NECKARQUELLE, SCHWENNINGEN

Villingen-Schwenningen, Baden-Württemberg

Neckarquelle © Claudia Beckers

Neckarquelle, Villingen-Schwenningen
© Claudia Beckers, 2004

Der offizielle Beginnpunkt des 367 langen Neckars ist seit 1981 wieder auf der Schwenninger Möglinghöhe zu finden, nachdem die Neckarquelle im 19. Jahrhundert in das Schwenniger Moos, einen ehemaligen Torfstich verlegt worden war (vgl. Gräter 1987, 6). Das Schwenninger Moos, mittlerweile ein Naturschutzgebiet, liegt auf der europäischen Wasserscheide von Rhein und Donau und gilt als Quellgebiet des Neckars. Das Moos dient als Wasserspeicher; das Wasser fließt verschiedenen Flüssen, aber auch der historischen Neckarquelle zu. Der jahrhundertelange Torfabbau im Schwenninger Moos, welcher das Anlegen von Entwässerungsgräben erforderlich machte, trocknete den Mooskörper jedoch aus. Erst 1982 wurden Maßnahmen zur Wiedervernässung ergriffen (vgl. Das Garten- und Friedhofsamt der Stadt Villingen-Schwenningen, o.J.b). Auch die oben erwähnte Verlegung der Neckarquelle, welche im Jahre 1869 aufgrund des Baus der Eisenbahnlinie Rottweil-Villingen stattfand, hatte unangenehme Folgen: Der Quellzufluss wurde unterbrochen und der Grundwasserstand abgesenkt. Die letztendliche Rückverlegung auf das "Lettbühl" in der heutigen Parkanlage Möglingshöhe fand anlässlich des 400jährigen Jubiläums der Quelle statt. Seitdem befördert eine elektrische Pumpe das Wasser aus dem nun tiefer liegenden Quellschacht nach oben. Da die Quelle nur eine schwache Schüttung aufweist, setzt die Pumpe zeitweilig aus, bis der Pegel im Wasserschacht wieder angestiegen ist (vgl. Das Garten- und Friedhofsamt der Stadt Villingen-Schwenningen, o. J.a).

Die Neckarquelle fließt dabei aus einer steinernen Quelleinfassung, an der eine Gedenktafel mit folgender Inschrift angebracht ist:

"Hier
errichtete Herzog Ludwig von Württemberg 1581 einen Stein mit der Inschrift ‚Das ist des Neccars Ursprung". 1733 erneuerte ihn Herzog Eberhard Ludwig mit diesem Wappen.
1822 trank Württembergs König Wilhelm I aus der Quelle. Sie versiegte 1895 und wurde zur Stadterhebung Schwenningens 1907 neu gefaßt. 1934 wurde willkürlich das Schwenninger Moos als Neckarursprung bestimmt, 1981 die Quelle aber wieder an ihrem historischen Ort zum Fließen gebracht."

Neckarquelle © Claudia Beckers

Neckarquelle und Bachlauf, Villingen-Schwenningen
© Claudia Beckers, 2004

Das Wasser läuft von da aus in eine kleine gepflasterte Rinne, welche in einen noch von einem weiteren Zufluss gespeisten Bach mündet. Der Bach verschwindet jedoch schon nach wenigen Metern in einem Kanal. Das dorthin abgeleitete Wasser speist vermutlich zusammen mit weiteren Quellen einen nur wenige Meter entfernten Teich der Parkanlage Möglingshöhe.


Legende:

Sage von einer Neckarflut

"Solche Ueberlieferungen leben im Volke noch zahlreich. Die berühmteste Sage ist die vom Suckenthal, wo eine Wiege mit Kind davongeschwemmt unterhalb Buchholz im Dold einer Eiche hängen blieb. Wir haben von Julius Leichtlin und Bernhard Bader Aufzeichnungen aus dem Volksmund. Ganz interessant ist aber die Ueberlieferung offenbar derselben Sage in einer Villinger Chronik bei Mone Quellf. I, 107b. Es heißt dort: ‚der Nekher ryß alle Brükhen hinweg; ain khind in der wiegen floß ohn allen Schaden in der Wiegen uff dem Neckher, man fiengs zu Haydelberg uf."

Mündlich (zit. nach Birlinger, Anton 1874, 15)


Hintergrundinformationen aus volkskundlicher Sicht:

Interessantes über die Namensgebung des Neckars weiß Gräter zu berichten: "Wegen ihrer Unberechenbarkeit und Gewalttätigkeit hat man die ungebändigte Kraft der Flüsse im Altertum mit der des Stieres verglichen und den als göttlich personifizierten Flußdämon in Gestalt eines Stieres verehrt. Zwischen Rottenburg und Heidelberg wurden bisher sieben keltisch-römische Stierstatuetten geborgen, Weihegaben für den Flußgott Nicer." (Gräter a.a.O., 13) Die heutzutage verwendete Namensform "Neckar" existierte erst in fränkischer Zeit, seit 765. Der Ursprung dieses einsilbigen Namens ist wahrscheinlich keltisch. Rudolf Kapff hat hierzu folgende These: "Es gibt nämlich eine Stelle in der Edda, wo Odin inkognito reist und sich als Flußgott Nikkr einführt. Nikkr ist ein leiblicher Verwandter von dem aus dem Sang an Aegir rühmlichst bekannten ‚Neck und Nick' oder von der gutdeutschen Nixe! Wenn so Neckar sowohl germanisch als vordeutsch, ‚gemeint ist keltisch', sein kann, so folgt daraus, daß der dem Namen zugrundeliegende Stamm urindogermanisch ist." (zit. nach Gräter a.a.O., 16).

Das milde Klima entlang des Neckars trug schon früh dazu bei, dass sich eine Vielzahl von Pflanzen und Tieren ansiedeln konnte, welche der Ernährung der Menschen dienten. So zeigt der in Mauer gefundene Unterkiefer des "Homo erectus heidelbergensis", welcher auf ca. 600.000 Jahre v. Chr. datiert wird, dass es bereits im Paläolithikum menschliches Leben am Neckar gab (vgl. Geiger 1998, 11). Später siedelten sich Kelten und Römer am Neckarufer an. Die Kelten betrieben bereits primitiven Weinbau. Als der Limes um das Jahr 150 auf die Linie Miltenberg-Lorch vorverlegt wurde, wurden Lagerdörfer und steinerne Gutshöfe, die "Villae rusticae", am Neckar errichtet. Die Römer befassten sich ebenso wie die Kelten mit dem Anbau von Wein, wie Funde bei der Ausgrabung eines römischen Gutshofes in Lauffen am Neckar dokumentieren. So wurden ein Winzermesser und die Fundamente eines Kelterbaus entdeckt (vgl. Gräter a.a.O., 16). Der hergestellte Wein sowie auch Holz und Naturstein wurden von den Römern auf dem Neckar transportiert. Der Transport von Gütern auf dem Wasser wurde im Mittelalter beibehalten und spielte eine zunehmend große Rolle. Das Privileg des Stapelrechts, welches die Freie Reichsstadt Heilbronn 1333 erhielt, und die Zollbefreiung von Flössen auf dem Neckar im Jahre 1342 sind hier nur beispielhaft zu nennen. Ab 1854 brach die Neckarschifffahrt aber aufgrund des Baus der Eisenbahnlinie Mannheim-Bruchsal-Stuttgart zusammen (vgl. Geiger a.a.O., 24). Bis dahin waren die Schiffe nämlich noch von Pferden und Menschen an einer Leine flussaufwärts gezogen worden. Dieses Ziehen der Schiffe wurde "Treideln" genannt, ein Pferdeschleppschiff wurde als "Treidelschiff", die Menschen als "Treidler" oder "Halfreiter" bezeichnet. Erst der Einsatz von Kettenschleppern zwischen Mannheim und Heilbronn im Jahre 1878 brachte wirtschaftlichen Aufschwung für die Neckarschifffahrt. Die dampfbetriebenen Kettenboote zogen sich an einer 115 km langen, im Wasser verlegten Kette den Fluss hinauf. Hierbei hatten sie noch weitere Kähne im Schlepp. 1935 wurde die Kettenschlepperei jedoch beendet, da der Neckar zum Großschifffahrtsweg mit 27 Staustufen ausgebaut wurde (vgl. Geiger 1998, 25, 27).

Der Neckar ist jedoch nicht nur in seiner Funktion als Wasserstraße für die Schifffahrt bedeutsam. Früher wurde er zum Antrieb von Mühlen und Sägewerken genutzt (vgl. Cropp 1987, 39f.). Es sind jedoch nur noch wenige alte Mühlen erhalten geblieben. Statt dessen treibt der Neckar heute zahlreiche Wasserkraftwerke an. Für das kulturelle und soziale Leben in den umliegenden Städten und Dörfern spielt er ebenso eine entscheidende Rolle. Auffallend ist, dass zahlreiche Orte den Flussnamen beinhalten. Als Beispiele sind hier nur Neckarbischofsheim, Neckargemünd, Neckargerach, Neckarhausen, Neckarsteinach, Neckarsulm, Neckartailfingen und Neckartenzlingen zu nennen. Als Namenszusatz taucht der Neckar bei Esslingen am Neckar, Horb am Neckar, Rottenburg am Neckar und weiteren Städten und Orten auf. Die Regionalausgabe der Südwest Presse für Villingen-Schwenningen trägt sogar den Titel "Die Neckarquelle". Vielleicht liegt es auch an einer besonderen Eigenart dieses Flusses, dass ihm die Einwohner Baden-Württembergs so große Beachtung schenken: Er verlässt seine Heimat nicht. Mit ihm und dem ihn umgebenden Gebiet sind demgemäß eine Reihe von kulturellen Veranstaltungen und Freizeitaktivitäten verbunden. Touristen und Besucher können die Landschaft um den Neckar auf einem Schiffsausflug genießen, ebenso bieten sich Bootstouren an. Die Radwanderwege entlang des Neckars laden zum Radfahren und Entdecken ein. Einkehren kann man in verschiedene Gasthäuser, Weinstuben oder Besenwirtschaften, um ländliche Spezialitäten oder Wein zu probieren.

Tübinger Stocherkahnrennen  © Claudia Beckers

Tübinger Stocherkahnrennen
© Claudia Beckers, 2004

Eine besondere Attraktion ist das jährlich stattfindende Tübinger Stocherkahnrennen. Normalerweise werden die bis zu zwölf Meter langen Holzboote, die Stocherkähne, zu gemütlichen Fahrten auf dem Neckar benutzt. Der Kahn wird dabei von einem am Heck stehenden Stocherer vorangetrieben, welcher sich ähnlich wie ein Gondoliere mit einer langen Stange vom Grund des Flusses abstößt. Interessierte können diese beschaulichen Fahrten problemlos buchen. Ist man länger unterwegs, ist sogar das Picknicken und Grillen auf dem Stocherkahn möglich.

Tübinger Stocherkahnrennen  © Claudia Beckers

Tübinger Stocherkahnrennen
© Claudia Beckers, 2003


Das Stocherkahnrennen hingegen ist ein wildes Spektakel, das seit 1956 stattfindet. Früher traten nur Tübinger Studentenverbindungen gegeneinander an. Heutzutage darf jeder mitmachen, der in Besitz eines beim Liegenschaftsamt angemeldeten Stocherkahns ist. In der Regel gibt es einen Durchgang, bei dem über 40 Kähne mit je acht Personen besetzt, gegeneinander antreten. Die Zuschauer sind in der Regel bereits eine Stunde vor Beginn des Rennens da, um sich gute Plätze auf der Neckarbrücke, am Ufer der Platanenallee oder der Befestigungsmauer zu sichern. Mit La-Ola-Wellen stimmen sich die wartenden Besucher auf das Stocherkahnrennen ein. Schließlich erscheinen die ersten Stocherkahn-Mannschaften in einfallsreichen Kostümen und spazieren rufend oder trommelnd zur Platanenallee hinunter, um zum Startplatz zu gelangen. Schlümpfe, Römer, Wassernixen oder Piraten ziehen so hinter den an der Neckarbrücke stehenden Zuschauern vorüber. Die besten Kostüme werden später mit einem Spanferkel prämiert, wenngleich sich viele der Verkleidungen während des spritzigen Wettkampfes regelrecht auflösen. Start ist an der Fußgängerbrücke, von da aus geht es den Neckar flussabwärts bis zur Neckarbrücke, deren dicker Pfeiler umrundet werden muss. Zur Fortbewegung dürfen dabei nur die Stocherstange sowie Arme und Beine eingesetzt werden. Die Stocherkähne müssen am so genannten "Nadelöhr" vorbei, einer Engstelle zwischen dem Pfeiler und der Neckarinsel.

Tübinger Stocherkahnrennen  © Claudia Beckers

Tübinger Stocherkahnrennen
© Claudia Beckers, 2003

Dort kommt es zur Freude der sensationshungrigen Zuschauer immer wieder zu Stauungen und Kollisionen. Damit niemand den Überblick verliert, müssen die Mannschaften beim Passieren des "Nadelöhrs" ihre Startnummern hochhalten. Oft springen einige Mannschaftsmitglieder an dem Engpass ins flache Wasser, um den Stocherkahn vorwärts zu ziehen. Der Stocherer versucht gleichzeitig, sich mit seiner Stocherstange am Ufer abzustoßen oder auf anderem Wege voranzuschieben. Dies ist jedoch keineswegs einfach, da sich die Kähne miteinander verkanten und im Eifer des Gefechts auch die ein oder andere Stange verloren gehen kann. Die Sieger des Rennens erhalten den Wanderpokal und ein Fass Bier aus dem Etat des städtischen Kulturamtes. Die Verlierer müssen einen halben Liter Lebertran trinken - pro Person. Außerdem liegt es an ihnen, das nächste Stocherkahnrennen auszurichten (vgl. Bürger- und Verkehrsverein Tübingen e.V. - Tourist & Ticket Center - 2002).

Quellen:
Bürger- und Verkehrsverein Tübingen e.V. - Tourist & Ticket Center (Hrsg.) (2002): Das Stocherkahnrennen
Cropp, J. Albrecht (1987): Der Neckar. Stuttgart
Das Garten- und Friedhofsamt der Stadt Villingen-Schwenningen (o.J.a): Die historische Neckarquelle.... Infotafel in Villingen-Schwenningen
Das Garten- und Friedhofsamt der Stadt Villingen-Schwenningen (o.J.b): Im Schwenninger Moos,.... Infotafel in Villingen-Schwenningen
Geiger, Ottmar A. (Text) (1998): Romantisches Neckartal. Ein Führer entlang des Neckars mit den Städten und Gemeinden von Mannheim über Heidelberg bis nach Heilbronn. Schwetzingen
Gräter, Carlheinz: Der Neckar - Skizzen zu einem Porträt. In: Cropp, J. Albrecht (1987): Der Neckar. Stuttgart, 6ff.
Mündliche Überlieferung (o.J.): Sage von einer Neckarflut. Zit. nach: Birlinger, Anton (1874): Aus Schwaben. Bd. 1: Sagen, Legenden, Volksaberglauben. Wiesbaden, 15 (Die vollständigen Quellenangaben, Wort- und Sachanzeiger befinden sich in Band 2 mit dem Titel "Sitten und Rechtsbräuche", der mir leider nicht vorlag.)

Mönchengladbach, den 31.07.2004, Claudia Beckers