Vorwort.

Stets liegt, wo das Banner der Wahrheit wallt,
Der Aberglaube im Hinterhalt.

A. von Platen, Die neuen Propheten.

Der Verfasser, der, von der wissenschaftlichen Botanik ausgehend, ins zweite Menschenalter hinein seine Muße mit Vorliebe jenen Problemen widmet, die die Pflanzen (Goethes "stillreizende Naturkinder") in ihrer Beziehung zur menschlichen Kultur, zu Denken und Fühlen, zu Geist und Herz des Empfindenden betreffen, hat in seinem Buche über Kriegsaberglauben *) zu Beginn des Jahres 1915 die dem Amulett- und Waffenzauber sowie der volkstümlichen Wunden- und Wunderheilung dienenden Arten berücksichtigt. Das vorliegende Buch soll den sich unmittelbar an die Schlachten aller Zeiten, Kriege und kriegerische Ereignisse anknüpfenden Pflanzenmythos, also den Sagenkreis der aus Heldengräbern erblühenden oder mit Kriegshelden zusammenhängenden, der die historischen und legendären Stätten von Kämpfen markierenden Blumen und Bäume, des Birnbaums von Walserfeld und der Birke von Westfalen, die mit der letzten größten aller Schlachten verbunden sind, endlich die auf Kriegsbegebenheiten zurückgeführten "Zeichen und Wunder" aus dem Pflanzenreich behandeln, an denen die Volksvorstellung festhält.

*) E. M. Kronfeld, Der Krieg im Aberglauben und Volksglauben, Hugo Schmidt Verlag, München.

Die erste umfassende Darstellung des hier behandelten Gegenstandes hat der Verfasser, der den sagenhaften Birnbaum des Walserfeldes in seinem Vortrag vor der Zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien am 6. März 1918 besprach, schon am 7. Juni 1916 unter dem Titel "Über sagenhafte Pflanzen der Schlachtfelder" gegeben, von welchem Vortrage ein Auszug in den Verhandlungen der genannten Körperschaft, 1916, S. 157-159 veröffentlicht ist. Damals schon war dem Verfasser die Identifizierung der von einem der Botanik fernstehenden Gewährsmanne kurz vor Ausbruch des Weltkrieges auf dem Amselfeld photographisch aufgenommenen Sagenpflanze mit der Pfingstrose Paeonia decora gelungen, ebenso war er in der Lage, die ihm mündlich gemachten Mitteilungen des Wiener Universitätsprofessors Hofrat Prof. von Wettstein über die Gräberpflanzen auf den galizischen Schlachtfeldern des Weltkrieges bekannt zu geben, die der Verfasser bereits im zitierten Vortrage als Leitpflanzen der Soldatengräber bezeichnete. Die erwähnten, nicht unwesentlichen Einzelheiten, auf die im nachstehenden (I. Kap.) ausführlich zurückgekommen werden soll, erschienen in der Notiz "Eine Kriegssage und ihre biologische Erklärung" der "Umschau", Frankfurt a. M., 1917 (Nr. 21 vom 19. Mai 1917, S. 416 - 417), ohne die Angabe der Quelle, wie dies Brauch von alters her ist in der gebildeten Welt, übernommen *). An diese wendet sich ja überhaupt dieses Buch, denn, wie Buckle in seiner "Geschichte der Zivilisation usw." so treffend sagt:

"Das einzige Mittel gegen Aberglauben ist Wissenschaft."

Es ist dem Verfasser angenehme Pflicht, dem Herausgeber der "Natur", Prof. Dr. Bastian Schmid, und dem Verlage Theod. Thomas für die nach dem Weltkriege mit seinen schmerzlichen Weiterungen doppelt anerkennenswerte Förderung der Drucklegung zu danken. Ebenso dem Schuldirektor Karl Adrian in Salzburg, der ihn bei den Nachsuchungen über den Birnbaum des Walserfeldes an der klassischen Örtlichkeit bei Salzburg unterstützte, und dem Universitätsadjunkten Dr. August Ginzberger vom Wiener botanischen Universitätsinstitut für freundschaftlichen Rat.

Dr. E. M. Kronfeld.

*) vgl. u. a. Kammerer, Menschheitswende, Wanderungen im Grenzgebiet von Politik und Wissenschaft, Wien 1919, S. 68.

Quelle: Sagenpflanzen und Pflanzensagen, Dr. E. M. Kronfeld, Leipzig 1919, S. 5 - 6.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Gabriele U., Juni 2005.
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