Vom Menigil, dem's alleweil gabach gangen ist.

Der Grubenbauer Menigil liegt auf seinem Buckel, wie sich's gehört, in der Gruben und schlaft nach dem Kirchtag, wie sich's gehört. Er schlaft aber schon gar lang; — das kann ja nach dem Kirchtag leicht vorkommen.

Endlich wacht der Bauer in der Gruben auf; aber es muß noch zu früh sein, weil's noch gar so kreuzteufelsrabenstockschwarzfinster ist. Also denkt sich der Bauer: "No' ist's z'früh" und dreht sich mit einem Achezer auf die andere Seiten, denn's Bett ist heut gar so hart.

Am Bett wird's amend nicht fehlen, steckt halt noch der Kirchtag in den Gliedern; -alles zur Ehr' des heiligen Rochus; der gute Kirchenpatron ist das bißl Wehtun schon wert.

Der Grubenbauer probiert und probiert einzudosen — er betet einen Rosenkranz, da schlaft er sonst alleweil ein; — heut' aber nützt alles nix, er kann nimmer einschlafen; dann schreit er: „Alti, mach' die Balken auf, es mueß schon Tag sein!"

Aber die Bäuerin rührt sich nicht und der Meinigil denkt sich: „Ah recht, sonst gang grad glei wieder 's Gepretzig an wegen den Kirchtagrausch, den i hoambracht han."

Und nun möcht' der Bauer wissen, wie er eigentlich heimgekommen ist ... aber mei, man wird halt älter und da laßt 's Gedächtnis aus . . . er weiß nimmer, wie er heimkommen ist — aber schon gar nicht.

„Wozu no' lang sinnieren, da bin i?" denkt sich der Bauer und dreht sich auf die andere Seiten, weil er gar so hart liegt.

Dem heiligen Rochus sind an seinem Tag respektierliche Ehrenräusch' ganz recht, aber die Agnes — die Grubenbäuerin, kann die Räusch' halt gar nit leiden und sieht nit ein, daß der Bauer in der Gruben, der erste Gemeinderat, auch was springen lassen muß an dem Tag.

Wenn man so hart liegt in der finstern Nacht, kommen allerhand Gedanken und lang nicht die gescheidesten und lang nicht die lustigsten.

So sagt der Bauer in der Gruben, indem er auf sein Leben zurückschaut, zu sich selber: „Ja, Menigil, Dir ist's eigentlich alleweil gabach gangen."

Diesen Satz sucht er nun zu beweisen. Zuerst fällt ihm die Wettl ein. Ja, die Wettl war blond und lieb und treu — Gott hab' sie selig, wenn sie nimmer lebt. Die Wettl hat er so gern gehabt, aber:

„O mei' Wettl — Du hast nix g'habt — um und um nix, und da ist's halt nit gangen. Verzeihst mir's halt — bist ja alm a guete Haut g'wesen."

Die Wettl ist nachher, wie sie gewußt hat, daß sie der Menigil doch nicht zum Weib nimmt trotz allem und allem auf und davon gegangen, weiter als der Himmel blau ist, mit dem Kind unterm Herzen.

Und der Menigil hat die reiche schieche Agnes, die schon als Diandl so zuwider war, geheiratet. Die ist jetzt Bäuerin in der Gruben — die hat ihm kein Kind gegeben, aber bissige Worte und Schläg' zum Ermerken. Also da ist's auch gabach gangen.

Zu den Soldaten haben sie ihn auch nicht brauchen können; andere sind froh, wenn sie Staatskrüppel werden: — er aber hätt' wenigstens, wenn sie ihn b'halten hätten, die Schneid gelernt, die für die Grubenbäuerin notwendig ist. — Also alles gabach.

Der Vater hat ihn wollen studieren lassen; die alte reiche Bas Vev hätt' schon die Taler aus'm Schatzstrumpf springen lassen, denn so ein geistlicher Herr Vetter ist ein gewaltiger Staffel in den Himmel; — aber im Gymnasium haben die Professer gleich gesagt: „Der ist zu dumm."

„Lieber war i schon a Geistlicher ohne Weib, als der Grubenbauer mit dem Drachen" — philosophiert der Menigil: „all's gabach."

Die Professer aber haben's damals nicht verstanden; damals ist's gabach gangen, weil er so viel dumm war; — und wie er sich hat zur Ruhe setzen wollen und von allen Geschichten nix mehr wissen hat wollen, haben sie ihn in den Gemeinderat gewählt, weil er so viel g'scheid ist!

„Jez die Plag für die alten Tag. Alle Tag was anders: Feuerspritzen, Klauenseuch', Kunstdünger, Totenb'schau, Murverbauung, Kirchenstiftung .... man woaß nimmer, wo oan der Kopf steht. Da ist's mir a gabach gangen", sinniert der Bauer in der Gruben weiter: „Herrgott, finster ist's und a stickete Luft und a Wehtoan in alle Glieder."

Es dauert ihm zu lang, bis der Morgen kommt, und jetzt schreit er: „Alti, steh' au!"

Der Menigil krabbelt um und findet seine Alte nicht; er kennt sich überhaupt nicht aus, wo er liegt.

„Jesses, amend — weil i nit woaß, wie's gangen ist, bin i überhaupt nit hoamkemmen!"

Dieser schreckliche Gedanke fährt dem Bauern durch den Sinn und findet seine Bestätigung darin, daß der Menigil, als er nach seiner Uhr sucht, merkt, er sei nicht ausgezogen. Er sucht die Uhr und findet sie nicht, er sucht die Zündhölzeln und findet keins, er sucht die Geldtaschen und findet sie nicht: — aber er greift die Silberzwanziger und weiß, daß er noch den Sonntagsrock anhat, den er am Kirchtag getragen.

„Jesses, was es heut' für schlechti Leut' gibt. Niedergeschlagen haben's mi' und ausgrabt und in a Loch g'worfen! Vielleicht haben's mi' blendet. Jesses Maria und Josef! Hilfe! Hilfe!"

Er will aufstehen und stößt mit dem Schädel an, daß es grad schöldert — er sucht noch einmal in allen Taschen — und streift wieder an die Silberzwanz'ger — „ja, warum hab'n denn die Räuber dö nit abg'schnitten?" und endlich findet er ein

Zündhölzel, das sich im Schileeleiblwest'ntaschl verschloffen hat.

Er ripst es am Hintern an — o wie das schwefelt — und jetzt leuchtet die Flamme auf und jetzt weiß er — alles.

Und sein erstes Wort, das er mit schwacher, entsetzter Stimme stottert, ist: „Jesses, mir geht aber all's gabach!"

Und der Bauer schreit und strampelt und jessesmariaundjoseft, aber er beruhigt sich mit der Zeit mit seinem Spruch: mir geht all's gabach.

Er denkt und sinniert weiter nach, da fällt ihm eine Gemeinderatssitzung ein.

„Jesses, hätt' i dös nit tun!" ächzt er auf. „Jez bin i für'n Gmoandrat a no' z'dumm und dös will viel hoaßen! Mir geht schon all's gabach; - wie der Würlerjörgele im Gmoandrat g'sagt hat, man soll nimmer die alte Zeggerzenz, dö so guat docktern kann und so prächtigi Mittel woaß für'n Knilling, für'n matt'n Tisel, für'n Ummergang — für's Vieh ist sie a recht z'brauchen g'wes'n — für die Totenb'schau b'halten, weil sie nimmer recht siecht und nix mehr hört und ganz unverläßlich ist, da bin ich dadazu auftreten. Der schundige Tuifl hat wölln um a Sündengeld sein Vetter — der Fallot ist Docktor wor'n statt Geistlicher - dö Stöll' verschassen. Ja, da hat der Menigil g'sagt, mir wer'n öpper weg'n den oan Scheintoten, der vielleicht alle fufz'g Jahr amal eingraben werd, alle Jahr das Heidengeld zahl'n! Die alte Zeggerzenz versteht ihr' Sach' schon, sie hat schon viel'n, dö nit g'storb'n sein, 's Leben gerettet, drum mueß man ihr dankbar sein und überhaupt brauchen mir könne sölln liberal'n Neuerungen. Und die ganze Gmoand hat mir damals recht geb'n — dö Esel!" schreit der Menigil, „mir, dem Bauern in der Gruben, weil er sov'l g'scheid ist!" —

„Mir geht schon all's gabach — iez bin i der erste Scheintote, den's eingrab'n hab'n, weil die Zeggerzenz es nit kennt hat, daß dös a besserer Kirchtagrausch ist. Für'n Gmoandrat bin i a z'dumm g'wesen!"

Zuerst schreit und betet der Bauer und verlobt sich zu allen Heiligen und will den Sargdeckel sprengen. Aber da ist Chrysam und Tauf' verloren, drum macht er Reu' und Leid . . . und ganz sicher ist jetzt die Gnad' über ihn kommen, denn er wird so still und ruhig, daß man nicht meinen möcht', daß ein lebendig Begrabener so still und ruhig sein könnt.

Die letzten Gedanken hat der Bauer in der Gruben, der jetzt wirklich in der Gruben ist — in seiner Heimat — seinem Weibe gewidmet. Da wurde er so ruhig und sagt ergeben im Sarge: „Ist eh gescheider!" — und dreht sich um und schlaft ein,

Und im Schlaf sagt er noch: „Dösmal ist's nit gabach gangen!" Und er schläft und wacht nimmer auf.

Trotzdem ist's ihm aber gabach gangen, weil's eben so Leut' gibt, denen alles gabach gehen muß.

Während der Menigil so ruhig da unter der Erde lag, erwartete seine Witwe so sehnsüchtig das Ablaufen des Trauerjahres, denn sie hatte schon mit dem Rechenmacher und Bindermeister Jodok angebandelt. Aber das Jahr verging so langsam und im Haus war's so still, daß es die Grubenbäuerin nicht ausgehalten hat. Und weil sie niemand g'habt hat, mit dem sie hat streiten können, ist sie auch noch, vor das Trauerjahr aus war, gestorben.

Ja wenn's dem Menigil Zeit lassen hätten mit dem Sterben und ihn nicht scheintoter eingraben hätten, dann hält' er sicher eine G'schrift aufg'setzt und seiner Frau eine schöne Grabstatt gestiftet — recht weit von der seinigen ....

Aber jetzt liegt sie gleim neben ihm — ist ihm also nach dem Tod auch noch alles gabach gangen — es gibt schon so Leut'.

Auf dem schmiedeisernen Kreuz über dem Grabhügel aber steht der Vers:

„Hier liegt der Bauer in der Gruben,
Gar bald nach ihm starb auch sein Weib,
Sie stritt mit ihm in Feld und Stuben,
Das war ihr liebster Zeitvertreib.
Nun liegt sie neben ihm begraben,
Wird er die ewige Ruh' nun haben?"

Quelle: Anton Renk, Kraut und Ruebn. Kleine Geschichten aus Tirol. Linz 1904, S. 240 - 248
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Helene Wallner, September 2005.
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