sie in die Zeit fielen, wo die Herrenzinsen bezahlt wurden. Auch am Donnerstag im Quatember ist es geraten, kein Fleisch zu genießen, um Seuche und Fieber abzuhalten 5). Wer in der Quatemberwoche nicht fastet, dem fallen nach der Meinung der Kärntner und Steirer Slowenen die Haare selbst im Grabe nicht vom Schädel 6).


1) Kellner Heortologie 142; vgl. 144; Franz Benediktionen I, 368 f.; Pfannenschmid Erntefeste 119. 424 ff.; Hoops Reallexikon 3, 432 f.; vgl. ARw. 21, 19.
2) Kellner 141 f. 143.
3) Ebd. 145. 4) Ebd. 143. 144.
5) Grimm. Mythologie 3, 417 (26: 14./I5- Jh.); ZfVk. II. 274 (15. Jh.).
6) ZföVk. 4, 148.


2. An den Fronfasten soll kein Obst abgenommen und nicht gesät werden 7). Das Gesäte fällt leicht zu Boden, das Korn wird zerzaust, doch reift es rasch 8). Es heißt aber auch wieder, daß Weizen und Winterroggen in der Quatemberwoche gesät werden sollen 9). In Eberstallzell (Oberösterreich) nimmt der Bauer von der ersten Fuhre Korn, die er in der Quatemberwoche einbringt, drei Ähren und legt sie der Reihe nach in die Erde ein. Welche am schönsten aufgeht, bestimmt, was für eine Saatzeit die günstigste sei, die Egidi-, die Kreuzerhöhungs- oder die Quatemberwoche 10). In der Quatembermondzeit gefälltes Holz wird nicht von Wurmstichen befalten, weil dann der Saftstrom still steht 11).


7) Meyer Baden 385; Reiser Allgäu 2, 430; Haltrich Siebenb. Sachsen 285; SAVk. 12, 153.
8) Hoffmann-Krayer 167.
9) John Westböhmen 185; Pollinger Landshut 229.
10) Baumgarten Jahr 30.
11) D. Ravensberger (Heimatkal.) (1927), 50.


3. Trockenheit an den Fronfastentagen hat Trockenheit während des ganzen Jahres im Gefolge 12). Regnets, so bedeutet das ein nasses Vierteljahr 13). Wie das Wetter Dienstags nach Fronsonntag ist, so bleibt es das ganze Vierteljahr 14), wie es am Mittwoch ist, bleibt es die ganzen Fronfasten 15). Am Zürchersee pflegte sich einer an Weihnachtsfronfasten nachts auf einen Hügel zu legen und von da aus das Wetter des künftigen Jahres zu erkunden 16). Wie am Quatember der Wind weht, so bleibt er das ganze Vierteljahr. Kommt er aus Osten oder Norden, so ist die gewöhnliche Witterung kalt und trocken, kommt er aus Süden oder Westen, so ist sie warm und feucht17). Treffen die Quatember auf die letzten Tage des Monats, so wird das Getreide teuer, fallen sie auf die ersten, so bleibt es billig 18).


12) Manz Sargans 123.
13) Witzschel Thüringen 2, 157 (15).
14) Wrede Eifeler Volkskunde 97.
15) Cysat 28.
16) SchwVk. 3, 86.
17) Mitteil.Anhalt.Gesch. 14, 20; ZfVk. 9, 235; Bartsch Mecklenburg 2, 215.
18) Drechsler 2, 197; ZfVk. I, 190; Bartsch 2, 215; Eberhardt Landwirtschaft 9. Umgekehrt: Witzschel Thür. 2, 157 (14.). Vgl. Curtze Waldeck 397 (133).


4. Kinder, die in den Fronfasten geboren sind, können zukünftige Dinge voraussehen 19). Vor allem die am Mittwoch 20) oder an den Weihnachts-Fronfasten geborenen 21), auch die Fronsonntagskinder 22). Sie erblicken nachts die Kirchgänge derjenigen, die in der nächsten Zeit sterben sollen 23), und sind überhaupt geistersichtig 24), können auch Schätze sehen 25). Wenn man aber ein solches Fronfastenkind sogleich in Windeln wickelt und unter die Stubenbank legt, wird alles verhütet 26). Man zieht es aber auch gar nicht auf 27). Auch Kälber, an Fronfasten geboren, sind gespenstersehend, tun überhaupt nicht gut und werden getötet 28).


19) Vernaleken AIpensagen 348 f.; Stoll Zauberglauben 162; Zingerle Tirol 3 (4).
20) SAVk. 2, 282.
21) Manz Sargans 101. 121.
22) Schmitz Eifel 2, 142.
23)Vernaleken Alpensagen 349; Kohlrusch Sagen 242; vgl. 312; Schmitz Eifel 2, 142.
24) Vernaleken Alpensagen 178. 348 f. ; Lütolf Sagen 237; SAVk. 21, 40; Brodmann Ettingen 52; Hoffmann-Krayer 25 (sie sterben auch früh).; Niderberger Unterwaiden 3, 9; Schönwerth Oberpfalz I, 328 (2).
25) SAVk. 20, 432; Niderberger Unterwaiden I, 26. 90.
26) Rochholz Kinderlied 279.
27) Reiser Allgäu 2, 230.
28) Lütolf Sagen 333.


5. In den Fronfasten sind die Geister am unruhigsten und gefährlichsten 29). Hexen ergeben sich da dem Teufel 30), fahren zum Tanz 31), laufen als Hasen herum 32) und zerreißen den, der nach dem Gebetläuten vor die Tür geht 33). Nach hessischen Hexenakten fuhr einer jährlich viermal, an allen Fronfasten, in den Venusberg zu Frau Holda 34). Geiler v. Kaisersberg schildert das wilde Heer in den Fronfasten und besonders in denen vor Weihnachten, "das ist die heiligest Zeit" 35). In Muri zieht das Gutis-Ee herum 36). In Bayern und Tirol hieß die wilde Jagd geradezu die Temper 37). Die Sträggele treibt ihren Spuk 38). Den Stier, der die versunkene Glocke von St. Wendel gefahren hat, hört man alle Jahre um Winter-Fronfasten aus dem Abgrund brummen 39). Ein gespenstischer Reiter sprengt durch Landshut 40). Ein glühender Wagen braust durch das Siebengebirge, eine Schlüsseljungfrau lenkt ihn 41). Auch im Oselberg kommt eine Schlüsseljungfrau zum Vorschein 42). Ein meineidiger Feuermann im Kt. Wallis zeigt sich besonders an den Seelentagen und zur Quatemberzeit 43). Auf dem Blankenheimer Schloß hört man oft die Heinzelmännchen in der Nacht tanzen 44). Bei Musau wandelt das "Knappenlochweible"45), in München "zwölf Apostel" 46). In Hall spukt der Quatemberhund 47). Das Untier bei der Kaistnerbrücke hockt in Quatembernächten auf 48), unterirdische Schätze leuchten 49), versunkene Glocken läuten 50). Die Seelen kehren zu Quatemberzeiten zur Erde zurück 51) und erscheinen als Kröten 52). In der Schweiz hat der Volksglaube aus den Fronfasten eine persönliche Frau Fasten (siehe dort) geschaffen 53). Auch in größeren Scharen ziehen die Fronfastenweiber herum 54).

29) Vernaleken Alpensagen 349; Rochholz Sagen 2, XXXVI f.; Zingerle Tirol 54 (460); Simrock Mythologie 2 489; Lütolf Sagen 159.
30) SAVk. 3, 29.
31) Hoffmann-Krayer 167.
32) SAVk. 21, 191.
33) Zingerle Tirol 63 o (540).
34) ZfdMyth. i, 275; Mannhardt Germ. Myth. 468.
35) Grimm Myth. 2, 766 A. 3.
36) Rochholz Naturmyth. 101.
37) Meyer Germ. Myth. 235.
38) Vernaleken Alpensagen 117; SAVk. 2, 225.
39) Birlinger Volksth. i, 143 f.
40) Pollinger Landshut 121.
41) Schell Bergische Sag. 497 f.
42) Schöppner Sagen i, 371 f.
43) Ranke Sagen 47.
44) Schmitz Eifel 2, 19.
45) Reiser Allgäu i, 118.
46) Schöppner Sagen i, 472.
47) Alpenburg Alpensagen 107.
48) Rochholz Sagen 2, 71.
49) ZföVk. 4, 148.
50) ZfVk. 7, 118.
51) Lippert Christentum 415. 502 f. 591.
52) Meyer Germ. Myth. 74; ZfdMyth. j, 8.
53) Golthher Myth. 493; Laistner Sphinx 2, 393; Vernaleken Alpensagen 348; SchwVk. i, 92 f.; Waschnitius Perht 73 f. Auch einen Quatembermann gibt es: Ebd. 28.
54) Baader NSagen 15 (20); Hertz Elsaß 54; vgl. 45 f. 200.; Simrock Mythol.2 225.

6. Die Fronfasten verlangen daher Vorsicht. Man soll nicht über 9 Uhr kilten, sonst kommt die Fronfasten (Frau Faste) und hat Macht über solche Menschen, kann sie auch verwandeln; sie setzt sich am liebsten auf den Ofen 55). Wer in dieser Zeit zu seinem Dirndl schleicht, der kann sich durch den Schreck vor allerlei Spukgestalten, die ihm da begegnen, die Epilepsie holen (Slowenen) 58). Man darf keine Milch über die Gasse geben 57), nichts fortleihen 58), von Unbekannten Gereichtes nicht essen 59), nachts nicht ausgehen 60), den Stall nicht öffnen, damit die Hexen nicht eindringen 61), nicht Dung fahren 62), nicht ins Holz fahren, nicht mähen und nicht die Wohnung wechseln 63), nicht waschen und bleichen 64) (sonst hilft Frau Fasten mit waschen) 65), nicht spinnen, sonst kommt die Fronfastenfrau 66). Aller Werg muß aufgesponnen sein 67). Die Käsemaden werden mit dem Quatembergarn erzeugt. Dieses muß von einem unschuldigen Kinde an einem Freitag in der Quatemberwoche gesponnen werden 68). Wenn man an F. "zöpfelt" (Zöpfe flicht), so gehen einem die Haare aus Kt. Zürich) 69).

55) SAVk. 21, 40.
56) ZloVk. 4, 148.
57) Schönwerth Oberpfalz i, 334.
58) Alemannia 24, 154.
59) Meyer Baden 513.
60) Ebd.
61) Eberhard t Landwirtschaft 14.
62) Ebd. i.
63) Witzschel Thüringen 2, 157-
64) Meyer Baden 513; Boecler Ehsten 71.
65) Rochholz Sagen 2, 262.
66) Baader NSagen 44 (62); Hoffmann-Krayer 101; Lütolf Sagen 77.
67) Hoffmann-Krayer 167.
68) ZfVk. 5, 408 (Steiermark).
69) Hoffmann-Krayer 167.

7. Noch kräftiger als die Fronfasten im September ist der Montag davor. An ihm soll man vor Sonnenaufgang einen Segen gegen Feuer, Diebe und Räuber sprechen 70).

70) Grimm Myth. 3, 499 (22).

Sartori.