Mairegen



aus: E. Hoffmann-Krayer, H. Bächtold-Stäubli, Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens,
Berlin und Leipzig 1932


Der Regen in der Walpurgisnacht, am 1. Mai 1), der erste Regen im Mai 2) und überhaupt jeder Mairegen hat besondere Kraft. Er befördert das Wachstum der Menschen, vor allem der Kinder 3), die sich daher im Mai auf den bloßen Kopf regnen lassen, wobei sie z. B. in Köln rufen:

Mairään, maach mich jroß,
Ich ben su klein we ne Fingerhoot  4).

Auch wer schon ausgewachsen ist, wächst noch, wenn er im Mairegen geht 5). Dieser befördert namentlich den Haarwuchs 6). Im Böhmerwald rufen deswegen die Kinder:

Maireg'n, Maireg'n,
Mäch' mir d'Håar lång und eb'n'  7).

Mairegenwasser hat ferner Heilkraft 8), weshalb es, wie der Märzenschnee (s. d.) gesammelt und das Jahr über aufbewahrt wird 9).

Für die Landwirtschaft gibt es nichts Wertvolleres als einen Mairegen. Diese Erfahrung betonen Rätselfragen in Märchen und Schwänken, dann Sagen und Sprichwörter fast aller westeuropäischen Völker 10).

1) Sartori Sitte 3, 181f. 50.
2) Wuttke 92 § 112; Drechsler 1, 115; 2, 148; MschlesVk. 1895/96, 12.
3) ZfdMyth. 2 (1854), 108; Wolf Beiträge 2, 366; Bartsch Mecklenburg 2, 52; Andree Braunschweig 293; Strackerjan 2, 91; Köhler Voigtland 386, 415; Seyfarth Sachsen 251; Schramek Böhmerwald 250; Birlinger Volksth. 1, 196; Meyer Baden 55; SA Vk. 8, 143, 2yo; SchwVk. 11, 41; Albers Das Jahr 210 (Elsaß).
4) Wrede Rhein. Volksk. 113. Weitere Reime bei F. M. Böhme Kinderlied und Kinderspiel (Leipzig 1897) 211 f. Vgl. dagegen Urquell 6 (1896), 16.
5) Bartsch Mecklenburg 2, 212.
6) Grohmann 52; Manz Sargans 65. Vgl. Birlinger Aus Schwaben 2, 92.
7) Verf.; vgl. ZföVk. 17 (1911), 65 = Reuschel Volkskunde 2, 57.
8) SchwVk. 11 (1921), 29ff. = Reuschel Volkskunde 2, 57; Hoffmann-Krayer 158 f.; Drechsler 2, 148.
9) Mannhardt Germ. Mythen 30. 10) Bolte-Polivka 2, 359; 3, 214 ff. Eine ausführliche Zusammenstellung bei W. Anderson Kaiser und Abt (FFC. Nr. 42, Helsingfors 1923) 18o ff., bes. 186 ff., vgl. auch 196. Dazu A. Altrichter Sagen aus der Iglauer Sprachinsel (Iglau 1920) 33 Nr. 35.



Jungbauer.