ODILIENBERG (MONT SAINTE ODILE), ELSAß

von Claudia Ruppitsch

Odilienberg (Mont-Sainte-Odile), Elsaß, Frankreich

Etwa 40 Kilometer südwestlich von Straßburg erhebt sich in den Mittelvogesen der 763 m hohe Odilienberg. Der Berg war vermutlich seit dem Neolithikum, nachweislich ab der Bronzezeit, besiedelt. Die Menschen bauten dort wahrscheinlich eine befestigte Zuflucht vor Eindringlingen aus dem Osten. Eine 10 Kilometer lange Mauer, die sog. "Heidenmauer", aus dem 2. und 3. Jh. v. Chr. ist noch heute vorhanden. Der Berg hieß zuerst Altitona (= der hohe Berg) und bekam später die Namen Hoenburc und Hohenburg und gehört zu den "heiligen Bergen" der Religionsgeschichte, ähnlich wie die Berge Horeb und Sinai.

Im 7. Jh. n. Chr. wurde das Herzogtum Elsaß gegründet, aus dem Jahr 675 sind ein Herzog Aldaricus (auch Aldarich, Attich, Chadicus, Eticho) und seine Gemahlin Bereswinda (auch Bereswinde, Berswinsda, Persinda) bekannt, die auf dem Hohenburg ein Schloss oder ein Kloster gebaut haben sollen. Aus Geschichtsquellen geht hervor, dass Tochter Odilia (auch Ottilie) den Besitz Hohenburg von ihrem Vater erbte. Sie gründete dort zwischen 680 und 690 ein Kloster, das zu einem Zentrum der Frömmigkeit und Wohltätigkeit wurde. Als Äbtissin von Hohenburg verwaltete Odilia das Kloster und setzte sich zeitlebens für Arme und Kranke ein. Am Fuß des Berges erbaute sie das Kloster Niedermünster als Herberge für ihre Schützlinge. Als Schutzpatronin der Blinden und Augenkranken wurde Odilia seit dem Mittelalter verehrt, 1946 rief Papst Pius XII sie zur offiziellen Schutzpatronin des Elsaß aus.
Odilia starb am 13. Dezember 720 n. Chr.

Odilienquelle ©  Claudia Ruppitsch

Odilienquelle, Elsaß.
© Foto Claudia Ruppitsch, 2004.

Legende:

Die erstgeborene Tochter von Herzog Aldarich und seiner Gattin Bereswinde kam blind zur Welt, worhaufhin Aldarich sie töten lassen wollte. Die Mutter vertraute das Mädchen daraufhin einer Amme an, die es ein Jahr später in das Kloster von Palma in Baume-les-Dames (Nähe Besancon) brachte. Der Bischof von Regensburg taufte das Mädchen im Alter von 12 Jahren auf den Namen Odilia, Tochter des Lichts, woraufhin sie ihr Augenlicht erhielt.

Odilia verweilte weiterhin im Kloster, bis ihrem Vater durch eine Offenbarung des Himmels mitgeteilt wurde, dass seine Tochter noch lebte. Aldarich wollte seine Tochter jedoch nicht heimholen, was daraufhin Odilias jüngerer Bruder übernahm. Das erzürnte den Herzog dermaßen, dass er seinen Sohn versehentlich erschlug.
Einem Legendenmotiv zufolge empfing Alderich daraufhin seine Tochter voll Reue daheim in seinem Schloss und wollte sie mit einem Prinzen seiner Wahl vermählen. Odilia floh und suchte in einer Felsspalte, die sich durch göttliche Macht öffnete, Zuflucht. Der Herzog erkannte darin den Fingerzeig Gottes und vermachte seiner Tochter den gesamten Besitz Hohenburg.

In einer anderen Version zog sich der Herzog nach dem Tod seines Sohnes bis zu seinem Lebensende in sein Kloster zurück, tat Buße und unternahm Wallfahrten, um den "Zorn des gerechten Richters" zu besänftigen. Er holte Odilia zu sich, die daraufhin ihr Leben im Kloster Hohenburg verbrachte, das ihr der Herzog einen Tag vor seinem Tod hinterließ.

Durch Gebete erlöste Odilia die Seele des Vaters aus der Unterwelt.

Um auf die wundersame Odilienquelle zu sprechen zu kommen: Als Odilia eines Tages vom Kloster Niedermünster zum Hohenburg hinaufstieg, begegnete ihr ein blinder Bettler. Mitleidig klopfte sie mit einem Stock an einen Felsen: ein Wasser floss heraus und heilte den Bettler von seiner Krankheit.

Hl. Odilia ©  Claudia Ruppitsch

Odilia lässt ihre Wunderquelle fließen.
Gemälde in der Grabgruft der hl. Odilia im Kloster Hohenburg am Odilienberg, Elsaß.
© Foto Claudia Ruppitsch, 2004.


Hintergrundinformation aus volkskundlicher Sicht:

Seit dem Mittelalter finden regelmäßig Wallfahrten auf den Odilienberg statt. Traditionelle Wallfahrtstage sind die Oster- und Pfingstmontage, der erste Sonntag im Juli sowie das Fest Mariä Himmelfahrt. Am Todestag der hl. Odilia, am 13. Dezember, werden die Hauptfeierlichkeiten veranstaltet. Im Jahr 1920 feierten 100.000 Menschen Odiliens zwölfhundertsten Todestag am Hohenberg.

Die Quelle, die Odilia für den Bettler aus dem Fels sprudeln ließ, wurde seit dieser Zeit von unzähligen Augenleidenden aufgesucht, die sich mit dem heiligen Wasser die Augen benetzten und auf Heilung hofften.

Odilienquelle, Elsaß ©  Claudia Ruppitsch

Odilienquelle, Elsaß.
© Foto Claudia Ruppitsch, 2004.


Odilienquelle, Mirakelspruch, Elsaß ©  Claudia Ruppitsch

Odilienquelle, Elsaß. Mirakelspruch.
© Foto Claudia Ruppitsch, 2004.


Dass die Wunderquelle bis in die unmittelbare Gegenwart genutzt wird, zeigte ein Lokalaugenschein im Februar 2004. Das aus dem Fels rinnende Wasser wird über ein kleines sowie drei größere Becken aufgefangen. Ettliche der Pilger (in der Klosterkirche findet die ewige Anbetung statt) und Touristen, die sich täglich auf dem Odilienberg einfinden, benetzen sich mit dem Wasser die Augen und füllen es zum Mitnehmen in kleine Gefäße ab. Das absolut reine Wasser, das im Ruf steht, über Jahre seine Frische zu bewahren, ist anscheinend auch bei den Einheimischen sehr beliebt: Diese füllen das Wasser in Kanister ab und transportieren es zum eigenen Gebrauch im PKW ab (wahrscheinlich findet das Heilwasser als belebendes Getränk Anwendung).

Odilienquelle, Elsaß, Wasserabfüllung ©  Claudia Ruppitsch

Odilienquelle, Elsaß.
Abfüllung des Wassers in Kanister und Flaschen.
© Foto Claudia Ruppitsch, 2004.

Odilienquelle, Elsaß ©  Claudia Ruppitsch

Odilienquelle, Elsaß.
Abfüllung des Wassers in Kanister und Abtransport.
© Foto Claudia Ruppitsch, 2004.

Quellen: Charles Wackenheim, Der Odilienberg. Geistige Hochstätte, Strasbourg o. J.
Theo Grossmann, Die heilige Ottilie. Patronin der Augenkranken, Innsbruck 1999.

© Claudia Ruppitsch

Ergänzungen sind gerne willkommen!