Von den Schnecken
gesammelt von Ludwig Weinold

(Kindersprüche aus Kufstein und Umgebung)

Wohl jeder Erwachsene hat als Kind Schneckgehäuse vor sich liegen gehabt und gewartet, bis das Tier aus seinem Haus herauskommt. Es ist auch etwas Wunderbares, wie sich Kopf und Fühler herausstülpen, die langen Fühler mit schwarzen, punktfömigen Augen besetzt. Jede Erschütterung bringt das Tier wieder zum Rückzug in sein Gebäude. Mit viel Geduld wartet die Kinderschar. Es bettelt und lockt das eine Kind:

"Schnecke, Schnecke komm heraus
und strecke deine Fühler aus!"

das andere

"Schnecke, Schnecke komm heraus
ich dtreich dir Kas und Butter auf!"

oder

"Schnecklein, Schnecklein, komm heraus
aus deinem lieben kleinen Haus."

Es braucht oft lange, bis sich das tier regt. Da werden auch die Verse länger:


"Schneck im Haus, komm heraus,
kommen zwei mit Spießen,
wollen dich erschießen,
kommen zwei mit Stecken,
wollen dich erschrecken.
Schneck im Haus, komm heraus."


Die Buben verlieren gar bald die Geduld und beginnen zu drohen:


"Schnecke, Schnecke, komm heraus,
sonst reiß' ich dir die Fühler aus!"

"Schnecke, Schnecke, komm heraus,
sonst kratz ich dir die Augen aus!"

"Schnecke, Schnecke, komm heraus,
sonst werf ich dir einen Stein aufs Haus!"


An dem Tier wird vor allem bestaunt, dass es stets sein Haus mit sich trägt:

"Die Schnecke ist ein kleines Tier,
doch ihr Häuschen trägt sie stets bei ihr."

"Schnecke, Schneck, winzig klein,
trägt sehr schwer ihr Häuselein."

"Mach's doch wie das Schneckelein,
die trägt ihr Häuslein ganz allein."

"Sie sieht von innen nie ihr Haus,
und geht dabei doch niemals aus."


Auch das Rätsel frägt: Welches Tier ist das stärkste der Welt?


"Die Schnecke ist das stärkste Tier,
sie trägt das schwere Haus auf ihr."


Eilig hat es das Tierlein bei deinen wanderungen nicht:


"Langsam, aber sicher
kriecht die Schnecke auf dem Bauch
sogar die steilste Wand hinauf."



Man sagt soch auch von langsamen Menschen, dass ihnen noch eine Schnecke zuvrkommen wird.
Sie verträgt aber kein Antreiben, da zieht sie sich bald in ihr Haus zurück:


"Dummer Hans, weißt du denn nicht,
dass das Schnecklein langsam kriecht?"

"Schneck, Schneck, bist doch klein,
gehst immer in dein Haus hinein."



Die Schnecke ist aber doch kein so harmloses Tier, wie es aussieht. Das wissen die Kinder von ihrem Garten. Wie schauen oft die Erdbeeren und der Blumenkohl aus?


"Schnecke, Schnecke, Böse du,
laß meinen schönen Barten in Ruh!"

" Schnecke, laß den Kohl in Ruh,
sonst kimmt die Henne, hu - hu - hu!"

"Schnecke, Schnecke, du bist klein,
wenn ich dich erwische, dann bist du mein!"


Für zwei Kinderkrankehiten sind Schnecken ein sicher wirkendes Heilmittel: Zahnweh und Warzen! Wenn man eine nackte Wegschnecke auf die Zähne legt, die ein Geschwür verurasachen, heilt dieses bald aus. Um die Warzen zum Aufbrechen zu bringen, muß eine schwarze Waldschnecke 5 bis 10 Minuten auf die Warzen elegt werden.
So ist die Schnecke in Freud und Leid mit der Welt des Kindes verbunden und kostet so wenig:


"I fahr, i fahr, i fahr mit der Post,
i fahr mit der Schneckenpost,
weils mi koan Kreuzer kost!

Quelle: Ludwig Weinhold, Von den Schnecken, in: THB 1954, Heft 7/9, S. 86
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