KREUZBLUME (Ramsel; Polygala vulgaris).

aus: E. Hoffmann-Krayer, H. Bächtold-Stäubli, Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens,
Berlin und Leipzig 1932

1. Botanisches. 15-30 cm hohe Pflanze mit wechselständigen, eiförmigen, ganzrandigen Blättern und blauen, in einer Traube angeordneten Blüten. Ziemlich häufig auf trockenen Wiesen, an Rainen, Waldrändern usw. Die bittere Kreuzblume (Polygala amarum) wird ab und zu in der Heilkunde verwendet 1).

1) Marzell Kräuterbuch 276.

2. In Sittersdorf am Kyffhäuser wird das "Ramselkraut" (ob hier unter diesem Namen wirklich die Kreuzblume gemeint ist, erscheint mir zweifelhaft; vielleicht ist an den Bärenlauch [Allium ursinum] zu denken?) vor Walpurgis gesammelt und gekocht als Gemüse gegessen. In dem Dörfchen Hain (Weimar) wird alljährlich am letzten Sonntag vor (nach diesem Zeitpunkt zerstören die Hexen die Heilkraft der Pflanze) dem 1. Mai die "Ramselblume oder das Herrgottsbärtlein" in den umliegenden Wäldern gesucht. Die Pflanze wird dem Vieh, wenn es "aufgebläht" ist, gegeben. Dieses Suchen wird mit einem Dorffest begangen, bei dem man sich mit Ramselblumen schmückt (altes Frühlingsfest, vgl. Allermannsharnisch) 2). In der mährischen Walachei schützt die Kreuzblume die Schafe vor Verzauberung 3). Die Letten baden ihre kleinen Kinder, wenn diese "unruhig" sind, mit dem Absud der Kreuzblume 4), was vielleicht auf ein ursprüngliches Apotropaeum hinweist. Die Angabe, daß Kränzchen aus Kreuzblumen an Christi Himmelfahrt ans Haus gehängt werden und vor Blitzschlag schützen sollen 5), dürfte auf Verwechslung mit dem Katzenpfötchen (beide Pflanzen führen den Namen "Himmelfahrtsblümchen") beruhen.

2) Das Land 7 (1899), 269.
3) ZfÖVk 13, 26.
4) Historische Studien aus dem pharmakologischen Institut Dorpat 4 (1894), 234.
5) Wilde Pfalz 153.


Marzell.