NIKOLAUS, hl.
aus: E. Hoffmann-Krayer, H. Bächtold-Stäubli, Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens,
Berlin und Leipzig 1927
Bischof von Myra in Lykien im 4. Jh., entwickelte sich in Anlehnung an den Abt Nikolaus von Sion, Bischof von Pinara, gest. 564 in Lykien, während des 6.-9. Jhs. vom einfachen Ortsheiligen zum volkstümlichsten Heiligen der morgenländischen (griechischen) Kirche 1) und des byzantinischen Reiches und rückte in seiner Stellung unter den übrigen Heiligen hinsichtlich seiner räumlichen Verbreitung und volkstümlichen Verehrung nahe an die Marias heran. Sein Kult wurde aus dem Osten in den Westen verpflanzt, wo er schon im 8. Jh. zu Rom geübt wurde und seit der Mitte des 9. Jh.s durch Martyrologien und Passionalien literarisch überliefert ist. Diesseits der Alpen machte sich der Nikolauskult zuerst im 10. Jh. bemerkbar, vermutlich infolge des Einflusses, den die byzantinische Prinzessin Theophano seit ihrer Vermählung mit Otto II. (972) auf die Wahl der Kirchenpatrone in Deutschland ausübte. Seit dieser Zeit lassen sich die ersten Nikolauskultstätten in Deutschland nachweisen, z. B. Brauweiler bei Köln. Nachdem 1087 die Gebeine des Heiligen von Myra nach Bari in Unteritalien übertragen worden waren, begann seine Verehrung im Abendland 2) immer größer und allgemeiner zu werden. In ihrem Fortschreiten glich sie förmlich einem Triumphzug. Sie ging im engsten Anschluß an die damals wichtigsten mittel- und nordeuropäischen Wasserstraßen und Verkehrsbahnen aus Italien durch Frankreich nach Deutschland, wo besonders Köln und Trier Mittelpunkte des Nikolauskultes und Ausgänge des in Deutschland ostwärts vorrückenden Zuges wurden, weiter nach Dänemark und in den hohen Norden nach Island wie auch in den ostdeutschen Siedlungsraum bis Riga und Reval. Die während des Hochmittelalters ganz Nordeuropa und wichtige Gebiete Osteuropas bestrahlende hanseatische Handels- und Verkehrsmacht wurde zum mächtigsten Förderer der Verbreitung des Nikolauskultes. Sein Festtag, der 6. Dezember, ist im Abendland zufrühest aus Neapel auf einem lateinisch geschriebenen Marmorkalender aus der Zeit zwischen 821 und 841 als Gedächtnistag (Natalis s. Nicolai) nachweisbar.
Die Wege, auf denen die Verbreitung des Nikolauskultes ganz allgemein sich vollzog, zeigen die dem Heiligen zu Ehren erbauten und geweihten Kirchen, Kapellen, Klöster und Hospize an, besonders die NikolausKirchen in den Küsten- und Hafenorten 3). Diesseits der Alpen wurden ihm in der Zeit vom 11. - 16. Jh. mehr als 2200 Kirchen erbaut, soweit sich bisher nachweisen ließ. Für die Höhe und den Umfang seiner Verehrung in den einzelnen Ländern sprechen auch die zahlreichen Standbilder 4) des Heiligen an öffentlichen Stellen oder in Kirchen sowie die große Zahl Gemälde 5) mit Szenen aus seiner Legende. Auch das Wirtschaftsleben wurde vom Nikolauskult erfaßt, wie die vielen Nikolausmarkte 6) beweisen.
Der Hauptgrund für die weite Verbreitung und außerordentliche Volkstümlichkeit der Verehrung des Heiligen wurde seine Legende 7), deren Hauptteile zugleich mit dem Kult aus dem Osten nach dem abendländischen Westen drangen. Aus diesem reichen Legendenkranz sind zunächst besonders herauszuheben: die Rettung der Schiffer aus Sturmesnot 8), auf die die Erbauung der zahlreichen Nikolaikirchen in den norddeutschen und nordeuropäischen Küstenstädten sowie die der Nikolauskapellen an Gewässern (Seen, Flüssen) 9) zurückführt, die Rettung Myras aus Hungersnot, die Erweckung dreier ermordeter Schüler zum Leben und die Beschenkung dreier verarmter Jungfrauen mit einer Aussteuer. An diese Erzählungen erinnern auch die Attribute des Heiligen: auf einem Buche drei goldene Äpfel oder Kugeln 10), oder drei Brote, oder drei Kinder in einer Kufe zu seinen Füßen, oder ein Anker. Vorzüglich die ersten drei Attribute wurden und werden in der Ikonographie verwandt. Des weiteren boten solche und andere Legenden Anlaß, den Heiligen zum Patron zu wählen, z. B. der Schiffer 11), Seefahrer, Flößer, Reisenden zu Wasser und zu Lande 12), Fischer, Brückenbauer, Kolonisten, Kaufleute und Händler (Getreide-, Wein-, Spezerei-, Leinwandhändler, Ölverkäufer), Bäcker, Apotheker, Tuchmacher und anderer Erwerbsstände. Mit solchen wirtschaftsständischen Patronaten hängt wiederum des Heiligen Schutzherrschaft über städtische Verbände, die Bruderschaften 13), zusammen, deren es vorzüglich überall für Schiffer und Schiffsherren gab. Der Glaube der Mädchen an die Hilfe des hl. Nikolaus für eine glückliche Verheiratung 14), heute noch lebendig in Italien, Frankreich, Belgien und in den Niederlanden, und das Patronat des Heiligen über die Jungfrauen überhaupt ist aus der Jungfrauenlegende hervorgegangen, die bereits in der griechischen Kirche hochbedeutsam war. Ferner wurde die Schülerlegende grundlegend für sein Patronat über die Schüler 15) und Kinder 16), nicht zuletzt auch für die weitverbreitete Sitte, Kindern den Namen Nikolaus beizulegen, um sie unter die Obhut des Heiligen zu stellen, weshalb der Name Nikolaus im späteren Mittelalter bis weit in unsere Zeit hinein einer der beliebtesten und häufigsten 17) war und auch zur Bildung zahlreicher Familiennamen 18) geführt hat. Auch die Erzählung, der Heilige sei als kleines Kind über seine Jahre stark und verständig gewesen, machte ihn zum Vorbild der Schüler. Auf die Legende von dem geraubten, aber durch des hl. Nikolaus Hilfe den Eltern wiedergeschenkten Sohne ist wahrscheinlich der Volksglaube zurückzuführen, Nikolaus gewähre kinderlosen Eheleuten Kindersegen 19). In die weitere Entwicklung dieses Glaubens gehört die Meinung, Nikolaus stehe auch den Gebärenden 20) bei, weshalb er von diesen in ihren Nöten angerufen wurde und als ihr Patron galt. Aus seinem Schutzverhältnis zu den Schülern, das in den geistlichen Schulen des Mittelalters ausgebildet wurde, entwickelte sich auch ein solches zu den "fahrenden" Leuten und weiterhin zu Dieben und Verbrechern, im Widerspruch zu der Tatsache, daß der Heilige auch als Schützer des Eigentums gegen Diebstahl angerufen wird oder wurde. Noch heute scheint das Patronat in Diebeskreisen lebendig zu sein. Auf dem Oberarm eines Verbrechers, der 1933 in Köln in Haft saß, waren zwei Verbrechertypen nebst der Bitte tätowiert: "Heiliger Nikolaus, schütz uns vor Polizei und Arbeitshaus" 21).
Sein Amt als Beschützer und Retter ungerecht Verurteilter und Gefangener, das früheste und für die griechische Kirche zugleich wichtigste Patronat, geht auf das sogenannte Stratelatenwunder zurück, durch das der Heilige drei von Kaiser Konstantin unschuldig zum Tode verurteilte Feldherren rettete, die selber früher Zeuge waren, wie der Heilige drei von einem bestochenen Präfekten verurteilte, im Kerker schmachtende Männer rettete, ein doppeltes Rettungswunder, das nach Meisen die schnelle Ausbreitung des Nikolauskultes auch im Abendland bewirkte.
Im Osten galt Nikolaus auch als Beschützer der Herden 22). Desgleichen vertraute man ihm den Schutz der Pferde und der Haustiere 23) an. In der Gegend von Leobschütz mach(t)en am Tage des Heiligen die Bauern einen Umritt 24) mit Pferden um die Nikolauskirche oder -Kapelle, damit er das Vieh vor Unglück und Seuchen bewahre. Auch gegen Ratten 26) rief man ihn an. Um sie zu vertreiben, mußte man an seinem Tage seinen Namen 26) an die Türe schreiben.
1) Anrich Hagios Nikolaos. Der hl. Nikolaos in der griechischen Kirche. Texte und Untersuchungen 1913 und 1917.
2) Meisen Nikolauskult und Nikolausbrauch im Abendlande (1931), ein Werk, das, auf breitester Grundlage aufgebaut, vorzüglich die Kerngebiete, Ausstrahlungsherde und Wanderwege des Kultes sowie die Entwicklung der volkstümlichen Nikolausverehrung im Zusammenhang mit der Legendenbildung behandelt und in den hierzu gehörigen kultgeographischen Teilen, dem ersten und zweiten Hauptteil der Darstellung, durchaus anerkannt wird, während der besonders volkskundlich wichtige dritte Hauptteil (Der Volksbrauch der Einkehr des hl. Nikolaus nach seinem Ursprung und seiner Entwicklung) wegen Ablehnung jeglicher Beziehungen des Nikolausbrauches zur Mythologie teils auch Widerspruch gefunden hat; vgl. dazu die Kritiken von: Kriss Wiener-ZfVk. 37 (1932), 42 ff.; Hoffmann-Krayer SAVk. 32 (1933), 185 f.; Trier ZfdA. 70 (1933), 54 ff.; Meuli oben 5, 1835 ff. Ferner Casel Jahrbuch für Liturgiewissenschaft II (1931), 357 ff.; Beets Museum 40 (1932), 44 ff. (Niederlande); Delehaye Analecta Bollandiana 50 (1932), 176 ff.; van Gennep Mercure de France 43 (1932), 404 f.; Bruneau Le Pays Lorrain 24 (1932), 568ff.; v. Sydow Folkminnen och Folktankar 1932, 130ff.; Siebs MschlesVolkskunde 33 (1933), 272 ff. Neue Stoffsammlung bietet Zinck Sankt Nikolaus in Sachsen, MdBlVk. 8 (1933). 181 ff.
3) Vgl. die Karte II bei Meisen a. a. O. (Beilage) und S. 126 ff.
4) Das Bild des Heiligen schützt, wie man in Schottland glaubt (oder glaubte ?), vor dem bösen Blick und Behexung, Seligmann Blick 2, 327.
5) Künstle Ikonographie der Heiligen 459 ff.
6) Sartori 3, 15; SchwVk. 4, 43.
7) Über NikolausLegenden siehe Meisen a. a. O. 546; ferner Schorderet La légende de St. Nicolas, 1917; McKnight St. Nicholas: His Legend and his role in the Christmas Celebration and other populär customs, New York 1917. Einzelne Legenden siehe Zimmerische Chronik 4, 224 ff.; Vonbun Beiträge 17 f.; Dümmler Legenden vom hl. Nikolaus, ZfdA. 35 (1876), 401; Müller Siebenbürgen 222 (Legendenschwank der Zigeuner); Heyl Tirol 119 (12), 762 (57); Schell Berg. Sagen 240 (224); ZfrwVk. 2 (1905), 315; Reiser Allgäu I, 60; Hörmann Volksleben 218.
8) Der Heilige wird daher in Weiheformeln für ausfahrende Schiffe angerufen, siehe Franz Benediktionen 1, 627.
9) Vgl. z. B. Lütolf Sagen 102; Vonbun Beiträge 17; Birlinger Aus Schwaben 1, 488.
10) Vgl. dazu Benediktinische Monatsschrift 12 (1931), 538. Die Bemerkung Höflers über die Beziehung des Apfels zur männlichen Fruchtbarkeit ZfVk. 1 (1891), 304 ist in Verbindung mit dem Attribut des hl. Nikolaus abwegig und entspricht Höflers Sucht, Beziehungen überall und um jeden Preis zu schaffen. 11) Vgl. z. B. Wolf Beiträge 2, 113 nach Lasicius, siehe unter 22; Birlinger Aus Schwaben 1, 193; Fontaine Luxemburg 112; Hay Volkstümliche Heiligentage (1932), 314. Über Mythologisierungen dieses Patronats vgl. Waser Charon 8 (4); ZfVk. 12 (1902), 80: Poseidon in Griechenland verdrängt durch den hl. Nikolaus, Nikolauskapellen an gefährdeten Küstenorten; Meyer Poseidon in Roscher 3, 2798, 8 ff.: der hl. Nikolaus als christlicher Ersatzmann für Poseidon.
12) Birlinger Aus Schwaben 1, 44: "den reisenden zu waßer und zu land anbefohlen..."; Baumgarten Aus der Heimat 1, 31; St. Nikolaus Patron gegen Feuers- und Wassersgefahr Fontaine Luxemburg 108.
13) Meisen a. a. O. 366 ff.
14) Ebd. 232 ff.
15) Wolf Beiträge 2, 113; ZfVk. 4 (1894), 100. Kings College in Cambridge wurde z. B. bei seiner Gründung 1443 unter den Schutz des hl. Nikolaus gestellt, Meisen a. a. O. 322.
16) Meisen a. a. O. 257 ff.; RTradpop. 2, 609; 3, 651; 4, 88. 640 ff.
17) Egerl. 17 (1913), 33 ff.; Fox Saarland 66 f.; Wrede Eifel2 137.
18) Nied Heilige 9 ff.
19) Vgl. Kuhn und Schwartz 469; Vonbun Sagen 17; SchwVk. 3 (1913), 78; Meisen a. a. O. 253 ff. Sollte nicht auch das Attribut der drei Kinder in der Kufe zu diesem Glauben beigetragen haben?
20) Cäsarius Dialogus 8, 76 (Strange 2, 144f.). Sein Name wird freilich in kirchlichen Segensformeln für Gebärende (wenigstens bei Franz Benediktionen) nicht erwähnt.
21) Westdeutscher Beobachter Nr. 313 vom 7. 12. 1933.
22) Joh. Lasicii Poloni de diis Samagitarum libellus (etwa um 1580), herausgeg. v. W. Mannhardt, mit Nachträgen von A. Bielenstein (1868), 93/95. Hängt mit diesem Patronat das Verbot zusammen, am Nikolaustage zu spinnen ? Vgl. Wuttke 402 (619). In Ostpreußen heißt (hieß?) es, spinne man an diesem Tage, so falle der Wolf in die Herde, ebd. 437 (687); ebd. 87 (104): an diesem (Nikolaus)Tage kommen Wölfe zusammen.
23} Drechsler Haustiere 12.
24) Drechsler 1, 19; 2, 116.
25) Schnell S. Nicolaus 1 (1883), 37; Schleicher Sonneberg 140.
26) Wuttke 4OO (616).
2. Der an den Festtag des Heiligen sich knüpfende öffentliche und häusliche Volksbrauch 27), der Umzug des hl. Nikolaus, seine Einkehr und seine Gabenspende, wuchs infolge der vielfältig sich gestaltenden, landschaftlich mitunter sehr verschiedenen Einzelzüge zu einer sinnverwirrenden Fülle der Erscheinungen aus. Bei diesem Brauch erscheint der Heilige nicht als streng kirchlicher Amts- und Würdenträger, sondern als Träger eines bestimmten Amtes gegenüber der Kinderwelt, je nach Bedarf als deren Begaber oder Zuchtmeister. Bei seiner Verlebendigung trägt er volkstümliche, landschaftlich verschiedene Bezeichnungen, meist Kurzformen seines Namens ohne oder mit sanctus in mundartlicher, durchweg mit dem Namen zusammengewachsener Prägung. Es wäre eine keineswegs unnütze Arbeit, diese Namen nach ihrer Standörtlichkeit im einzelnen noch genauer und im ganzen umfassender, als es bisher 28) geschah, festzustellen und gegeneinander und nach den konfessionellen Gebieten abzugrenzen und zu prüfen, wie weit sie alt und bodenständig sind, zum Namen Nikolaus gehören oder Übertragungen anderer auf ihn oder seine Vertreter oder von ihm auf die ihn verdrängende Schreckgestalt (siehe unten) darstellen. Bei einem ersten flüchtigen Überblick tritt eine Reihe Typen landschaftsweise hervor: Sinterklaas (Niederlande) 29), Zinterklos (nördliches Rheinland bis in den Kölner Bereich) 30), Heiliger (helije) Mann (Kölner Bereich) 31), Pelznickel (rechtsrheinisch, Bergisches Land, evangelisch) 32), Belsnickel (südlicher Hunsrück 33), Rheinpfalz) 34), Boozenickel (südlicher Hunsrück) 35), Sünnerklaas (Ostfriesland) 36), Sunner-Klaus (Wangeroog) 37), Klawes (Hannover) 38), Ruhklas (Mecklenburg) 39), Busseklas oder Bôklaus (Braunschweig) 40), Klos, Santiklos, Santiklaus (Schwaben) 41), Sante, (Schante) Klas, St. Niklas (Oberschwaben, katholisch) 42), Seneklos (Lechrain) 43), Santi- oder Samichlaus, Sannachlas (Schweiz) 44), Nikló, Nikoló (Oberbayern 45) und Böhmerwald) 46), Niglo (Niederösterreich 47), Südwesten), Hel-Niklos (Franken 48), nordöstliches Bayern), Herrsche-Kloes (Henneberg 49), in der Rhön), Niklos, Nikelos (Mittel- und Oberrhein) 50). In einigen Gegenden trat oder tritt er unter Namen wie Ruprecht 51), Nußmärte (Schwaben) 52), Pelzmärte 53) u. a. auf, die sofort in eine andere Richtung weisen und andeuten, daß in dem Nikolausbrauch zwei Ströme zusammengeflossen sind.
27) Meisen a. a. O. 390 ff.
28) Ebd. 35 ff.
29) Ebd. 10 ff.
30;) Wrede Rhein. Volkskunde2. 229.
31) Ebd.
32) Meisen a. a. O. 36.
33) Diener Hunsrück 220.
34) Becker Pfalz 286.
35) Diener Hunsrück 220; Meisen a.a.O. 36.
36) Strakkerjan 2, 32. 100; Nds. 5 (1899/1900), 76 f.
37) Siebs Die Wangerooger (1928), 39 f.
38) Kühn und Schwartz 402.
39) Bartsch Mecklenburg 223.
40) Andree Braunschweig 230; Kuck und Sohnrey 30; Hoops Sassenart 11.
41) Birlinger Aus Schwaben 2, 2; Meyer Baden 33; Kapff Festgebräuche 2.
42) Meier Schwaben 2, 465 (214).
43) Leoprechting Lechrain 203.
44) SAVk. 3, 225; 2, 167; Schweizld. 3, 687.
45) ZfVk. 1 (1891), 304.
46) Schramek Böhmerwald 113.
47) Vernaleken Mythen 286.
48) Panzer Beitrag 2, 118.
49) Spieß Fränkisch-Henneberg 101ff.; Heßler Hessen 2, 91.
50) Hoffmann Rheinhessen 235; Becker Pfalz 286.
51) Montanus Volksfeste 56: Sachsen und Thüringen.
52) Birlinger Volkstheater 2, 5.
53) Meyer Baden 62.
3. Hauptgegenstand des Volksbrauches bildet die Einkehr 54) des Heiligen, der entweder in eigener Person und meistens mit Begleitung am Vorabend seines Festes in die einzelnen Häuser geht oder aber, ohne selber wahrgenommen zu werden, in der Nacht erscheint. Schon geraume Zeit vorher beginnen die Kinder abends noch eigens zum hl. Nikolaus zu beten und die Zahl der Gebete in ein meist vierkantiges Hölzchen oder Stäbchen einzukerben, um dieses dem Heiligen als Beweis ihres frommen Fleißes vorzuzeigen. Oder sie legen ein solches Kerbholz oder Klosahölzle 55), Samichlaus-Hölzli 56), St. Nikolaus-Beile 57), Chlause-Bein 58), St. Nikolaus-Bengel, Bet-Tessle 59), Vaterunser-Hölzle 60), Betholz und wie es sonst 61) heißen mag neben den Teller. Hierbei handelt es sich um einen aus kirchlich-religiöser Pädagogik erwachsenen Brauch und Gegenstand. Auch in Verschen und Liedchen wird St. Nikolaus herbeigewünscht 62), zuweilen in solchen auch verspottet 63). Was soll man von dem anscheinend ganz vereinzelt geübten Brauch halten, demzufolge man am Tage vor Nikolaus Stoffe, z. B. Abfälle aus dem Flachsbrechen (Äschwingen), anzündete und abbrannte, um den Klaus günstig zu stimmen und zu bewirken, daß der böse Klos nicht komme 64) ?
54) Über deren geographische Verbreitung siehe die Karte II bei Meisen a. a. O. (Beilage).
55) Birlinger Aus Schwaben 2, 2: vierkantig, 1' mit wagerechten Schnitten für Vaterunser, mit Kreuzchen für Glauben; Meyer Baden 61; Walther Schwab. Volkskunde (1929), 130.
56) Schweizld. 2, 1259.
57) Schäli Heimelige Zeiten 16f.; Rütimeyer Urethnographie 21; Niderberger Unterwalden 2, 9; Estermann Rickenbach 193 (Luzern).
58) Bächtold-Stäubli St. Nikolaus (Die Garbe 5 [1921/22], 138): Klausenbein oder Baiele, Kt. Zug.
59) Schweizld. 3, 692.
60) Reiser Allgäu 2, 4.
61) Vernaleken Alpensagen 339 f.; Vonbun Sagen 6, 16; Lütolf Sagen 98; JbElsaß-Lothringen 3, 131 (Kreis Altkirch); 12, 197 (Kreis Thann).
62) Wolf Beiträge 2, 115; Ludwig von Hörmann Tiroler Volksleben 215; Wrede Rhein. Volkskunde2 230; vgl. auch Sartori 3, 16.
63) Wrede a. a. O. 230.
64) ZfVk. 1 (1891), 304; Reiser Allgäu 2, 7.
Der Heilige zeigt sich entweder in vollem bischöflichen Ornat 65) oder als ein in einen weißen Mantel oder in ein weißes Laken vermummter Mann 66) mit langem weißen Bart 67) und mit einem breitkrämpigen Hut 68) auf dem Kopf und ist in solchem Aufzug meist immer ein gütiger Nikolaus oder der gute Klos, der Gabenspender. Oder es tritt an seiner Stelle ein in phantastischer, schreckhafter Weise Vermummter 69) auf, in rauhen Pelz 70) gehüllt und mit Sack und Rute ausgerüstet und mit Ketten 71) rasselnd, oder in eine Tierhaut 72) oder in Erbsenstroh 73) gehüllt, auf solche Weise als böser Klaus und als ein wahrer Tatermann und Zuchtmeister der Kinder sich zeigend, in der bischöflichen Verkleidung vielfach zu Roß 74), genauer auf einem Schimmel 75) reitend oder auf einem Esel 76). Sicherlich nur vereinzelt ist oder war es, wenn, wie in Blankenheim (Eifel), am Nikolaustage eine maskierte Person auf einem ebenfalls maskierten Ochsen 77) von Haus zu Haus reitet oder ritt, um die Kinder zu beschenken oder zu bestrafen. Vielfach werden Schimmel oder Esel von Burschen mittels Laken und Gestellen vorgetäuscht 78). Er kommt selten allein, meistens begleitet von einer ändern, geisterhaft oder schreckhaft verkleideten Gestalt oder von einer lärmenden Schar, durchweg Schreckgestalten in verschiedenartiger Maskierung, den sogenannten Sinterklazen, Klazen (Niederlande) 79), Chläusen (Schweiz) 80), Klausen (Bayern-Österreich) 81). Das wilde Lärmen und Jagen ist unter dem Namen Klaus- oder Klosenjagen 82) bekannt. Nur ganz vereinzelt zeigt sich in der Begleitung des Nikolaus neben der Schreckgestalt (Bocks- oder Teufelsvermummung) oder an deren Stelle eine lichte Gestalt, ein Engel 83) oder das Christkind 84) oder ein weißgekleideter Diener 85). Solche Gestalten sind offenbar jüngere, aus dem kirchlichen Kult hervorgewachsene Zutaten. Vielfach tritt um die Zeit des Nikolaustages oder vor oder nach Weihnachten eine Schreckgestalt selbständig und unter besonderem Namen 86) auf, die nichts mit dem hl. Nikolaus zu tun hat und eine rein christliche Deutung nicht gestattet, oder es treten ebenfalls selbständig eine ganze Reihe von mehr oder minder gleichmäßig vermummten Schreckgestalten schwarmweise auf, zwölf 87) an der Zahl oder mehr 88), ebenfalls Klause oder Klosen 89) oder Ruhklase 90) genannt, sei es in Gestalt dämonenartig Vermummter mit Schellen und Lärmgeräten, vielfach auch mit Fackeln oder Pechkränzen 91) in den Händen, sei es als "Bischöfe" 92), die sich aber nicht immer friedfertig gebärden. Nicht belanglos wäre es, auch hier wiederum die standörtlichen Verhältnisse genauer abzugrenzen und die Einzelzüge solchen Klausjagens noch genauer festzustellen, sie auf ihre Urtümlichkeit und ihre modernen Zutaten 93) näher zu prüfen und anderes mehr. Nicht unwesentlich ist hierbei die Feststellung, ob und wo solche Schwarmzüge Gaben empfangen 94) anstatt solche zu spenden, ferner, wo solcher Mummenschanz um die Zeit des hl. Nikolaus überhaupt fehlt 95) oder fehlte, und nicht zuletzt, wo etwa früher oder jetzt noch am Nikolaustage eine Strohpuppe umhergetragen wurde, wie z. B. in Dörfern des Siegerlandes 96).
Wrede.