Die Heuernte.

Während auf der grünen Berghöhe, wo Marbel und Madaun (mischreiche Futterkräuter) blühen, die Rinder sich fröhlich herumtummeln und das Sennervolk, von kühler Alpenluft umfächelt, goldgelbe Butter und Käslaibe bereitet, treten für die zurückgebliebenen Talleute mit Ende des Früh- und Beginn des Hochsommers zwei schwere Arbeiten ein, die sie das lustige Almleben doppelt vermissen lassen, nämlich das Einbringen des Heues und der Kornschnitt mit den dazu gehörigen Verrichtungen. Ersteres beginnt im Durchschnitt um die Sonnenwende herum, also in der ersten Hälfte des Juni, vorausgesetzt, daß Medardus und die "nasse Gret" nicht übel gelaunt sind und die Heuernte verschieben oder unmöglich machen. "Tut aber Frau Mantele (Sonne) heuen", d. h. ist der Himmel wolkenlos, dann erteilt eines Tages der Bauer oder Schaffer den Befehl: Morgen in's Heumahd!

Dieses Wort sagt den Knechten und Dirnen, was sie zu tun haben. Die Sensen werden von der Dille (Dachboden) geholt, Hammer und Wetzstein hervorgesucht, und nun geht es an's "Dengeln". Wandert man um diese Zeit Abends durch ein Dorf, so hört man fast vor jedem Gehöft den wohlbekannten gedämpften Ton, der die gewöhnliche Begleitung des Heimgartens bildet. Während nämlich die andern Hausbewohner plaudernd und pfeifenschmauchend auf der Hausbank sitzen, dengelt nebenan der Knecht die Sensen. Der Dengelstein befindet sich gewöhnlich vor dem Hause, manchmal auch hinter demselben im "Bangart" (Baumgarten). Er besteht aus einem Steinblock mit vorn senkrecht eingesetztem, gestähltem Eisenstift (Dengeleisen, Dengelstock, Unterdangel), der gerade so breit ist, daß die vom "Worp" (Sensenstiel) losgelöste "Senges" (Sense) soweit aufliegen kann, als ihre Schneide breit werden soll. Daneben befindet sich im Stein ein Grübchen mit Wasser. Der Knecht setzt sich nun rittlings auf den Stein, legt den "Wetzer" neben sich, hält mit der Linken die Sense, und zwar die Schneide nach außen, über den Eisenstift und schwingt mit der Rechten taktmäßig den Dengelhammer, daß der Ton weithin durch Dorf und Feld hallt. Von Zeit zu Zeit netzt er den Hammer mit Wasser oder spuckt wohl auch in Ermanglung dessen auf die Schneide, klopft neuerdings und prüft dazwischen, ob sie den nötigen "Dangel" (Schärfe) habe. "Die Sense muß schneiden wie Gift". Dazu pfeift er ein Liedchen oder singt ein lustiges Schnaderhüpfl, indessen sich unweit von ihm Nachbarn und Gesinde mit Politik und Dorfklatsch die Zeit vertreiben. Lang wird jedoch heute nicht geplaudert, da der Schlaf für diese Nacht ohnehin kurz bemessen ist. Mit dem Dengeln sind die Vorbereitungen für das Mähen noch nicht vollendet. Nun heißt es erst die "Sense anschlagen", d. i. das Eisen am Stiel befestigen, und zwar in der richtigen Stellung. Das ist keine so einfache Sache, wie vielleicht mancher Städter glaubt; es kann auch nicht Jeder eine "Sense anschlagen". Diese wird nämlich mit der "Hamme" (eigentlich Hinterschenkel), an der sich ein Zäpfchen befindet, in das "Worpenloch" des Stiels eingefügt und mittelst des darübergelegten "Sensenringes" und durch Keile daran befestigt, bis sie die richtige Stellung hat. Dann muß noch geprüft werden, ob, das "Krückel", d. i. der unten am Worp angebrachte rechtwinklige Ansatz, sowie der in der Mitte des Stiels befestigte Schieber oder Windel fest sitzen. Dann erst kann der alte Sepp zu seinen bereits schnarchenden Kameraden in die Kammer trampeln und sein Nest suchen.

Schon um drei Uhr pocht die starke Faust des Bauern an die Schlafkammer der Knechte. "Außer aus dem Nest!" lautet das strenge Kommando. Mit der "Toilette" ist man schnell fertig. Blaue Hosen und Joppen aus selbstgewobenem Zeug, feste Bauernschuhe, in denen die bloßen Füße stecken, und ein alter Filzhut sind für die "Manderleut" der gewöhnliche Arbeitsanzug. Die "Weiberleut", welche gewöhnlich ein paar Stunden später den Knechten folgen, tragen ihren starken Werktagsrock, darüber eine blaue oder weiße Schürze, ein Mieder und weiße, bis über die Ellbogen aufgestreifte Hemdärmel mit breitem gefaltetem Ansatz. Den Kopf bedeckt ein Tuch und ein breitkrämpiger Strohhut. Im Unterinntal (wie im Bayerischen) ziehen die Dirnen, wenn sie an abschüssigen Orten heuen müssen, weite Hosen an, und zwar über die Kittel, welche sie in erstere hineinstecken, was recht komisch aussieht. Ihr Handwerkszeug besteht aus "Garbgabeln" (Gabeln mit zwei Eisenzinken), schweren Heugabeln, dreizackig, aus Holz und vorne mit Eisen beschlagen, und Rechen, die im Vorbeigehen in das große Becken des Dorfbrunnens getaucht werden. Die Männer haben sich mit den Sensen beladen und tragen den Kumpf, d. i. die hölzerne, mit Wasser gefüllte Scheide, in welcher der Wetzstein sammt Streicher steckt, an einem Riemen um die Mitte geschnallt.

Bei ihrem Auszug hüllt noch nächtliches Dunkel die Gegend, kaum daß es im Osten ein wenig zu grauen beginnt, und die Sterne leuchten noch im vollen Glanze. Das ist die rechte Zeit zum Mähen, denn der in diesen Stunden noch immer starke Tau läßt die Sensen wie den Blitz über das Gras hinschwirren. Das Mähen ist Aufgabe der Männer, weil es, vorzüglich bei ausgedehnten Wiesen, wo man oft Tage lang damit zu tun hat, ausdauernde Kraft erfordert. Der Mäher spreizt, um festen Stand zu haben, die Füße weit auseinander, hält sich etwas vorgebeugt, faßt mit der Linken den "Worp" am "Krückel", mit der Rechten den "Schieber" und fährt so mit der Sense im Halbkreis durch das Gras. Die Linke "hebt", die Rechte "schiebt". Er muß dabei wohl Acht haben, daß er dieselbe nicht zu tief angreifen läßt, weil sonst die Sensenspitze in den Boden hineinfährt. Um dies zu verhüten, ist sie etwas nach links aufwärts gebogen. Hält der Mäher im Gegenteil die Sense zu hoch, so bleiben die niedrigen Pflanzen stehen. Eine gut gemähte Wiese muß aussehen wie rasiert. Unangenehm ist das Mähen, wenn viele Maulwurfshügel auf dem Mahde sind; auch die holzigen Stengel des häufig vorkommenden Roßkümmels spielen den Sensen arg mit. Deshalb findet man am Rande großer Wiesen oder in der Nähe der Pillen oft einen Dengelstein, auf dem die Mäher ihre stumpf gewordenen Sensen zurechtrichten können. Gewöhnlich hat der Mäher noch eine zweite gedengelte, stiellose Sense bei sich, die er an einem schattigen Baumast aufhängt und nach dem Stumpfwerden der ersten auf den "Worp aufschlägt". Das Mähen gehört überhaupt zu den anstrengendsten Feldarbeiten, besonders in einem gesegneten Jahre, wenn ein nasser Frühling das Wachstum befördert und die Feldmäuse und Werren den Grund verschont haben, so daß das Gras oft anderthalb Schuh hoch steht. Bei einer größeren Besitzung reichen die gewöhnlichen Arbeitskräfte selten aus, daher sieht sich der Bauer zeitig um rüstige Tagwerker um, denen er anständigen Lohn und gute Kost zusichert. Ersterer ist eben nicht groß; noch vor dreißig Jahren gab man den Männern einen Silberzwanziger, den Weibern einen Achtzehner per Tag, jetzt beträgt die Bezahlung um ein Ziemliches mehr. Bringen sie ihre Sensen selbst mit, was meist der Fall ist, so wird ihnen dieses eigens vergütet. Viel Wert legen die Arbeiter auf fette und ausgiebige Kost, und es passiert nicht selten, daß einem als recht knauserig verrufenen Bauern das Heu im Regen verdirbt, weil er nicht im Stande war, zu rechter Zeit zwei Taglöhner aufzutreiben.

Die Mäher mähen in der kühlen Morgenfrühe rasch vorwärts, so daß bei der Ankunft der Dirnen die niedergemähten "Mahden" (Schwaden) bereits eine ansehnliche Reihe bilden. Die Aufgabe der Dirnen ist es, dieselben "anzugarben" oder "anzuworpen", d.h. gehörig auszubreiten, weshalb sie auch je nach der Gegend "Breiterinnen" oder "Mahdstreuerinnen", auch "Worperinnen" oder "Roderinnen" heißen. Sie werfen zu diesem Zwecke das Gras mit der "Garbgabel" oder mit dem umgekehrten "Worper" (Rechenstiel) in die Höhe und schütteln es auseinander. Dabei müssen sie wohl Acht geben, daß sie nicht auf das ausgebreitete Gras treten; deshalb gehen sie rückwärts. Auf zwei, drei Mäher trifft es in der Regel eine Worperin oder Roderin. Diese muß sich daher so viel als möglich sputen, um ihrem Vorgänger nachzukommen. Gelingt ihr dies nicht und ist er am Ende des Mahdes angelangt, während sie sich noch weit zurück befindet, so nimmt der Mäher den Wetzstein aus dem Kumpfe und streicht damit dreimal quer über den Rücken der Sense, was einen schrillenden, weithin vernehmbaren Ton gibt. Dabei singt er:

Hätt' i net a so an gueten Wetzstan,
Könnt' i net so fein abmah'n,
Jtzt mueß i ihn lei (eben) g'halten
Mein' Wetzstan, den alten.

Man nennt diesen merkwürdigen Gebrauch "Roderinnenlocken" oder "Hundaufgeigen" und sagt: Der oder der haben sie "den Hund aufgegeigt" oder "den Hund gemacht". Der Begriff des Spottes liegt dabei nicht so sehr in dem Worte "Hund" als in der Gebärde des Geigens. Die Saumselige wird tüchtig ausgelacht und verspottet und hat an vielen Orten die Verpflichtung, dem Mäher ein kleines Geschenk, das sog. "Hagernestel" (von Hagen - heuen) zu kaufen, eine nicht allzu schwere Buße, besonders wenn, was häufig vorkommt, der Betreffende ihr Schatz ist. In Enneberg besteht dieses Geschenk in einem Paar seidener Strumpfbänder. Oft wetten auch die Mäher untereinander, wer eher am Ende des Mahdes anlangt, was allemal ein lautes Halloh absetzt. So geht die Arbeit natürlich flink von statten. Es ist unterdessen Tag geworden, die Sonne steigt höher und höher und trocknet den Tau vom Grase und von den Schuhen der Arbeiter. Die Männer ziehen die Joppen aus und werfen sie an den Rain oder neben dem Markstein in einem Haufen zusammen. Daneben liegt der Brodsack und das Wasserfäßchen oder ein Krug. Auf den Kleidern aber sitzt der wachsame Spitz; wehe, wenn ein vorübergehender Landstreicher sich daran vergreifen wollte! - Ein Knurren und ein Schnappen vertreibt ihm alsbald die Lust dazu. Nur der "Kuchlin" oder der Bäuerin, die soeben mit dem Eßbrett auf dem Kopfe vom Dorfe kommt, läuft er schweifwedelnd entgegen. Sie hat schwer zu tragen, eine Schüssel voll Brennsuppe und eine große Pfanne schmalziges Türkenmuß, welche beide Speisen das Frühmahl bilden. An der Umgrenzung des Mahdes findet sich wohl auch eine Feldulme oder ein paar Berberitzenstauden, in deren Schatten man sich lagern kann. Das macht sich dann ganz hübsch, wenn die ganze Schar der Knechte und Dirnen mitten im Grünen um die gemeinsame Schüssel liegt und kauert. Das Essen geht noch flinker als das Mähen. Die frische Morgenlust und die strenge Arbeit haben die Mägen ordentlich ausgenüchtert. Nach eingenommener Stärkung geht es auf's Neue an die Arbeit bis zum Untermahl oder "Neuner", das in einem Topf voll frischgemolkener Milch nebst Brot besteht. An manchen Orten, natürlich nur bei wohlhabenderen Bauern, gibt man statt Milch auch Schnaps mit Käse oder geselchtem Speck. -

Immer heißer brennt die Sonne auf die sehnigen Rücken der Mäher und auf die braunroten Arme der Roderinnen, die, weil minder an der Zahl, ihre liebe Not haben, beim Ausbreiten mit den Mähern gleichen Schritt zu halten, damit ihnen nicht "der Hund gemacht" wird. Aber wehe, wenn es einer gelingt, mit Ausbreiten ihm knapp hinter den Rücken zu kommen. Sie nimmt dann dem arglos dahin Mähenden heimlich den Wetzstein sammt Streicher, den er rückwärts im Gürtel stecken hat, heraus, entfernt sich ein Paar Schritte von ihm, zieht ihr Sackmesser und fängt nun unter dem allgemeinen Halloh der Mäher und Worperinnen ihrerseits das "Hundaufgeigen" an:

Hätt'st du net a so an gueten Wetzstan,
Könnt'st du net so fein abmah'n;
Jtz kannst 'n lei g'halten
Dein Wetzstan, dein alten.

Der mag nun schauen, daß er wieder zu seinem Wetzstein und Streicher kommt, wenn er nicht einen zweiten zur Vorsicht mitgenommen hat. Denn lange hält er's nicht aus, besonders wenn er schon die zweite Sense aufgeschlagen hat. Und da es mit Gutem nicht geht, so gibt es nicht selten eine hitzige Balgerei zwischen dem Gefoppten und der kecken Räuberin ab, bei welchem Zwischenspiel die Dirnen alle zusammenhelfen, während die Männer mit ihren Wetzsteinen eine ohrenzerreißende Musik dazu machen. Mit dem Mähen und Ausbreiten eines Tagmahdes oder Mannmahdes, wie es im Vintschgau heißt, wird man bei günstiger Witterung und bei nicht zu fettem Grase, das länger zum Trocknen braucht, in der Regel bis gegen Mittag fertig, oft schon früher. Länger zu mähen würde schon die Hitze nicht erlauben, da die Sensen bei trockenem Grase nicht mehr angreifen, sondern "darüber ausgehen". Das Mittagmahl besteht gewöhnlich in einer Riesenschicht Germnudeln oder Krapfen mit einer "Fülle" von Birnschnitzen oder Schotten, wohl auch Schottenklößen, sog. Schottenbäunzeln, und einem Wasserschaff voll kühlenden Salates.

Nach dieser lukullischen Mahlzeit wird eine kleine Stunde Ruhe gehalten. Die Mäher und Dirnen legen sich in den Schatten, Pfeifen schmauchend, schlafend oder plaudernd. Nachmittags wird das Heu noch zweimal "umgekehrt", wobei die Männer den Dirnen helfen, um es möglichst allseitig zu trocknen, und dann geht es an's "Scheiben" und "Hockern". Die Männer nehmen ihre Heugabeln und schieben, der eine von rechts, der andere von links, das ausgebreitete Heu zu langgestreckten "Scheiben" oder "Zoanlen" (Reihen, von zeinen - strecken) zusammen; die Dirnen rechen die Reste desselben sauber hinzu. Machen sie es nicht sauber genug, so wird ihnen "Hund-gerecht", ein Vorgang gleich dem "Hundaufgeigen". Dann werden die Scheiben unter abermaligem Umkehren des noch feuchten unten liegenden Heues zu klafterweit anseinanderstehenden "Hockern" geformt ("aufgehockert" oder "aufgeschobert") und diese fest zusammengeschlagen, damit das Heu hier im Freien "bahnt" (bäht) und nicht erst später in der Tenne, was ein Schimmeligwerden desselben zur Folge hätte. Bei einer großen Wiese erfordern diese Arbeiten immer eine bedeutende Zeitlänge, so daß das am Anfange des Mahdes liegende Heu hübsch trocken wird, ehe wieder an dasselbe die Reihe kommt. Bei kleineren Grundstücken mäht man zuerst ein Stück, hierauf ein zweites und arbeitet dort weiter, und wechselt so mit den Arbeiten ab, daß das Gras nach jedem Umwenden eine Weile der Sonne ausgesetzt bleibt. Die Hocker werden mit Heugabeln nochmals umgekehrt oder auch auseinandergeschüttelt und neu "gezoanelt", je nachdem es eben zum vollständigen Abdörren des Heues erforderlich ist.

So bleibt es über Nacht.

Am andern Tag, wenn der Boden vom Tau trocken ist, packt man die Hocker und streut sie wieder zu Scheiben. Gegen Mittag dreht man sie noch einmal um, dann geht es an's "Zusammenwerfen" oder "Z'sammtun". Die ganze Masse wird der Länge des Mahdes nach in zwei große gleichlaufende Haufen, "Zoan" genannt, zusammengebracht, daß zwischen beiden mit dem Wagen durchgefahren werden und links und rechts aufgeladen werden kann. Die Dirnen müssen das beim Zusammenwerfen zurückgebliebene Heu nachrechen.

Unterdessen kommt aus dem Dorfe der Leiterwagen und macht auf der Wiese Halt. Damit die Zugtiere während des Aufladens ruhig stehen bleiben, wirft man ihnen frisches Heu vor und der kleine Seppele des Bauern, der mit dem Knecht herausgefahren ist, wehrt mit einem belaubten Zweig die lästigen Bremsen ab. Dafür darf er beim jedesmaligen Hinausfahren auf dem Gaul reiten. Nunmehr wird das Heu von den Mähern, den "Aufgebern", mit den Heugabeln büschelweis, soviel als dieselben fassen können, auf den Wagen geworfen, wo es die obenstehende "Fuderfasserin" oder "Fuderladerin" gleichmäßig verteilt und fest zusammentritt. Sie muß dabei wohl Acht haben, daß die Ladung auf keiner Seite überhängend wird, denn sonst fällt die Fuhr bei der nächstbesten holperigen Wegstelle um, besonders wenn sie hoch aufgeladen ist. Das "Fuderfassen" erfordert viel Geschick und nicht Jede bringt es ordentlich zu Stande. Um das Ganze gehörig zusammen zu pressen, wird obendrauf der Länge nach in der Mitte des Fuders der "Wiesbaum" gelegt, der vorn und hinten durch straff angezogene Ketten oder Stricke am Leiterbaum des Wagens angehängt wird. Das lose, leicht herabfallende Heu recht man herunter, teils um es nicht zu verlieren, teils um dem Fuder ein regelmäßiges Ansehen zu geben, denn ein schlecht geladener Heuwagen ist der Spott und das Gelächter des ganzen Dorfes. Endlich ist man fertig, der Fuhrknecht ruft: "Hüo" und der Wagen schwankt über die Feldwege dem Dorfe zu. Polternd fährt er über die Tennenbrücke in die Tenne. Dort wird das Heu auf dem zum Heustocke bestimmten Platze abgeladen und fest eingetreten, um für die ganze aufzubewahrende Heumasse Raum zu gewinnen. Dann fährt man abermals hinaus auf die Wiese, die zweite Ladung zu holen. Mit der letzten kommen unter Hellem Jauchzen und Jodeln auch die übrigen Knechte und Dirnen heim. Im Gailtal fährt Alles auf dem Wagen mit. Der Knecht, der die Fuhre nach Hause führt, schützt sein Mädel zuletzt auf das Heu hinauf. Von einer großen Wiese gibt es eine erkleckliche Anzahl Fuder, so daß die Arbeiter erst mit dem aufsteigenden Abendstern nach Hause kommen. Daß sie dort ein tüchtiges Nachtessen erwartet, versteht sich von selbst, denn die Merendmilch ist langst schon wieder herausgearbeitet. So rasch geht allerdings das Einheimsen des Heues nur bei schönem heißen Wetter oder bei wehendem Südwinde. Bei ungünstiger Witterung kann dies oft längere Zeit dauern, wenn z. B. häufige Gewittergüsse die bereits trockenen Heuhocker einweichen, oder wenn gar ein Landregen eintritt. Droht ein solcher, so wird wohl auch am Sonntag gearbeitet; doch entschließt sich der Bauer nur in der äußersten Not, mit einer solchen Bitte an den Pfarrer heranzutreten, und läßt oft lieber sein Heu draußen verfaulen. In solchen Fällen beeilt man sich, es "aufzustanggern", d. h. man stößt mäßig dicke, mit über's Kreuz durchgesteckten Sprossen versehene Latten in den Grund und hängt daran das Heu auf. Bei besserem Wetter müssen dann die "Stanger angebrochen", d. h. das Heu neuerdings ausgebreitet, "gezoanelt" und in die Hocker zusammengeworfen werden. So verschleppt sich die Arbeit nicht selten acht bis vierzehn Tage lang zum großen Ärger des Bauern, der denn auch zu keiner Zeit so viel flucht wie beim Heumahd. Schlimm spielt auch oft heftiger Wind mit, besonders der "Radelwind", der das Heu wirbelnd zerstreut und davonträgt. Da letztgenannter den Hexen zugeschrieben wird, so wirft man oft ein Messer in den Wirbel, um die Unholdin zu verwunden.

Ein ganz anderes Bild gewahrt die Heuernte in jenen engen Bergtälern oder steilen Gründen, wo man mit dem Wagen nicht fahren kann, daher das Heu in großen Bündeln, "Buhren" oder "Faschtln" (Fahrteln) genannt, in die Tenne getragen werden muß. So ist es z. B. in Alpbach, in Paznaun, in den Seitentälern des Brixentales etc. Ein solches "Faschtl" hat ein Gewicht von anderthalb bis zwei Zentnern, wird mittelst eines Strickes zusammengeschnürt und auf Schultern und Kopf heimgetragen. In Passeier und Wildschönau hat man zum Fassen solcher "Heubuhren" natürliche oder künstlich gearbeitete Holzgabeln mit einem Querstück in Form eines langschenkligen Dreiecks, "Ferkeln" (vom romanischen furcula - Gabel), auf die man das Heu mit dem angefügten Seil zusammenbindet. Einer solchen Last mit Leichtigkeit Herr zu werden, ist kein geringer Ruhm. Ein geschickter Träger ist sehr gesucht und besser bezahlt. Wen es dann trifft, das letzte "Faschtl" einzutragen, der hat die "Braut gekriegt". Er wird deshalb feierlich eingeläutet und man beeifert sich, ihm die möglichste Ehre zu erweisen. Alle Leute, die Zeit haben, gehen ihm mit Kuhglocken und Almschellen entgegen, in ihrer Mitte einer mit einem Teller, auf dem er dem Brautträger Schnaps, Butterbrot, Honig etc. zur Erquickung bringt. Dann geht der Zug unter beständigem Geläute dem Hause zu. Kommt er in dessen Nähe, so ertönt auch die große Essensglocke auf dem Dache zum Willkomm. Daß bei diesen seltsamen Empfangsgebräuchen verschiedene Scherze und unvorbereitete lächerliche Auftritte nicht fehlen, läßt sich denken. - Auch zu Galtür in Paznaun ist der letzte Heurest, der beim letzten Bündel übrig bleibt, Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit. Er führt den seltsamen Namen "Stritscheta" und wird von der Dirne in der Schürze in den Stadel getragen.

Quelle: Ludwig von Hörmann, Das Tiroler Bauernjahr, Jahreszeiten in den Alpen, Innsbruck 1899, S. 44 - 58.
Rechtschreibung behutsam neu bearbeitet und auf den aktuellen Stand gebracht.
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