Mai


aus: E. Hoffmann-Krayer, H. Bächtold-Stäubli, Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens,
Berlin und Leipzig 1932


1. Der Mai ist die Zeit des Lenzes, der Liebe und der Hoffnung auf kommende Fruchtbarkeit. Einander "maiengrün" und einander lieb sein ist dasselbe 1). Wenn der Schlehdorn stark blüht, gibts wenig Jungfrauen 2). Am ersten Maisonntag wurden in Freiburg und Waadt die von jungen Mädchen besetzten Minneburgen (Châteaux d'Amour) von der männlichen Jugend erstürmt 3), wie überhaupt im Maimonat mannigfache Schimpfkriege ausgekämpft werden, die mit dem Siege des Sommers über den Winter endigen 4). Während der ganzen Maienzeit wurden im Luxemburgischen die Dorfmädchen, deren man habhaft wurde, von zwei Burschen hochgehoben, ein dritter kroch dreimal darunter durch. Dann versuchten die Mädchen dasselbe bei den Burschen 5). Auch der Schlag mit der Lebensrute wird dort im Mai vorgenommen 6) und anderswo das Begießen der Mädchen mit Wasser 7). Im fränkischen Jura wird es an den Mädchen vollzogen, die im Mai zum erstenmal Gras holen. Das wird als wichtige Handlung aufgefaßt, und deshalb ziehen die Mädchen dazu ihr schönstes schwarzes Mieder an 8).


1) Meyer Baden 224.
2) Leoprechting Zechrain 179.
3) Hoffmann-Krayer 157.
4) Sartori Sitte 3, 179 Anm. 46; vgl. 202 Anm. 35; oben 4,953; Rochholz Kinderlied 483 f.
5) Fontaine Luxemburg 47. Ebenso in Arel (Belgien): Globus 75, 45.
6) Fontaine 47.
7) Zingerle Tirol 154 (1309).
8) Fehrle Volksfeste 70.


2. Wenn Sprichwörter in vielen Ländern Europas vor der Hochzeit im Mai warnen 9), so geht dieser Aberglaube darauf zurück, daß im alten Rom die Totenfeier der Lemuria am 9., II. und 13. Mai begangen wurde 10). Schon bei Ovid, Fast. 5, 490 heißt es: Mense malas Majo nubere vulgus ait. In Frankreich und Italien wie in Tirol sagen die Mädchen, man dürfe nicht zu einer Zeit heiraten, wo alle Esel verliebt seien 11). Es heißt auch: Hochzeit im Mai ruft den Tod 12). Einem im Mai getrauten Paare "haftet alles an" 13). In Ambras meint man: Wer am 8. Mai heiratet, hat Unfrieden in der Ehe 14).


9) Mélusine 7, 105 ff. ; 8, 93; 9, 94. 212 ; ZfrwVk. 5, 46 ff.; Volkskunde 16, 213 f.; Ztschr. f d. deutschen Unterricht 13, 352 f. ; 14, 604 ff.; Sepp Religion 170; Uhland Schriften 3, 470; Meyer Abergl. 222; Bächtold im Sonntagsblatt d. Basler Nachrichten 1912, Nr. 19; Frazer Ovid 2, 438; 3, 123; 4, 52; Abbott Macedonian folklore 155 f.
10) Roscher Mythol. Lex. 2, 1938 f.
11) ZfdMyth. 2, 419 f.; Zingerle Tirol 19 (116); oben 2, 1017.
12) Grohmann 177 (877).
13) John Erzgeb. 92.
14) Zingerle Tirol 155 (1317).


3. Der Mai ist dem körperlichen Gedeihen des Menschen förderlich. Man soll zwischen zwei Frauentagen Eichenlaub sammeln, es ist gut für alle Schäden 15). Man sammelt Maiwürmer, legt deren zwölf in Honig und bereitet daraus ein Öl, "das ist dem Vieh mächtig gut" 16). Auch gegen den Biß toller Hunde und gegen Fieber werden solche Maiwürmer benutzt 17). Auch sammelt man frühmorgens im Tau große schwarze Schnecken in ein Glas; das daraus gewonnene Öl heilt alle Schäden, Wunden und Stiche" 18). Die Leber des im Mai gefangenen Maulwurfes gilt als Mittel gegen alle Genitalleiden 19). Wenn die Landleute den ersten Donner rollen hören, so stemmen sie sich mit dem Rücken gegen einen Baum; das soll sie vor Kreuzschmerzen bei der Arbeit schützen 20). Mädchen sollen im Mai barhaupt gehen, damit ihnen die Haare wachsen 21). Ein Kind aber darf, nicht im Mai oder bei der Baumblüte entwöhnt werden, weil es sonst weiße Haare bekommt 22). Zum Aderlassen ist der Mai die beste Zeit 23). Ein Maibad ist am allerkräftigsten und wirksamsten 24). Man unternimmt Ausflüge, namentlich auf die Höhen 25). Springprozessionen finden in Echternach und fanden früher auch in Prüm und Lüttich statt 26).


15) Drechsler 1, 116.
16) Ebd.
17) Lemke Ostpreußen 1, 91.
18) Drechsler 1, 116.
19) Höfler Organotherapie 180.
20) Knoop Posen 331 (97).
21) John Westböhmen 76.
22) Wuttke 393 (601); Grohmann Abergl. 10 (812).
23) Leoprechting Zechrain 179; Pollinger Landshut 272; Birlinger A. Schwaben 2, 94; Lammert 51.
24) Oben I, 813 ff.
25) Meyer Baden 220; SchwVk. II, 40; Sartori 3, 180.
26) Fontaine Luxemburg 54. 55 f.

4. "Wat vor Maidag wasset, dat mot met îsernen Külen in de Eren eslân werent" 27). Erdäpfel legt man gern im Mai 28). Im Kr. Minden aber heißt es: Pflanzt man Kartoffeln in der ersten Maiwoche, so werden sie wurmstichig oder pockig 29). In Schlesien soll man in der zweiten Woche im Mai keine Kartoffeln setzen, weil sie sonst schwarze Flecken kriegen 30). Im Böhmerwalde dagegen sollen am 6., 7. und 8. Mai Erdäpfel gesteckt werden 31). Kraut soll man nicht im Mai setzen, da verfault es gern 32). Auch Rüben soll man nicht säen 33). Viele säen nicht in den drei ersten, mittelsten oder letzten Tagen des Mai, das Getreide würde verkümmern 34). Wird Flachs im Mai gesäet, so gibt er schlechte Leinwand (Ostpreußen) 35). In Obereschach dagegen ist der 3. Mai der beste Tag der Hanfsaat 36). Gurken und Kürbisse soll man nicht vor dem 23. Mai säen 37). Maihühner geraten nicht 38), Maikatzen taugen nichts 39), Maieier sind unbefruchtet 40).


27) Lauffer Niederdeutsche Volksk. 112.
28) Leoprechting Lechrain 179.
29) ZfrwVk. 6, 185.
30) Drechsler 1, 115.
31) Schraniek Böhmerwald 152.
32) Leoprechting 179; ZfrwVk. 6, 184; Eberhardt Landwirtschaft 3; Sébillot Folk-Lore 3, 453.
33) SchwVk. 4, 13.
34) Sebillot 3, 453.
35) Wuttke 421 (657).
36) Meyer Baden 421.
37) John Erzgeb. 225.
38) Fogel Pennsylvania 184 (887). Sie können nur piepen: Sébillot 3, 228.
39) Volkskunde 22, 60; de Cock Volksgeloof I, 104; Mélusine 9, 94; Sébillot 3, 82. Doch gilt das Fett von einer Maikatze als gut gegen "Podagell": Jühling Tiere 342.
40) Eberhardt 20; Schnippel Ost- und Westpreußen 2, 15.

5. Eine weitverbreitete Wetterregel sagt: Mai kühl und naß füllt dem Bauer Scheuer und Faß 41). Kühler Mai bringt viel Heu und Gstreu (Stroh). Ein guter Mai ist des Tags mild und die Nacht kühl 42). Aber wenn die Bienen schon Ende Mai zu schwärmen beginnen, so ist das gut 43). Wenn die drei ersten Maimorgen Tau haben, so rechnet man auf einen nassen Monat 44). Pankratius, Servatius, Bonifatius sind die drei größten Lostage; danach schadet der Reif nicht mehr. Siehe Eisheilige.


41) ZfVk. 9, 233; ZfrwVk. 2, 300; II, 270; Bartsch Mecklenburg 2, 215; Kück Wetterglaube 7; SAVk. 12, 16; Sartori 3, 181 A. 50.
42) Leoprechting 179.
43) Schnippel Ost- und Westpreußen 2, 15; Kück 7. 44) SAVk. 12, 18.

6. Im Mai darf man kein Bett nach draußen tragen, da dann der Vogel "Kräf" fliegt und man Krebsgeschwüre bekommt (Süderstapel) 45). Vor Mai soll man aber auch kein Bett zum Lüften hinausbringen, weil das Gicht bringt 48). Unglückstage im Mai sind der 7., 8., 10. und 17. 47). In Tirol sind der 8., 10., 17., 30. verworfene Tage 48). Dagegen gilt der 3. Mai als Glückstag 49).


45) ZfVk. 23, 282 (22).
46) Ebd. 282 (25: Ditmarschen).
47) Schramek Böhmerwald 152. In Schottland der 14.: Campbell Witchcraft etc. 274.
48) Zingerle Tirol 200.
49) Schramek 152.


7. Über das Mailäuten s. Maitag.



Sartori.