Lügenmärchen.


Ich will euch singen und will nicht lügen:
Ich sah drei gebratene Hühner fliegen,
Sie flogen also schnelle,
Sie hatten die Bauche gen Himmel gekehrt,
Den Rücken nach der Hölle.

Ein Ambos und ein Mühlenstein,
Die schwammen zusammen über den Rhein,
Sie schwammen also leise.
Da fraß ein Frosch einen glühenden Pflug
Zu Pfingsten auf dem Eise.

Es wollten drei Kerls einen Hasen fangen,
Sie kamen auf Krücken und Stelzen gegangen:
Der eine könnt' nicht hören,
Der andre war blind, der dritte stumm,
Der vierte könnt' sich nicht rühren.

Nun will ich euch singen, wie es geschah:
Der Blinde zuerst den Hasen sah
Im Feld geschwind hertraben.
Der Stumme rief dem Lahmen zu,
Da faßt ihn der beim Kragen.

Es segelten etliche über Land,
Die Segel hatten sie in den Wind gespannt,
Und segelten auf den Feldern.
Sie segelten auf einen hohen Berg:
Da ertranken sie all in den Wäldern.

Es ging ein Krebs auf die Hasenjagd:
Die Wahrheit kommt heraus mit Macht
Und bleibt nicht lang verschwiegen.
Es lag eine Kuhhaut auf dem Dach,
Die war da hinaufgestiegen.

Hiemit will ich mein Lied beschließen,
Sollt' es die Leute gleich verdrießen,
Und will nicht langer lügen,
In meinem Land sind die Fliegen so groß
Als Hierzuland die Ziegen.


Quelle: Macht auf das Tor! Alte deutsche Kinderlieder, Maria Kühn, Königstein im Taunus und Leipzig 1921, S. 122f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Werner Haas, Dezember 2005.
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