Lichtmeß (s. a. Maria Lichtmeß)

aus: E. Hoffmann-Krayer, H. Bächtold-Stäubli, Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens,
Berlin und Leipzig 1932

I. Der 2. Februar wurde seit früher Zeit als Tag der Reinigung Maria und der Darstellung Jesu im Tempel am vierzigsten Tage nach seiner Geburt gefeiert 1). Wohl im Anschlüsse an römischheidnische Reinigungs- und Sühnefeiern, bei denen Fackeln an das Volk verteilt wurden 2), hat die Kirche die Kerzenweihe eingeführt, für die lateinische Formeln schon aus dem 10. Jh. bekannt sind 3). Sowohl die Lichter für den Bedarf der Kirche werden geweiht, wie auch die von den einzelnen Haushaltungen herbeigebrachten.

Dem Wachs und den Kerzen, die vom Priester gesegnet worden, werden die höchsten Schutzkräfte zugeschrieben 4). Man zündet sie bei schweren Gewittern an 5); in Westfalen wird manchmal noch ein Donnerkeil dazu gelegt 6). In der Gegend von Zabern setzt man die geweihte Kerze dem Kranken auf den Nachttisch und hofft dadurch ruhigen Schlaf und Genesung für ihn zu erlangen 7). Sie brennt neben dem Sterbenden, um ihn gegen die Angriffe der Dämonen zu schützen 8). Das Haus wird durch die Lichtmeßkerze vor Behexung geschützt 9). Man brennt mit ihr drei Kreuze über der Tür oder dem Balken aus 10). Berührt man den bösen Geist, der in irgend einer Gestalt erschienen ist, mit ihr, so bleibt er stehen und ist gefangen 11). Wenn man eine Lichtmeßkerze aus Hummelwachs bei der Messe brennt, so müssen alle Hexen, die zugegen sind, an diesem Lichte anzünden 12). Wer die geweihten Kerzen zu profanen Zwecken gebraucht, muß nach dem Tode dafür büßen 13).

Die sog. Kerzenrodel (zu einem rundlichen Knäuel aufgewundene Wachskerzen) gebraucht ausschließlich die Frauenwelt bei Trauerfeierlichkeiten, also bei Begräbnissen, Gedächtnissen in der Kirche und auf dem Friedhofe, oft auch nur zur Beleuchtung bei nächtlichen religiösen Handlungen 14). In Bayern lassen die Frauen meist einen roten Wachsstock weihen. Er dient besonders dazu, um Hand, Fuß und Geräte der Wöchnerin gewunden zu werden, damit aller Zauber von Mutter und Kind fernbleibe 15); er muß aber vorher angezündet gewesen sein 16). Auch bildet man mit einem Stück davon hier und da einen Trudenfuß 17). In der Eifel befestigte man jedesmal, wenn ein Kind geboren war, hinter der Stubentür ein kleines, wächsernes Kreuz aus Stücken der Lichtmesskerze 18). In Kreuzform kleben die Landleute das Wachslicht auf ihre Hüte, über die Haustüren, an die Decken der Stuben, auf die Pflüge und Wagen, an die Obstbäume, in die Stallungen und lassen einige Wachstropfen auf jedes Stück Vieh fallen 19).In der Franche - Comté umgeht der Familienvater um Lichtmeß dreimal das Haus mit einer brennenden Kerze, dann tritt er hinein und segnet die Kinder20). In Schwaben müssen alle Buben und Mädchen mit brennenden Kerzen wie am Palmtag in Prozession gehen 21). In der Gemeinde Kortsch (Vinstgau) zieht die Jugend am Lichtmeßtage mit brennenden Kerzen in eine Höhle, die in das anstoßende Gebirge gebrochen ist 22).

In Grossaitingen brannte jeder sein Licht, und die Buben setzten eine Ehre darein, das ihrige sogar noch brennend nach Hause zu bringen. Wenns gelang, hieß es: "Dem muß man Küechlen bachen" 23). Fällt das Fest der Kerzenweihe auf einen Sonntag, so hat die ganze Weihe eine zehnfache Kraft, und solches Wachs wird dann sehr lange verwahrt. Sehr schlecht dagegen und von übelster Vorbedeutung ist es, wenn die Sonne während der Kerzenweihe scheint, dann tritt ein Sterben bei Menschen und Immen ein 24).

Am L.abend vereinigte man sich in den Häusern zu gemeinsamem Beten und zündete Kerzen an; wessen Licht zuerst erlosch, der mußte zuerst sterben25); man betete daher mitunter den Rosenkranz wie im Galopp ab 26). Im Isartal kamen dabei große Schüsseln voll Kirchweihnudeln auf den Tisch; auf die Schüssel waren Lichter aufgeklebt, jeder hielt eine Kerze oder einen Wachsstock in der Hand. Von der Kerzenasche mußten die Kinder etwas essen, damit sie der Blitz nicht erschlüge 27). Nach Lorichius (1593) ließ sich jeder im Hause mit den geweihten Kerzen das Haar besengen; "welches Haar dann nit will anbrennen, der muß dasselb Jahr sterben" 28). Wenn am Abend die Kerze erlischt, so brennt sie das ganze Jahr trübe 29).

In Toggenburg werden den Verstorbenen Lichtlein angezündet. Nachher findet ein Mahl mit geschwungenem Rahm statt30). In Taiskirchen (Innviertel) zündet man am Abend vor Lichtmeß drei Lichter an, eines auf dem Tische zu Ehren unserer 1. Frau, das andere unter dem Tische für die unschuldigen, d. h. ungetauften Kinder, das dritte auf dem Weihbrunnkessel neben der Tür für die armen Seelen 31).

1) Kellner Heortologie 132 ff.; Lucius Heiligenkult 480 ff.; Nork Festkalender 1, 141 ff.
2) Usener Weihnachtsfest 311 f.; Samter Geburt 71 f.
3) Franz Benediktionen 1, 442 ff.
4) Sartori Sitte 3, 86.
5) Leoprechting Lechrain 158; Witzschel Thüringen 2, 188; Andree Votive 831.
6) Hartmann Westfalen N. F. 23.
7) Albers Das Jahr 87.
8) ZfVk. 17, 361 f.; Samter Geburt 76.
9) Wuttke 286 (420); Strackerjan 1, 430 (230); Birlinger A. Schwaben 2, 29.
10) Knoop Posen 323 (63).
11) Grohmann 27; Wuttke 281 (412).
12) Zingerle Tirol 132 (1173).
13) Sebillot Folk-Lore 1, 159 (Haute-Bretagne).
14) SAVk. 7, 158; Leoprechting 159.
15) Andree Votive 84.
16) ZfVk. 15, 316 A. 2.
17) Leoprechting 159.
18) Wrede Rhein. Volkskunde 146.
19) Ebd. 201; Schmitz Eifel 1, 13. 95; Fontaine Luxemburg 17; Fox Saarland 266; ZfrwVk. 25, 91 f.; DG. 28, 22.
20) Knuchel Umwandlung 87.
21) Birlinger A. Schwaben 2, 29.
22) Zingerle Tirol 132 (1174).
23) Birlinger A. Schwaben 2, 29.
24) Leoprechting 159.
25) Birlinger Volkst. 2, 19; Baumgarten Jahr u. s. Tage 17; Hoffmann-Krayer 124; Vernaleken Alpensagen 348.
26) Reiser Allgäu 2, 42.
27) ZfVk. 21, 258.
28) Birlinger A. Schwaben 2, 29; vgl. auch Knoop Posen 323 (63).
29) ZfVk. 4, 321 (Ungarn).
30) Hoffmann-Krayer 124.
31) Baumgarten Jahr 17; vgl. auch ZfVk. 15, 315 (Oberbayern).

2. Lichtmeß schließt die Weihnachtszeit ab. Den unsichtbar machenden Rabenstein muß man in der Weihnachts- oder Lichtmeßnacht suchen 32). Die Krippe in der Kirche wird nun "eingerissen" 33). Die Reste des großen "Mittwinterbrotes" werden den Pferden gegeben 34). Der bis Lichtmeß aufbewahrte Weihnachtszeltes schützt gegen Kreuzweh 35). Der Fasching beginnt 36). Die halbe Winterfütterung darf jetzt erst verbraucht sein37). Mit dem Dreschen muß man fertig sein 38). Auch wird jetzt nicht mehr bei Licht gegessen 39), denn an Lichtmeß kann man das Licht "missen" 40). Das Spinnen hört auf; es heißt "Lichtmeß bei Tag ess Unds Spinnen vergess" 41). An vielen Orten hält man es für unrecht, an Lichtmeß zu spinnen, weil dann die Maulwürfe wühlen und die Schafe drehend werden oder der Wolf einbricht 42). Wer spinnt, näht usw., den wird das ganze Jahr über das Gewitter verfolgen, oder er beschwört herauf, daß das Gewürm das Haus "wegträgt" 43). Auch nicken soll man nicht 44). Kein "Gebuller" darf im Hause sein, kein Holz gehauen werden usw. Alles muß leise auftreten im Zimmer, das Gewitter würde sonst angezogen werden 45). Kein Flachs darf mehr am Rocken sein 46). Wenn die Mägde in Thören a. Aller noch Heede auf dem Wocken haben, so heißt es, sie müßten nach dem Runshôrn, einer Stelle im Moor, und sie da abspinnen 47). Hier und da feiern die Spinnstuben ihr höchstes Fest 48). Die Bäuerin steckt einen Rocken mit Flachs auf den Mist, damit der Hahn daran spinne. Die Freunde aber werden mit Kräpfeln und Kaffee bewirtet49). Die Dienstboten wechseln ihren Dienst und haben ein paar freie Tage bis Agatha oder Aschermittwoch50). Sie und ihre Angehörigen, soweit sie rechtliche Verbindlichkeiten mit der Verdingung eingegangen sind, erhalten das Schlänkelbrot51). Die antretenden Dienstboten setzen sich auf die "lange Bank", damit sie im Hause langes Bleiben haben 52).

32) Heckscher in.
33) Drechsler I, 53; Wrede Rhein. Volkskunde 232.
34) Sartori Westfalen 137.
35) Bohnenberger 24.
36) Pollinger Landshut 205. Im Bergischen hieß schon die Woche vor Lichtmeß Saufohmet: ZfrwVk. 25, 92. In England endete am Lichtmeßtage das Regiment des Narrenkönigs (lord of misrule): Frazer 9, 332 f.
37) Drechsler 1, 53; John Westböhmen 36; Schramek Böhmerwald 132.
38) ZfVk. 24, 58.
39) Sartori Sitte 3, 84 A. 2; Meier Schwaben 2, 384; Meyer Baden 174; ZfrwVk. 2, 299 (Nahetal).
40) ZfVk. 24, 58 (Stapelholm).
41) Meier Schwaben 2, 384; ZfrwVk. 2, 299; 25, 82 f.
42) Wuttke 82 (95). 437 (687); Kuhn u. Schwartz 371 (14); Andree Braunschweig 330; Sartori 3, 85 A. 6.
43) Lemke Ostpreußen 1, 104.
44) ZfVk. 1, 181 (Mark Brandenburg).
45) Lemke Ostpr. 3, 70.
46) Pollinger Landshut 205; Meyer Baden 174.
47) Kuhn u. Schwartz 371 (13).
48) Meyer Baden 178.
49) Witzschel Thüringen 2, 188 (auch am Peterstage).
50) Sartori 3, 84; Wrede Rhein. Volksk. 244; Pollinger Landshut 206.
51) ZfVk. 15, 318.
52) Baumgarten Jahr 17. Aus demselben Grunde ziehen sie nicht auf den Wochentag, an dem der erste Christtag gefallen ist: Witzschel 2, 188 (5).

3. Der Frühling naht. "Lichtmissen kalwet de Kau un legget de Häuner" 53). Ein zu Weihnachten vom Obstbaum abgeschnittener Zweig blüht zu Lichtmeß 54). Der wichtige Wendepunkt des Jahres legt allerlei Handlungen nahe, die in Haus und Hof Glück und Segen gewährleisten sollen. Um Schlangen abzuhalten, zieht in Baden ein Kind oder der Hofbauer selbst dreimal eine Kette ums Haus 55). Um viel Heu zu kriegen, muß man nachts ½ 3 Uhr auf den Heuboden gehen und ein Büschel Heu an einer Schnur auf- und abziehen 56). In Ungarn räuchert die Hausfrau ihre Kühe abends mit Weihrauch 57). Das Vieh im Stalle, das mit jungem (grünem) Getreide gefüttert wird, wird in dem Jahre nicht krank 58). Die Hühner werden besonders gut legen, wenn man alle Nester reinigt; sie verlegen nicht nach auswärts, wenn man sie aus einem kreisförmig gelegten Seil füttert 59). Damit sie nicht so viel im Garten kratzen, soll man sich am Lichtmeßtage nicht kämmen und auch nicht die Stube ausfegen 60). Um recht viel junge Gänse zu haben, werden in der Niederlausitz möglichst viel Plinze gebacken 61). An verschiedenen Orten Frankreichs läßt man die Hühner Kuchen essen, um sie zum Eierlegen zu veranlassen 62). In ganz Hessen, im Meiningschen u. a. ißt man am Aschermittwoch oder zu Lichtmeß Erbsensuppe mit gedörrten Schweinsrippen. Die abgegessenen Rippen werden später in das besäete Feld gesteckt oder in den zur Aussaat bestimmten Leinsamen 63). Männer und Frauen gehen am Lichtmeßtage ins Freie und horchen ängstlich, ob sie keine Lerche hören. Glücklich schätzt sich, wer eine hört, denn sie verkündet ein fruchtbares Jahr. Erscheint sie aber erst später, so steht ein unfruchtbares Jahr zu befürchten 64). Im Braunschweigischen "fegten" die Burschen auf dem Felde "die Lerchen", d. h. sie begrüßten den kommenden Frühling, und im gleichen Sinne nannte man in Thüringen die Sitte, am Lichtmeßmorgen die Angehörigen des Hauses mit Peitschen zu schlagen, "Lerchenwecken" 65). In Spergau b. Merseburg findet eine Frühlingsempfangsfeier mit Pflugumzug statt 66). In Stapelholm (Schleswig-Holstein) zündete man auf einem Acker ein großes Feuer an, und die Kinder umtanzten es mit dem Rufe: Lang Flaß! lang Flaß! 67). In Borsfelde in Braunschweig aß man tüchtig Semmeln in Milch, damit der Flachs gut gerate 68). In Baden und Hessen gibt es zu Lichtmeß Hirsebrei mit Bratwürsten, der das Gedeihen des Flachses verbürgt 69). Überhaupt sprechen - nach Hofier - die Gebäcke des Lichtmeßtages für den Zweck, Gesundheit der Frauen, Fruchtbarkeit der Sippe, Glück in der Getreidesaat wie überhaupt in allen häuslichen Angelegenheiten im kommenden neuen Wirtschaftsjahre erwarten zu dürfen 70). Im westfälischen Münsterlande durften Glücksspiele vorgenommen werden 71). Hier und da wird schon der Sommer- und Winterstreit dargestellt 72). Auch Sammelgänge werden unternommen. In Graben in der badischen Hardt sammelten die Burschen den "Krätzbraten" (Kratz = Rückenkorb) ein 73). In Steiermark treten die Lichtmeßsänger auf wie sonst die Neujahrssinger. Ihnen wird Brei vorgesetzt 74). In Luxemburg gehen die Mädchen mit einer weißgekleideten Puppe um und sammeln Gaben für die Mutter Gottes 75). In Westfalen wird für sie und die hl. Anna Flachs gesammelt 76).

53) Andree Braunschw. 330; ZfrwVk. 19, 49; 25, 81.
54) Sebillot Folk-Lore 3, 371 (Lüttich).
55) Meyer Baden 80. 495 f.
56) Eberhardt Landwirtschaft 5; vgl. Bohnenberger 18.
57) ZfVk. 4, 321.
58) ZfrwVk. 25, 92.
59) Ebd. 6, 196 (Minden).
60) Lemke Ostpr. 1, 90.
61) Globus 72, 353.
62) Sebillot 3, 227.
63) Mannhardt Forschungen 187 f. Vgl. Frazer 7, 300.
64) Reinsberg Böhmen 39.
65) Sartori 3, 86; Sommer Sagen 147. In Yonne fängt die Lerche an L. an zu singen, wenn man bei der Messe die Kerzen austeilt: Sebillot 3, 185.
66) Mitteldeutsche Blätter f. Volksk. 1, 4 ff. 24 ff.
67) Urds-Brunnen 5, Jahrg. 6, 122. Kück u. Sohnrey 69 f.; Mensing Wbch. 1, 216. Das einzige Lichtmeßfeuer im Rheinlande: ZfrwVk. 23, 80.
68) Hoops Sassenart 31.
69) ZfVk. 15, 317 f.; Meyer Baden 274. Vgl. oben 1, 1511. Die längste Wurst wird gegessen: Gesemann Regenzauber 29.
70) ZfVk. 15, 321.
71) Sartori Westfalen 142.
72) Geramb Brauchtum 30.
73) BadHmt. 15, 253.
74) ZfVk. 15, 317; Geramb Brauchtum 14 f.
75) Fontaine Luxemburg 17. Vgl. Sartori 3, 87 A. 17.
76) ZfrwVk. 7, 31 ff.

4. Besondere Sorge wird den Bienen zugewandt, die ja das Wachs für die geweihten Kerzen liefern. Im östlichen Böhmen umgeht jeder Grundwirt nach der Messe mit seiner geweihten Kerze, ohne erst sein Haus zu betreten, dreimal unter frommen Gebeten die Bienenstöcke, um sie dadurch vor Dieben zu schützen und den Honig zu vermehren 77). Der Besitzer von Bienenstöcken darf keine Reise, auch keinen Besuch außerhalb des Hauses machen, sonst ziehen die jungen Schwärme im nächsten Frühjahr fort 78). In Schluchsee klopft man an die Bienenkörbe mit dem Spruche: "Bineli, freued ich (euch), Lichtmess isch do" 79). Wenn bei der Lichterprozession in der Kirche der Geistliche mit brennender Kerze wieder zurückkommt, so gibt es ein gutes Bienenjahr, sonst ein schlechtes 80).

77) Reinsberg Böhmen 40 A. 1.
78) Curtze Waldeck 396 (127); vgl. oben 1, 124 f.
79) Meyer Baden 415; vgl. oben 1, 1232.
80) ZfrwVk. 25, 90.

5. Wie im Februar überhaupt 81) so treten am Lichtmeßtage die Frauen besonders hervor 82). Wie die Hausfrau auf den Hebriden den Lenz mit dem "Brüdsbett" empfängt (s. Brigitta) 83) und auf Island am 21. Februar die Göa begrüßt 84), so versammelt am Lichtmeßtage in Schweden und Norwegen die Frau ihr Gesinde vor dem brennenden Backofen, alle beugen das Knie, essen einen Bissen Kuchen und trinken "eldborgs skål" 85). Hier handelt es sich freilich wohl um ein Opfer an die Hausgeister 86). In Westfalen tanzten die Frauen im Sonnenschein mit Holundergerten in den Händen, womit sie auf die dem Tanzplatz sich nähernden Männer losschlugen 87). Auch in Mecklenburg 88) und in Schwaben 89) sollen sie im Sonnenschein tanzen, damit ihnen der Flachs gerate. Für die Wöchnerinnen ist Lichtmeß von besonderer Bedeutung 90), was wohl mit "Maria Reinigung" zusammenhängt. Vgl. unten 6 am Schlusse.

81) Becker Frauenrechtliches 34 t.
82) Sartori Sitte 3, 85; ZfrwVk. 25, 90.
83) Sartori 3, 85.
84) ZfVk. 15, 313.
85) Grimm Mythol. 1, 523.
86) ZfVk. 15, 314.
87) Ebd. 313. Vgl. auch Hüser Beitr. 2, 25 (12).
88) Bartsch Mecklenburg 2, 252.
89) Birlinger Volkst. 1, 470. Zu dem Tanzen i. a.: Frazer 1, 138.
90) ZfVk. J5, 3J6; vgl- Birlinger Volkst. 2, 168.

6. Lichtmeß ist ein Lostag erster Ordnung. In Anhalt geht am Abend das Mädchen vor das Dorf und lauscht in die Nacht.


7. Aus der Richtung, wo sie Hundegebell hört, kommt der Freier 91). In Dörfern der Lüneburger Heide schlichen sich in der Lichtmeßnacht die heiratslustigen Mädchen und Witwen zum sog. Ofenanbeten, wo sie sprachen: "Aben, Aben, ik bed di an! Bescher mi up't Johr en netten Mann usw." 92).

Vor allem ist Lichtmeß für das Wetter der kommenden Zeit und damit auch für die Fruchtbarkeit des Jahres entscheidend 93). Die Meinungen widersprechen sich freilich. Lichtmeß muß es dunkel sein, dann gibt es viele Gänse 94). "Lichtmessen dunkel, denn ward de Bur 'n Junker" 95). "Dunkle Lichtmessen bringt reichlich Essen, Lichtmeß helle bringt Mangel zur Stelle" 96). "Lichtmeß dick und trübe gibt viel Korn in die Schüne" 97). Sind die Lichtmessen dunkel, dürfen die Schäfer zu Weine gehen (Thüringer Wald) 98). Es muß stürmen und schneien 99). In Holstein legt man ein Büschel Heu auf den Düngerberg; weht es fort, so ist das ein gutes Zeichen, bleibt es aber liegen, so nehme man es wieder mit hinein, da man es noch gebrauchen muß 100). Zu Tossens heißt es aber: "Wenn es zu Lichtmeß weht, wird es teuer; wenn es windstill ist, wohlfeil" 101). Zu Lichtmeß soll derselbe Wind wehen wie zur Zeit der Roggenblüte 102). Tauwetter ist günstig. "Wenn'n Lichtmeßmorgen Druppen an'n Tun hängen, denn ward'n gaud Kurnjahr" 103). Taut es vom Dache, so tropft die Milch herab, die die Kühe in reicher Fülle geben werden (Gossensaß) 104). Hat die Gans zu Lichtmeß kein Wasser, so hat auch der Schäfer zu Marien kein Gras 105). Dagegen sagen die Esten: "Wenn der Ochs zu Lichtmeß unter der Traufe kann trinken, so findet des Hahns Schnabel an Maria Verkündigung kein Nasses", und Tauwetter an diesem Tage soll eine ungünstige Roggenernte bedeuten106). So lange die Lerche vor Lichtmeß singt, so lange schweigt sie nach Lichtmeß 107). Helles und klares Wetter an Lichtmeß bringt Schaden und kein gutes Jahr 108). "Maria Liachtmöss hall und rein, hast zwoa Küa, verkof die ein" sagt man in Paznaun (Oberinntal) 109), und im Erzgebirge: "Lichtmeß heil und klar, ist der Winter weder halb noch gar" 110).

Verbreitet ist der Vers: "Lichtmeß im Klee, Ostern im Schnee" 111). "Wenn man das Wachs bei der Sonne weiht, weiht man die Palmen bei Schnee" 112). Aber es heißt auch wieder: Lichtmeß hell und klar, bringt viel Flachs im Jahr 113). Oder auch: Maria Liachtmöss hall und klar geit a guats Koarajar 114). Oder: Lichtmissen hell un klor ward'n Schap un Jmmen god swor, oder: denn ward'n de Jmmen und de Gastgarw schwor 115). Helle Lichtmeß deutet auf eine reiche, dunkle dagegen auf eine geringe Ernte 116). In Unterwaiden hält der Volksglaube daran fest, daß am Lichtmeßtage die Sonne wenigstens einen Augenblick sich sehen lassen müsse 117). "Lichtmeß Sonnenschein bringet vier Wochen ein" 118). In Ostfriesland heißt es: Scheint am Lichtmeßtage die Sonne auf den Altar, so ist ein gut Flachsjahr zu erwarten 119); in der Grafschaft Ruppin: Wann Lichtmeß die Sonne scheint, so geraten die Bienen gut 120). Aber häufiger ist doch die gegenteilige Ansicht: Wenn die Sonne zu Lichtmeß (auf den Altar) scheint, so kommt ein langer Nachwinter 121). Die Sonne soll nur so lange scheinen, als der Reiter Zeit braucht sein Pferd zu satteln; scheint sie länger, so hat man einen späten Frühling zu erwarten 122). Wenn sie den Geistlichen auf der Kanzel anscheint, so wird es ein schlechtes Jahr 123); wenn sie in den Schafstall scheint, wird es kein gutes Schafjahr 124). "Scheint zu Lichtmeß die Sonne auf den Mist, so schließe der Bauer das Futter in die Kist" 125). Besonders häufig ist die Wendung, daß der Dachs (Fuchs, Bär) wieder auf längere Zeit in seine Höhle zurückkrieche, wenn er an Lichtmeß Sonnenschein oder seinen Schatten sehe 126). Wenn der Bär über den Berg sehen kann, so muß er noch acht Wochen in die Höhle 127). Wenn es aber regnet oder schneit, so reißt er die Hütte ein, weil er sich nicht mehr vor dem Winter fürchtet 128). Die Slovenen behaupten, am Lichtmeßtage komme der Bär aus seiner Höhle, um nach dem Wetter zu schauen; nur meinen die Kärntner, bei milden Wetter bleibe er dann draußen, bei rauhem kehre er zu seiner Lagerstatt zurück, während die Steierer, Krainer und küstenländischen Slovenen das gerade Gegenteil behaupten 129). Ist zu Lichtmeß schlechtes Wetter, macht der Dachs einen Freudensprung, und es gibt viel Obst; ist aber schönes Wetter, so bleibt er in der Höhle, und es gibt dann auch kein Obst 130). Der Schäfer sieht lieber den Wolf im Stalle als die Sonne hineinscheinen 131). Darum schließen die alten Schäfer die Tür des Schafstalles möglichst genau zu 132). Einige Wettermeinungen beziehen sich auch auf die Wöchnerinnen. Um Lichtmeß soll es wenigstens so viel schneien, daß die Gräber auf dem Friedhofe weiß werden, sonst müssen so viele Kindbetterinnen im Jahre sterben, daß ihre Leintücher die Gräber bedecken 133). Scheint die Sonne beim Weihen des L.wachses auf dieses, so ist das Jahr für die Wöchnerinnen gefährlich 134).

91) Mitteil. Anhalt. Gesch. 14, 19.
92) Nds.
13, 113.
93) Albers Das Jahr 87 ff.; Jahn Opfer gebr. 99 (Literatur); Kuck Wetterglaube 56 ff.; Volkskunde 32, 90 ff.
94) ZfVk. 1, 187.
95) Bartsch Meckl. 2, 251. Ähnlich: John Westb. 35; Kuhn Mark. Sagen 377 (3). 378 (15); Strackerjan 2, 89; Volkskunde 32, 90 ff. 96) John Erzgeb. 186.
97) Urquell 6, 15 (Grafsch. Ruppin).
98) ZfVk. 6, 183.
99) Schramek Böhmerwald 132; John Westb. 35; Pollinger Landshut 230; Birlinger Volkst. 1, 470; ZfrwVk. 2, 299.
100) ZfVk. 24, 58. 101) Strackerjan 2, 89.
102) D. Ravensberger (Heimatkalender Bielefeld) 1928, 84.
103) Bartsch 2, 252 f.
104) ZfVk. 2, 191.
105) Kuhn Westfalen 2, 118 (363: Neumark); Bartsch 2, 252.
106) Boeder Ehsten 76.
107) Grimm Mythol. 3, 439 (161: Chemnitzer Rockenphilosophie); Schnippel Ost- u. Westpreußen 8 f.; Bartsch 2, 252 (1310).
108) ZfVk. 24, 58; Urquell 6, 15; ZfrwVk. 25, 83 t.
109) ZfVk. 7, 357-
110) John Erzgeb. 186.
111) Bartsch 2, 252; John Erzgeb. 186; Zingerle Tirol 132 (1178); Wrede Eifeler Volksk." 97; Wuttke 82 (95).
112) Reiser Allgau 2, 44.
113) Birlinger Volkst. 1, 470; Reiser Allgäu 2, 44; Wrede Rhein. Volksk. 123; Bartsch 2,251.252; Strackerjan 2, 89; Urquell 6, 15.
114) ZfVk. 7- 357 (Oberinntal); Mitteil. Anhalt. Gesch.14, 19.
115) Bartsch 2, 251.
116) Witzschel Thür. 2, 188 (3); ZfVk. 6, 183; vgl. Bartsch 2, 252.
117) Niderberger Unterwaiden 3, 340.
118) Birlinger Volkst. 1, 470.
119) Grimm Deutsche Mythologie 3, 477 (1117); vgl. Strackerjan 2, 89.
120) Urquell 6, 15; Kuhn Mark. Sagen 378 (16).
121) Kuhn u. Schwartz 371 (12); John Erzgeb. 186; Wrede Rhein. Volkskunde
123; ZfrwVk. 25, 86.
122) Lemke Ostpreußen 1, 108.
123) Baumgarten Jahr 17 t.
124) Bartsch Meckl. 2, 251; vgl. ZfVk. 4, 321.
125) Bartsch 2, 252.
126) Wuttke 82 (95); Kuhn Westfalen 2, 118 (364); ZfVk. 9, 230; Birlinger Volkst. 1, 470; Meier Schwaben 2, 384; Alemannia 24, 153; Lütolf Sagen 561 (595); ZfdMyth. 2, 103; Zingerle Tirol 132 (1176); John Westböhmen 35; Wrede Rhein. Volkskunde 123; Diener Hunsrüch 226; ZfrwVk. 2, 299; 25, 84 f.; Volkskunde 32, 96 f.; Fontaine Luxemburg 18.
127) SAVk. 8, 280.
128) Drechsler 1, 53; Reinsberg Böhmen 41.
129) ZföVk. 4, 144.
130) Leoprechting Lechrain 159; Pollinger Landshut 229.
131) Kuhn Westfalen 2, 117 (362: Neumark); ZfVk. 5, 319; 9, 230; Bartsch Meckl. 2, 251; John Erzgebirge 186.
132) Knoop Posen 323 (64).
133) Schönwerth Oberpfalz 1, 207 (7).
134) ZfVk. 15. 316.

7. Kinder, die an Lichtmeß geboren sind, holt die hl. Maria bald wieder aus dieser Welt 135). Sie können "alles sehen" 136). Das Lichtmeß geborene Vieh taugt nicht zur Nachzucht 137).

135) Lammert 114.
136) HmtK. 36, 249.
137) Mitteil. Anhalt. Gesch. 14, 19. Sartori.


Marzell.