Vorwort.

Zu den Flurdenkmälern gehören außer Wegkapellen, Feldkreuzen usw. auch jene einfachen Gedenktafeln, wie sie die Pietät der Landbevölkerung für die Opfer eines Unglücksfalles an den Wegrändern aufzurichten pflegt.

Es ist sehr bedauerlich, daß die Mehrzahl dieser "Marterln" in der Regel nicht länger als wenige Jahrzehnte erhalten bleiben. Sobald die nächsten Anverwandten des Verunglückten verstorben sind - oft noch früher - wird die Gedenktafel vernachlässigt und durch Verwitterung usw. verschwindet das Denkmal. Und doch sind diese "Marterln" nicht nur ein Zeuge des gläubig-frommen Sinnes der Alpenbewohner, sondern zeigen uns in naiv-kindlicher weise ihre primitive Volkskunst und Volkspoesie.

Der geistvolle Kunsthistoriker Wilhelm Heinrich Riel vergleicht mit Recht "diesen Hausschatz deutscher Spruchverse", in seiner Art nicht minder reich an lauterem Golde, mit dem deutschen Volksliede.

So übergeben wir denn dies kleine Werkchen den geschätzten Lesern, hoffend, daß es ihm gelingt, Freunde zu gewinnen für alle derartigen Äußerungen eines echten, gesunden Volkslebens, eines Volkslebens, welches der verflachende Geist unserer Tage zu vernichten droht.

Meran-Mais, im Juni 1909.
Der Verfasser.

Quelle: Marterln (Votivtafeln und Feldkreuze), Aufschriften und Inschriften (Wirtshausschilder und Haussprüche), Grabschriften in Tirol, Vorarlberg und dem übrigen Österreich. Mit einem Anhang. Hg F. Pleticha, Meran-Mais 1909. S. 3