SIEGWURZ ([weiblicher] Allermannsharnisch, Schwertel; Gladiolus-Hybriden: Gladiolus palustris und Gladiolus imbricatus).

aus: E. Hoffmann-Krayer, H. Bächtold-Stäubli, Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens,
Berlin und Leipzig 1932

Rotblühende Gartenpflanze mit schwertförmigen Blättern und roten, fast zweilippigen, in lockerer Ähre stehenden Blüten. Wild wächst hin und wieder die Sumpf-Siegwurz (G. palustris). Wie die Zwiebel des Allermannsharnisches (I, 264ff.) besitzt auch die Knolle der Siegwurz eine netzartige Hülle, die mit einem Panzerhemd (Harnisch) verglichen wurde. Der Träger dieser Hülle sollte unverwundbar sein 1). Zum Unterschied von der Zwiebel des Allermannsharnisches (Radix Victorialis maris seu longae) wurde in der alten Apothekersprache die Knolle der Siegwurz als "Radix Victorialis feminae seu rotundae" bezeichnet. Beide zusammen waren "Er und Sie", plattdeutsch "He un Se" (Heken un Seken). Unter diesem Namen werden diese Knollen noch jetzt ab und zu von abergläubischen Leuten in den Apotheken verlangt. "der schwertelen (= Siegwurz ?, vgl. Schwertlilie !) wurczen by im treit, dem mag kain tüffel kayn layd noch kain schaden by lebendem lib nit getun. wer ouch dieselben Wurczellen under aines besessen [Epileptiker? s. u.] menschen houpt guot gewand tut oder darinn lait, so sait der tüfel was man in franget und flücht von danne ze hand" 2). Den kleinen Kindern hing man diese Knollen als Amulett gegen epileptische Anfälle ("Schoierken") um und nannte sie "Schreckstein" 3). Das Volk benutzte die Siegwurz auch, um in die Haut eingedrungene Splitter herauszuziehen 4).

1) Staricius Heldenschatz (1679), 77f.; Kuhn Westfalen 2, 171; Grabinski Neuere Mystik 71; Schwartz Volksglaube 150 f.; unter Sp. 1711.
2) Hs. d. 15. Jh.s: Birlinger Aus Schwaben 1, 461.
3) Schambach Wb. 320 Die Spinnstube Göttingen 7 (1930), 18.
4) Camerarius Hortus med. et philosoph. 1588, 67 = Lammert 205.


Marzell.