Die Wünschelrute.
von Ludwig von Hörmann.

Was wünschen sich die Menschen nicht Alles! Der eine wünscht sich Berühmtheit und Ehre, der andere Titel und Würden, ein dritter und vierter Geld - denn was für Wünsche lassen sich nicht mit einem Sack voll Dukaten befriedigen?

Geld! seufzt der Familienvater, der mehr Kinder zu Hause hat, als Gulden Einkünfte in der Woche; Geld! schmachtet sehnsüchtig das Putzdämchen im Vorbeigehen an einem Schaufenster voll prächtiger Kleiderstoffe; Geld! poltert der von Gläubigern bedrohte flotte Studio oder Lieutenant!

Geduld, Geduld, meine lieben anspruchsvollen Mitmenschen, Ich will euch in Erwägung eurer Not ein Rezept verschreiben, ein Zaubermittelchen, welches ich zwar nicht selber probiert habe, dessen Kraft mir aber der uneigennützige Erzähler desselben, ein alter Unterinntaler Bauer, mit so vielen Versicherungen beteuerte, daß ich unmöglich daran zweifeln kann.

Es ist die Wünschelrute - Zeigrute, wie sie der Tiroler nennt!

"Ja", sagte mir dieser, "wenn die Leut' von der Zeigruten wissen und dran glauben täten, so gäb's a nit so viel Noth und Elend auf der Welt. Aber jetzt hält keiner mehr etwas auf die alten Bräuche und Glauben, drum zieht auch unser Herrgott seine Hand zurück. Denn wer mit der Zeigruten was ausrichten will, der muß ein reines Herz haben und einen festen Glauben und darf keine Feindschaft und keine Sünd' auf sich haben. Bevor er sie schneidet, muß er jeden Schaden gut machen, den er dem Nebenmenschen angetan hat, und drei Tag' Rosenkranz beten. Auch eine Generalbeicht soll er ablegen und kommunizieren; am besten ist's am "neuen Sonntag" oder am Johannistag (24. Juni). Nur ein zwieseliger (gabelförmiger) Zweig von einer Weißhaselstauden ist gut zur Zeigruten; den muß er vor Sonnenaufgang mit einem nie gebrauchten Messer abschneiden und dabei sagen: "Gott grüße dich, du edles Reis." Dann kommt die Beschwörung, die ich aber nimmer recht weiß. Wenn er aber mit dem Rütel einen Schatz heben will, so muß er's mit den Händen zwischen den Spitzen halten und damit vorwärts gehen. Dort wo der Schatz ist kehrt sich die Ruthen von selber um und zeigt so den Schatz an."

"Ja aber", wagte ich bescheiden zu bemerken, "warum habt denn Ihr die wunderkräftige Rute nie probiert? Denn allem Anscheine nach habt Ihr gerade keinen Überfluß an Erdengütern."

Da tat der Bauer einen so tiefen Seufzer, daß ich glaubte, seine Seele sei mit ihm ausgefahren.

"Ja", sagte er kopfschüttelnd', "das ist eine kuriose Geschicht'! Mir blüht kein Schatz mehr. Ich hab' mir's vertan."

"Warum denn das? Habt Ihr's denn schon einmal probiert mit der Wünschelrute?" forschte ich neugierig.

"Freilich hab' ich's probiert. Ist wohl schon lang her, etwa vierzig Jahr. Ich bin dazumal a frischer Bursch g'wesen und hab' einen Schatz g'habt, a saubers Diendl - Moidl hat sie g'heiß'n - die hätt' i halt gar so gern , g'heiratet. Aber ihr Vater hat Geld g'habt und i keins; d'rum bin ich ihm nit recht g'wesen. Wie i nun so recht in mein Leid hineindenk', fallt mir ein: Wenn du's halt probieren tätst mit der Zeigruten? Richtig, a rechte Stauden hab' i bald g'funden und am neuen Sonntag geh i beichten und schneid' dann 's Rütel ab. Jetzt hab' i aber ein Örtel g'wußt, wo man schon oft hat a blau's Lichtl g'sehn; müßt's wissen, das bedeutet einen Schatz. Auf'n Abend geh' i dahin und geh' lang herum, wohl a paar Stund' lang und's Rütel will halt nix zeigen. Da auf einmal liegt a Silbertaler vor mir; i seh' ihn noch, so hat er g'funkelt und glitzert im Mondschein. I ruf: Teufel, itzt könnt's was werd'n! und laß halt an sakrischen Fluch ab in meiner Herzensfreud. Und bück' mich und heb's auf - da hab' i a Steinplattel in der Hand, g'rad so wie man's auf jeder Straßen sieht. I hab's aber g'schen g'habt, und i weiß es noch, wie i da sitz', a Silbertaler war's, und weil i g'flucht hab', hat'n die Mutter Gottes in einen Stein verwandelt. Und das laß i mir nit nehmen, Ihr mögt sagen, was Ihr wollt."

Diese letztere Bemerkung war durch ein ungläubiges Lächeln von meiner Seite hervorgerufen worden. Gegen solche Beweisführung ließ sich auch allerdings nichts einwenden. Es wäre auch vergebliche Mühe, einen solchen bockbeinigen Bauernromantiker zu belehren, denn mit Vernunftgründen richtet man gegenüber solchen Leuten in der Regel nichts aus, da sie die Sache entweder selbst erlebt, oder auf's Wenigste von ihrem "Ahndl" gehört haben wollen, und andererseits möchte ich den Faltenwurf eines solchen viereckigen Sennergesichtes sehen, wenn ich ihm vom altdeutschen Gotte Wuotan, der mit der Bedeutung des Wunsches in enger Beziehung steht, erzählen würde. Denn Wunsch bedeutet ursprünglich den Inbegriff alles Guten und Ersehnten und wurde von Wuotan, dem Allvater der gesamten Schöpfung, durch besondere Bittformeln und Opfer erlangt. So gewählte er frommen Schiffern den Wunschwind, wie er dem Würdigen Reichtum, die Wunschbörse, verlieh. Deshalb finden wir bei Schriftstellern des Mittelalters den Wuotan häufig durch den Merkur und Hermes ersetzt, an dessen glückbringenden dreiblätterigen Zauberstab die gabelförmige oder dreifach gewundene Wünschelrute gemahnt.

Quelle: Die Wünschelruthe, Ludwig von Hörmann, in: Der Alpenfreund, Monatshefte für Verbreitung von Alpenkunde unter Jung und Alt in populären Schilderungen aus dem Gesammtgebiet der Alpenwelt und mit praktischen Winken zur genußvollen Bereisung derselben. HG Dr. Ed. Amthor, 10. Band, Gera 1877, S. 341 - 343.
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