STEINSAME (Meerhirse; Lithospermum officinale)

aus: E. Hoffmann-Krayer, H. Bächtold-Stäubli, Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens,
Berlin und Leipzig 1932

1. Rauhblättler mit lanzettlichen Blättern und kleinen grünlich-weißen, trichterförmigen Blüten 1). Besonders kennzeichnend sind die weißen, sehr harten (steinähnlichen) Samen. Nach Dioskurides 2) hat der Same mit Weißwein getrunken die Kraft, den Stein (Blasenstein) zu zertrümmern 3). Der Glaube an die blasensteinlösenden Eigenschaften des Steinsamens hat sich im Volk bis auf die heutige Zeit erhalten 4).

1) Marzell Kräuterbuch 416.
2) Mat. med. 3, 141.
3) Vgl. auch Plinius Nat. hist. 27, 98: "inter omnes herbas lithospermo nihil est mirabilius" (weil auf der Pflanze "Steine" wachsen); Marzell Pflanzenwelt 77.
4) Hovorka und Kronfeld 2, 147; FL. 8, 387.

2. Wohl wegen ihres sonderbaren (steinähnlichen) Aussehens genießen die Samen der Pflanze im Zauberglauben ein großes Ansehen. In Niederbayern bediente man sich gegen den "Neid" eines "Neidsteines". Das war ein eiförmiges Stück Harz, in das diese Samen eingedrückt waren 5). Häufig sind auch die Samen des Steinsamens (zusammen mit Palmkätzchen, zerriebenen geweihten Kräutern usw.) in den Schutzbriefen (Bteverl, Froasbeten, Hexenbündli), die als Amulette gegen Verzauberung usw. umgehängt werden 6). Als Bestandteil des "Mariazeller Rauches" wird der Steinsame in Österreich zur Beförderung des Eierlegens (die Samen gleichen winzigen Eiern!) der Hühner benutzt 7). In der Oberpfalz ist "Mirhirsch" (= Meerhirse, Steinsame) ein Bestandteil des an Maria Himmelfahrt geweihten Kräuterbüschels). Um das Vieh gegen Hexerei zu schützen, wasche man es am Walpurgisabend mit Meerkraut (= Meerhirse? oder Wasserlinse [Lemna] ? ), das man in Urin gekocht hat 9).

5) Jahresberichte der naturhistorischen Vereinigung Passau 4 (1861), 150.
6) Andree-Eysn Volkskundliches 67. 146; Kummer Volkstümliche Pflanzennamen usw. aus dem Kanton Schaffhausen 1928, 103 f. (mit Abbildungen).
7) Höfer und Kronfeld Volksnamen der niederösterreichischen Pflanzen 1889, 82.
8) Marzell Bayerische Volksbotanik 54.
9) Kuhn Märk. Sagen 375.


Marzell.