SONNENWENDE



aus: E. Hoffmann-Krayer, H. Bächtold-Stäubli, Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens,
Berlin und Leipzig 1932


Die Sonnenwendefeiern im Juni und Dezember scheinen auf eine festliche Begehung eines ursprünglich zweigeteilten Jahres schließen zu lassen (siehe Jahreszeiten § 1). Daß sie mit dem vorgeschichtlichen und frühgermanischen Sonnenkultus, der in abgelegenen Gegenden Mitteleuropas noch bis ins 15. Jh. hinein gepflegt worden zu sein scheint (siehe Sonne Anm. 154), zusammenhängen, wird kaum zu bezweifeln sein. Indes traten im allgemeinen schon recht früh die christlichen Feiertage St. Johannis und Weihnachten an die Stelle der heidnischen Feiern, ohne daß die bei diesen üblichen Bräuche verdrängt worden wären. Reste von solchen sind das Abbrennen des Sonnwendfeuers, das Räderrollen von den Bergen in die Täler, das Scheibenwerfen und die Begehung der Feier auf den Berghöhen. Ferner gehört das gemeinsame Abbrennen von Holzstößen, das Überspringen des Feuers, an das sich allerlei Aberglaube für die Zukunft knüpft, zur Sonnenwendefeier. Auch Ringspiel und Wettlauf sind bezeugt 1). Schließlich sei das Umtanzen eines Baumes bei der Sommer-Sonnenwende erwähnt, wie es im Harz geschah, wobei junge Mädchen einen festlich mit Eiern und bunten Bändern geschmückten Tannenbaum unter den Worten "Die Jungfer hat sich umgedreht" umwendeten (siehe Sonne § 5a). Auch sonst wird mancher Vorgang dieses Tages, der mit dem 'Wenden' zusammenhängt, als ein "irdisches Gleichnis der sich wendenden Sonne" angesehen. So meinen Fischer auf Finkenwärder, daß in der Nacht von Johannis sich jedes Wrack auf dem Meeresgrunde wende. Es ist aber verpönt, daß der Mensch irgend eine Tätigkeit vollzieht, bei der er etwas wenden muß. Den Schatzsuchern und Johanniskrautgräbern ist die Mittagsstunde dieses Tages günstig; ebenso dem, der eine Wünschelrute sucht. Die beiden Sonnenwendetage sind besonders heilig: nach verbreitetem Glauben steht an ihnen sogar die Sonne still (siehe Sonne § 5a). Die Gebräuche der Sommer-Sonnenwende verteilen sich heute teilweise auf mehrere christliche Feiertage zwischen Juni und August (siehe Mittsommer), die der Winter-Sonnenwende auf Dezember und Januarfeiertage ; man übt sie vor allem in den "Zwölfen" aus (siehe Mittwinter). Es handelt sich meist um Reinigungs-, Heilungs- und Fruchtbarkeitsriten. Die heidnischen Reste dieser Sonnenwendefeiern sind in diesem Wörterbuch unter den christlichen Festen der angegebenen Zeiträume behandelt. Man vgl. vor allem die Art. Johannes der Täufer, Johannisfeuer und Weihnacht.

1) L. Hübner Beschreibung des Erzstiftes Salzburg 2. 369f. 691.

Stegemann.