PFINGSTEN



aus: E. Hoffmann-Krayer, H. Bächtold-Stäubli, Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens,
Berlin und Leipzig 1932


1. Veranschaulichung der Herabkunft des h. Geistes. Arbeitsruhe. -
2. Glücks- und Unglückszeit. Geister und Hexen. Abwehrmittel. -
3. Pflege der abgeschiedenen Seelen. -
4. Reinigungen. Maien. Kampf zwischen Sommer und Winter. Fruchtbarkeitsbräuche. Sorge für Garten und Feld. Gesundheitszauber für Menschen und Vieh. -
5. Hirtenfestzeit. -
6. Loszeit.

1. Pfingsten ist im christlichen Kirchenjahre der Schlußpunkt eines zusammengehörenden Zeitraumes, der mit Ostern beginnt und 50 Tage umfaßt 1). Die Kirche feiert die Ausgießung des h. Geistes über die Apostel und Jünger 2) und damit den Geburtstag der ersten Christengemeinde 3). Früher war es in manchen Gegenden z. B. in Sizilien üblich, Rosen von der Decke der Kirche herabfallen zu lassen, um das Pfingstwunder zu veranschaulichen 4). In Deutschland schwebte bis in die neueste Zeit der h. Geist in Gestalt einer lebenden oder hölzernen Taube an einem Seil vom Chor oder der Kirchendecke hernieder 6). Wohin der Vogel, wenn er nicht mehr schaukelte oder sich drehte, blickte, von daher, hieß es in Tannheim, werde man die erste Leiche tragen 6). In Augsburg kam neben der Figur des h. Geistes auch Zucker- und Backwerk herab 7). In Schwyz bringt während der Pfingstwoche der Küster den "Heiliggeist" in Form eines großen Kreuzes in die Häuser. Das Haus wird durchräuchert, damit der Geist darin Wohnung nehme 8). Zu gleichem Zwecke muß man in Oldenburg am Pfingstfest die Haustür lange offen stehen lassen 9). Die Russen füllen die Kirchen mit Ahornzweigen an; der Geist soll über diese herabfahren 10). Ähnlich wird in Totzau bei Karlsbad die Wohnung mit Zweigen geschmückt, damit der h. Geist ausruhen kann 11). Am Pfingstsamstag nachmittags soll man nicht auf das Feld gehen, behaupten die Bauern am Isonzo, denn man verscheucht sonst den h. Geist, der sich über die Felder ergießen will 12). Im Ybbstal in Niederösterreich steigt man am Pfingstmorgen auf die Berge, um den h. Geist anzurufen. Man nennt das "Heiligen-Geist-Fangen" 13). Die Stöckerer - so spottet man in Windischgarsten - standen einst am Pfingsttage sehr früh auf, um den h. Geist zu fangen, der vor Sonnenaufgang umflöge 14). Das "Zungenreden" hat sich in der "Pfingstbewegung" neuerer Zeiten gelegentlich seltsam bemerkbar gemacht 15). In älteren Zeiten waren in der ganzen Woche nach Pfingsten die knechtlichen Arbeiten verboten 16). Es ist wohl noch ein Nachklang davon, wenn an der Nahe und Blies auch noch am Mittwoch nach Pfingsten niemand im Felde arbeiten darf. Pflügt man an diesem Tage oder arbeitet man in einer Wiese, so wird alles voll Maden 17). Die Russen halten es für Sünde, am 10. Mai oder am Pfingstmontag zu graben oder zu pflügen; dann hat die Erde Namenstag 18). Im Erzgebirge soll man am 1. Pfingsttage auch nicht mähen, sonst sind alle gegen ein Gewitter angewandten Schutzmittel umsonst 19). Nackte Tänzer, die den Pfingsttag entheiligt haben, sind in Stein verwandelt worden 20).


1) Kellner Heortologie 84.
2) Apostelgesch. cap. 2.
3) Schmidt Geburtstag 130.
4) Kellner 88. Die Gläubigen nehmen diese Blumen mit nach Hause und benutzen sie als Zaubermittel gegen Feuer, Motten und Holzwürmer: Trede Heidentum 4, 370.
5) Sartori Sitte und Brauch 3, 216; Hoffmann-Krayer 161f.; SchwVk. 11, 43. 55; Geramb Brauchtum 44; Wüstefeld Eichsfeld 99f.
6) Reiser Allgäu 2, 141.
7) Birlinger A. Schwaben 2, 182. Auch in Obersteier: Geramb 44.
8) Köln. Volkszeitung v. 7. Juni 1908.
9) Wuttke 78 (90).
10) ZfVk. 11, 436.
11) John Westböhmen 76.
12) ZföVk.4 (1898), 149.
13) Geramb 44.
14)Baumgarten Jahr 26 (Oberösterreich).
15) Güntert Göttersprache 30.
16) Kellner Heortologie 88.
17) ZfrwVk. 2, 145.
18) Zelenin Russische Volkskunde 397.
19) John Erzgebirge 27. 20) Kuhn Märk. Sagen 251f. (236).

2. Die 50 Tage von Ostern bis Pfingsten galten der Kirche von altersher als Freudenzeit 21). Der erste Pfingsttag ist ein besonderer Glückstag 22), die an ihm Geborenen sind Glückskinder 23). Wer in der Zeit von Ostern bis Pfingsten stirbt, muß in seinem Leben gut gewesen sein. In dieser Zeit stehen alle Tore zum Himmel offen, das Höllentor aber ist verschlossen. Die Seele fliegt mühelos in den Himmel. Man kann sie aber auch während dieser Zeit um sich haben, wenn man ihr in der Osternacht Wasser auf die Schwelle stellt (Romänen im Harbachtale) 24). Dagegen gilt in Hofen (Aalen) die Woche vor Pfingsten (Schwarzwoche) als Unglückswoche für Heiraten 25), und bei den Siebenbürger Sachsen darf man zwischen Ostern und Pfingsten nicht heiraten und nicht das Quartier wechseln 26). An der oberen Mühle bei Thale ertrinkt jedesmal zu Pfingsten ein Kind, wenn nicht ein Huhn, ein Hund oder eine Katze in die Bode geworfen wird 27). Geister und Spukerscheinungen werden sichtbar. Am Pfingstsonntag geht die wilde Jagd um 28). Auf der Feste Koburg zeigt sich in der Frühe des Pfingsttages ein dreijähriges Kind mit blutigen Schläfen im weißen Hemde, mit einem Zweige weißer Holunderblüten; wenn ein Mädchen es er blickt, bekommt es dieses Jahr keinen Mann 29). In einer Schloßruine bei Laufen läßt sich das "Schloßweible" allemal in der Zeit nach Pfingsten einen ganzen Monat lang nachts von 12-3 Uhr hören 30). Die Schatzjungfrau kann Pfingsten um die Mitternachtsstunde erlöst werden 31). Die Schatzblume blüht in den Pfingstnächten 32), der Schatz zeigt sich 33), ein Schatzsucher wird im Innern des Berges von Zwergen getötet 34). Am Pfingstsonntag gewinnt man den Spiegel, in dem man den Ort des vergrabenen Schatzes erblickt 35); Schatzhüter kommen hervor, so daß man von ihren Schätzen nehmen kann 38). Die versunkene Stadt steigt aus dem See 31), und Glocken läuten im Wasser oder kommen empor 38). Ein weißer Kahn mit Insassen wird in der Pfingstnacht auf dem Teich in Schöller sichtbar 39). Das kochende Wasser aus einem versunkenen Hause hört man noch immer am Pfingstmontage 40). Bei den Balkanvölkern ist der Name des römischen Rosenfestes, Rosalia, zur Bezeichnung des Pfingstfestes verwandt worden und hat sich in den Namen böser Geister umgewandelt 41). In Weißrußland wohnen die Rusalky inmitten der Flußgewässer. Am Pfingstmontag kommen sie heraus und verweilen auf dem Lande bis zum Peterstage. Sie sind gefährlich, deshalb dürfen die Ruthenen die ganze Pfingstwoche hindurch auf keine Stimme im Walde antworten 42). Vor allem treiben die Hexen ihr Wesen. Sie versammeln sich auf Kreuzwegen, um dort ihre Tränke zu brauen 43). Nach dem Glauben der Zigeuner feiern sie in der Pfingstnacht ihr Jahresfest 44). Die Schwelle muß man am Abend vor Pfingsten mit Salz bestreuen und mit Knoblauch einreiben, damit die "Bösen" den "Segen Gottes", der in dieser Nacht vom Himmel fällt, nicht vom Hause nehmen 45). Man soll am Pfingstheiligenabend nicht abfüttern und nichts ausborgen 46). Am Pfingstsonntag melken die Hexen die Kühe auf der Weide und verwandeln sich dabei in Säugetiere 47). An vielen steirischen Orten ist es daher Sitte, daß am Pfingstsonntag vor Aufgang der Sonne die Kühe im Stalle von der Bäuerin mit einer frischen Birkenrute auf den Rücken gestrichen werden, um sie das ganze Jahr vor Verhexung zu sichern 48). Zu dem gleichen Zwecke speien die Zigeuner der Bukowina am ersten Pfingsttage auf ihre Haustiere und gießen ihren Urin in die vier Ecken ihrer Wohnungen und Viehställe 49). In einigen Gegenden Unterkrains fürchtet man am Pfingstsonntag vormittags die Kühe auf die Weide zu treiben, denn es könnten Hexen sie melken kommen und dann gäben sie das ganze Jahr hindurch Blut statt Milch 50). Durch den Laubschmuck der Kirche hindurch kann man zu Pfingsten die anwesenden Hexen sehen 51). Schießen und das an vielen Orten geübte Peitschenknallen soll die bösen Mächte vertreiben 52). Wenn man am Pfingstmorgen eine Handvoll Bohnen über das Hausdach wirft oder auf die Zaunpfähle die Schädel gefallener Pferde und Rinder steckt. können Hexen und Teufel den Hofraum nicht überschreiten 53). Auch das in der Pfingstnacht geübte mutwillige Verstellen von Sachen ist vielleicht ursprünglich ein Abwehrzauber 54). Die Nacht auf den Pfingstsonntag heißt im oberen Mühlviertel (Oberösterreich) die "Unruhnacht", auch "Beosetnacht". Die jungen Burschen streifen singend und jauchzend in der Pfarrei herum und stellen die "Geiß" aufs Dach hinauf oder den Wagen. Auch im Innviertel heißt die Nacht die "Bosheitsnacht", weil da allerlei Schabernack geschieht 55).


21) Kellner Heortologie 84. 86.
22) Wlislocki Zigeuner 48.
23) John Erzgebirge 50; MschlesVk. 13, 54.
24) ZfVk. 22 (1912), 159 f.
25) Höhn Hochzeit 2, 2.
26) Haltrich Siebenb. Sachsen 286.
27) Pröhle Unterharz 6 (20).
28) ZfVk. 8, 442 (Steiermark); Schulenburg Wend. Volkst. 62.
29) Witzschel Thüringen 2, 204 (12).
30) Birlinger Volkst. 1, 76.
31) Sébillot Folk-Lore 2, 122.
32) Wlislocki Zigeuner 157.
33) Meiche Sagen 747.
34) Gradl Sagenbuch des Egesgaues 84.
35) ZfVk. 4, 401 f. (Ungarn).
36) Ebd. 403.
37) Sébillot 2, 68. 105.
38) ZfVk. 7 (1897), 118; Heckscher 361; Knoop Posen 24 (5); Sébillot 2, 400.
39) Schell Neue bergische Sagen 21 (8).
40) Herrlein Sagen des Spessart 169.
41) Urquell 1, 115. 145 ff.; Bilfinger Das germanische Julfest 104 f.; Nilsson in BRW. 2, 152; vgl. unten 3.
42) Grohmann Sagen 136; vgl. Hanusch Wissenschaft des slawischen Mythus 297 f.; Zelenin Russische Volkskunde 392 f.
43) Krauss Brauch 116.
44) Wlislocki Zigeuner 171 ff.
45) ZfVk.4 (1894), 401 (Ungarn).
46) Lemke Ostpreußen 1, 18.
47) Rosegger Steiermark 68.
48) ZfVk. 7 (1897), 251. Auch in Ungarn, damit sie reichlich Milch geben. In der Szegeder Gegend schlägt man sie mit Brennesseln: Ebd. 4, 401.
49) Wlislocki Zigeuner 120. Die Kalotaszeger Frau uriniert am Pfingstsamstag auf einen Besen und wirft ihn auf das Hausdach: ZfVk. 4, 401.
50) ZföVk. 4 (1898), 149.
51) Lippert Christentum 640.
52) Sartori Sitte 3, 190f., vgl. 200; Ders. Westfalen 160; Fehrle Volksfeste 63; Kapff Festgebräuche 18. In Dürrnberg bei Hallein schießt der Bauer morgens im Obstgarten "den heiligen Geist herab": Jahrbuch für historische Volkskunde 2, 102 Anm. 47.
53) W1islocki Zigeuner 125.
54) Sartori 3, 191 Anm. 2.
55) Baumgarten Jahr 26.


3. Eine besondere Pflege der abgeschiedenen Seelen zu Pfingsten kommt namentlich bei verschiedenen Völkern der Balkanhalbinsel und in Rußland vor, wo der Name des römischen Festes der Rosalia zur Bezeichnung der Pfingsten geworden ist 56). In fast allen Ländern der griechischen Kirche wird ein Totenfest mit Weihung von Broten, Friedhofsbesuch, Spielen und Tänzen am Sonnabend vor Pfingsten begangen 57). Bei den Sorben dagegen ist es am Pfingstnachmittag überall stumm. Die Leute besuchen den Gottesacker; es ist ein Bußtag 58). In der Frühe des Pfingsttages begehen die Zeltzigeuner Osteuropas ein Totenfest. Jeder geht vor Sonnenaufgang für sich allein zu einem Baume oder Felsen und zerschellt an ihm so viel Eier, als er Verwandte zählt, an deren Tod er sich noch erinnern kann. Diese Eier werden gewöhnlich aus Lerchennestern genommen, denn die Lerche ist der Lieblingsvogel der noch nicht ins Totenreich gelangten Seelen 59). Damit man das ganze Jahr hindurch keinen Brotmangel leide, schütteln im Kalotaszeger Bezirk (Ungarn) zwanzig bis dreißig Frauen ihre Mehlsäcke in einen Sack ab, der dann am Pfingstabend von einer Frau auf den Friedhof getragen wird, wo sie den Mehlstaub auf ein beliebiges Frauengrab schüttelt 60). In Deutschland scheinen nur vereinzelte Spuren einer Gedächtnisfeier für die Toten um Pfingsten vorzukommen 61).


56) Nilsson in BRW. 2 (1918), 133 ff.
57) Ebd. 152 f. 154; ARw. 9, 455; Mansikka Religion der Ostslawen 1, 241 f. 246. 257 f. 364 f. 369; Zelenin Russische Volkskunde 368 f. 392 f.; Lippert Christentum 641.
58) Tetzner Slaven 333.
59) Wlislocki Zigeuner 158.
60) ZfVk. 4, 401,
61) Sartori Totenspeisung 53.


4. Eine große Menge von Volksbräuchen, die der Frühling überhaupt und insonderheit der Mai ins Leben gerufen hat, hat sich namentlich an das Pfingstfest angeheftet. Die Häuser werden geweißt und gereinigt 62) und mit Pfingstbesen (Ginster) gekehrt 63). Neue Wäsche anziehen bringt Glück 64). Neue Kleider stehen am feinsten 65). Alles wird mit grünen Maien geschmückt 66) (siehe Maibaum). Der Pfingststrauch, der zuerst ausgesteckt wird, ist der beste; er wird aufbewahrt, und seine Blätter sollen schlimme Wunden heilen 67). Nach neun Tagen soll man die Zweige auf die Tenne werfen, dann fressen die Mäuse nicht das Getreide 68). Ruten aus Pfingstmaien sind in der Kindererziehung besonders wirksam; Pfingstmaien an den Haustüren und Kammerfenstern halten das Böse ab und bringen Segen 69). Wenn man sie im Hause aufbewahrt, schlägt der Blitz nicht ein 70). Wenn man die Garben einzufahren beginnt, legt man als Schobergrundlage die Birkenzweige hin, mit denen die Häuser am Pfingsttage geschmückt worden sind 71). In der Krone des Pfingstbaumes schwebte früher eine hölzerne Taube als Sinnbild des h. Geistes 72). Bei den Sorben muß er am Pfingstabend gestohlen sein, sonst gilt er nicht für voll, und nachts 12 Uhr aufgerichtet sein 73). Der Gemeindemai wird nachts bewacht, damit er nicht gestohlen wird. Wenn aber die Pfingstsonne über ihm aufgegangen ist, darf er nicht mehr entwendet werden 74). Ebenso gefährdet ist die Pfingsthütte, das Laubgestell, in das ein Bursche hineingesteckt ist, im Fricktal (Aargau) 75), und der Pfingstbutz 76). Jung und alt wandert in den Wald, auf Berge und Höhen, an Brunnen und Quellen (siehe Pfingstwasser) und zu Höhlen zum frohen Empfang des Lenzes 77). Zum Schulenstein, einer Höhle an der Hönne, zieht die Jugend der Umgegend am 1. Pfingsttage mit Strohschofen, die mit Birkenreisern umwunden sind, und zündet sie in der Höhle an 78). Manche Bräuche deuten selbst in der Pfingstzeit noch auf einen Kampf zwischen Sommer und Winter 79). Auch das Todaustragen spielt sich noch hier und da ab 80). Vertreter des Frühlingssegens werden in verschiedener Gestalt getötet und ihre Kraft dadurch frei und wirksam gemacht 81). In mannigfachen Formen vollzieht sich der Wasserzauber, vor allem an den menschlichen Vertretern des pfingstlichen Vegetationsgeistes 82), und der segenbringende Schlag mit der Lebensrute 83). Die Fruchtbarkeit des Ackers wird mit magischen Mitteln gefördert 84). Bei der katholischen Bevölkerung im Zobtener Halte ist es Brauch, daß am Pfingsttage, sobald die Mittagglocke geläutet wird, die Bauern unter freiem Himmel im Garten und auf der Feldflur ein bestimmtes Pfingstgebet verrichten 85). Wer am Pfingstsonntag vor Sonnenaufgang um des Nachbars Feld geht, eignet sich dadurch dessen Wachstum an 86). In Trappold werden die Fruchtbäume am 1. Pfingsttag währens des Mittagläutens mit einem Strohband umwunden 87). Junge Paare rollen sich den Hügel hinab 88). In einigen Dörfern der Grafschaft Hohenstein tritt die "Altweibermühle" in Tätigkeit 89). Junge Hausväter werden gehögt, aber ältere Junggesellen und Jungfrauen kriegen eine Strohpuppe aufs Dach 90). Auch der menschlichen Gesundheit ist Pfingsten förderlich. Gundelrebe, an Pfingsten während der Predigt gepflückt, vertreibt Krankheiten 91). Durch Hinlegen eines über die leidende Stelle gestrichenen Lappens auf die Mitte eines Weges in der Pfingstnacht vertreiben Zigeuner Hautleiden und dgl. 92). Auch andere Mittel, um sich vor Krankheiten zu schützen, beschaffen sich die Zigeuner in der Oster- und Pfingstwoche 93) und glauben sogar, in den Pfingstnächten sich die Gabe der Unsichtbarkeit aneignen zu können 94). Wie zu Ostern, so sind auch zu Pfingsten Eierspeisen und -gebäcke besonders beliebt und werden an Nahstehende verschenkt 95). Die Kinder erhalten von ihren Paten bunte Eier 96). Die Mädchen, die ihren Burschen die Ostereier geschenkt haben, sind jetzt verpflichtet, ihnen ein Backwerk, Pfingstkränzchen genannt, zu verabreichen 97). Örtlich sind bestimmte Speisen herkömmlich 98). In Tirol muß am Pfingstsamstag abends Maibutter auf den Tisch kommen 99). Wenn man Eierkäse ißt, dann geben die Kühe viel Milch 100). Am Pfingstmorgen muß man stillschweigend vor Sonnenaufgang einen Apfel verzehren, so wird man immer gesund bleiben 101). Christian Weise behauptet, Leute zu kennen, die in der Meinung stehen, wenn sie nicht an der Pfingstmittwoche Schollen mit Knoblauch äßen, so würden sie noch dasselbe Jahr vor Martini zu Eseln 102). In Buchonien wird in Eierbier "die Stärk getrunken" 103). Am Trinken der "Schöne", das im Welzheimer Walde am Pfingstmontag im Wirtshause vor sich geht, sollen nur unbescholtene Mädchen teilnehmen 104). In Salzburg geschieht es so lange, bis man vom Stuhle fällt 105). Im Zürcher Oberland verabreichen die Bauern den Armen die "Pfingstmilch" im Glauben, dadurch ihrerseits reichen Milchertrag zu haben 106). Am Pfingstsamstag wird geweihte Kreide, Salz und Brot mit einem geweihten Kranz verbrannt und die Asche den Tieren eingegeben 107). Am 1. Pfingsttage sammelt man "Andermannhansch" (Allermannsharnisch ?) und kocht davon Tee fürs Vieh 108). In der Gegend um Lauben und Berwang ließen früher an Pfingsten die Bauern vielfach Roßnägel weihen, die dann beim Beschlagen der Rosse verwendet wurden. Man glaubte, diese würden dann den Sommer über nicht "verkrummen" d. h. krumm gehen 109). Mädchen und Burschen sollen auf dem Weg zur Kirche und auf dem Heimweg laufen und miteinander scherzen, damit das Vieh recht munter wird 110).


62) Bartsch Mecklenburg 2, 270; Lemke Ostprtußen 1, 17.
63) Kuhn Westfalen 2, 167 (469); Holschbach Volkskunde des Kreises Altenkirchen 116 (mit geschälten Birkenreisern).
64) Wlislocki Zigeuner 158; Courtney Gornisk feasts and folklore 37 f.
65) Holschbach 116.
66) Sartori 3, 205 ff.
67) Knoop Hinterpommern 180.
68) Schulenburg 254.
69) Drechsler 1, 123.
70) Engelien u. Lahn 272; John Erzgebirge 26.
71) Zelenin Russische Volkskunde 37.
72) Wrede Eifeler Volkskunde 219.
73) Tetzner Slaven 333.
74) Wrede Rhein. Volkskunde 267.
75) Mannhardt 1, 323.
76) Sartori 3, 202 Anm. 35.
77) Ebd. 3, 210 f.
78) Kuhn Westfalen 2, 169 (475).
79) Sartori 3, 202 Anm. 35; ZfVk. 7 (1897), 88 f.; Kuhn u. Schwartz 386; Frazer 4, 257.
80) Sartori 3, 202 f. Anm. 36.
81) Ebd. 3, 203.
82) Ebd. 3, 200; Fehrle Volksfeste 70 f.; Gesemann Regenzauber 69 ff.
83) Sartori 3, 201.
84) Ebd. 217.
85) Drechsler 1, 125.
86) John Westböhmen 232.
87) Haltrieh Siebenb. Sachsen 287.
88) Mannhadt 1, 480; Frazer 2, 103.
89) Nds. 9. 263. Auch in Anhalt: ZfVk. 7, 89.
90) Strackerjan 2, 80.
91) Hoffmann-Krayer 161.
92) SAVk. 14 (1910), 271.
93) Wlisloeki Zigeuner 66. 94. 120 f. 155.
94) Ebd. 157 f.
95) Sartori 3, 215.
96) Kuhn Westfalen 142 (414).
97) Fontaine Luxemburg 50.
98) Sartori 3, 215 f.
99) Zingerle Tirol 161 (1368); Sartori 3, 216.
100) Kuhn Westfalen 2, 167 (468).
101) Bartsch Mecklenburg 2, 281.
102) Grimm Mytho1ogie 3, 469 (940).
103) Hessler Hessen 2, 356.
104) Meier Schwaben 402.
105) Sepp Religion 155.
106) Hoffmann-Krayer 160 f.
107) John Westböhmen 208.
108) Kuhn Westfalen 2, 170 (479).
109) Reiser Allgäu 2, 142.
110) John Westböhmen 78.


5. Pfingsten ist vor allem eine Festzeit für die Hirten 111). Sie halten an vielen Orten am Pfingstmorgen ihren ersten Austrieb 112), und öfters ist schon von Ostern an eine besondere Weide freigehalten, die erst am Pfingsttage betreten und benutzt werden darf 113), ein Ort von besonderer Heiligkeit und Kraftwirkung 114). Wetteifernd sucht jeder die Weide zuerst zu erreichen 115). Spät aufstehen gilt - und nicht nur bei den Hirten - als Schande, und der Langschläfer kriegt einen Spitznamen oder wird anderweitig bestraft 116). Der zuletzt antreibende Hirt, die zuletzt erscheinende Melkerin verfallen dem Spott 117). Die erste Kuh wird bekränzt, wie vielfach das Vieh überhaupt 118), siehe Pfingstochse. In Fußgönheim (Ludwigshafen am Rhein) wird am Pfingstmontag morgens alles Vieh, sogar die Hunde, mit Kränzen geschmückt in Dorf und Feld herumgeführt, bei schönem Wetter oft von früh 5 bis mittags 12 Uhr. Alsdann werden die Tiere wieder in den Stall gebracht und mit jenen Kränzen gefüttert 119). Im Lüdenscheidschen erhalten die Kühe weiße Besen an die Hörner; mit diesen wird durchs Haus gekehrt, worauf man sie vor, über oder neben der Kuhstalltür aufhängt; sie werden auch noch mit Eichen- und Stechpalmzweigen geschmückt 120). An vielen Orten halten die Hirtenjungen - freilich nicht diese allein - einen Umzug durch das Dorf und sammeln dabei Gaben, namentlich Eier, ein 121). Dabei wird oft ein Tier mitgenommen 122). Weit öfter wird ein in Laub gekleideter Bursche umgeführt, der unter den verschiedensten Bezeichnungen den neuerstandenen Wachstumsgeist verkörpert 123) (Pfingstl, Pfingstblüttler, Pfingstlümmel, Pfingstmockel, Wasservogel usw.).

111) Sartori Sitte 3, 195 ff.
112) Ebd. 3, 192.
113) Ebd. 3, 192 Anm. 8.
114) BayHfte 8 (1921), 58.
115) Sartori 3, 192 f.
116) Ebd. 3, 191; Grimm Myth. 2, 655; Hoffmann-Krayer 161; Geramb Brauchtum 45; Zingerle Tirol 161 (1369); Wrede Rhein. Volkskunde 270; ZfrwVk. 11 (1914), 139; Fontaine Luxemburg 51.
117) Sartori 3, 192 ff.
118) Ebd. 3, 195.
119) HessBl. 6 (1907), 174.
120) Kuhn Westfalen 2, 167 (467).
121) Sartori 3, 196 f. Bei den Inselfriesen trägt die Jugend Kränze aus Faßreifen und gefärbtem und gekräuseltem Papier früh morgens in alle Häuser, wofür es Geschenke gibt: Globus 84 (1904), 224.
122) Sartori 3, 198.
123) Ebd. 3, 198 ff.


6. Eine besondere Loszeit ist Pfingsten nicht gerade. In der Nacht von Pfingstsonntag auf -montag gehen die Eheleute mit der Laterne in den Wald; wenn sie den Mond sehen, stirbt der Mann früher (Wien) 124). Der Zukünftige erscheint, wenn man sich in derselben Nacht einen Kranz von neunerlei Blumen aufs Haupt setzt 125). In Frankreich nehmen die Mädchen Liebesorakel an der Quelle vor 126). Nach dem Glauben der Zigeuner sollen, wenn am Pfingstmorgen Wolken am östlichen Horizonte schwimmen, in dem Jahre viele Mädchen ledig bleiben. Daher suchen die Mädchen sie durch Werfen von grünen Zweigen zu verscheuchen 127). "Sind die Pfingsten rot, ist Jakobi tot" heißt es in Steiermark 128); in Tirol: "Schönes Wetter verspricht eine gute Ernte" 129) und in Baselland: "Pfeistlen in Ehr (= Pfingsten in Ähren), in sibe Wuche wageschwer" 130).

214) WZfVk. 33 (1928), 103.
125) Meyer Baden 165.
126) Sébillot Folk-Lore 2, 251.
127) Wlislocki Zigeuner 130.
128) Rosegger Steiermark 66.
129) Hörmann Volksleben 96; Zingerle Tirol 161.
130) SAVk. 12 (1908), 16.


Sartori.