Bauernstuben

Da hingen von der Decke Schweinsblasen herab und auf rußigen Stangen um den Ofen herum Ziegenfelle, welche trocknen sollten. Feuchte Strümpfe und 'Pfosen' (wollene, maschenähnliche Strümpfe) verbreiteten eine übelriechende Schwüle. Auf einem zerrissenen Lederbett neben dem Ofen lag der Hausknecht, und die Töne, die er im Schlafe von sich gab, begleiteten zusammenklingend das Schnarren der Spinnräder, an welchen alle anwesenden Dirnen und Weiber beschäftigt waren.

Der Blick richtete sich von diesen weg gern wieder auf das Fenster hin. Draußen stand ein Brunnen, der mit Stroh dicht umwickelt war. Hyazinthen, welche man hinter das Vorfenster gestellt hatte, erschlossen jetzt, von dem zunehmenden Lichte gelockt, allmählich die blaue Blütentraube. Im Moose, welches um die Scherben herum ausgebreitet war, standen unförmliche Männlein, mit seidenen Lappen und Goldflitter behangen, welche die Heiligen Drei Könige darstellten, die dem Kinde ihre Opfer brachten.

Es wurde wenig gesprochen unter den Spinnerinnen. Alles bewegte die Hände, und selbst die Kellnerin, welche manchen Vorwand zum Feiern hätte, setzte sich, sowie das Verlangen der Gäste befriedigt war, flugs wieder hinter das Rad. In diesem Hause wird man, wie ich aus Erfahrung wußte, besser aufgehoben, als es der Stube anzusehen ist. Als ich hier einst am Abend mein Bett aufsuchte, war es mit Holzschindeln gewärmt, die man auf den Herd gelegt hatte.

Doch zurück zu meinen Genossen!

Der Frost des Spielmannes war so weit aufgetaut, daß er anfing, bei seinem Wein Scherze zu machen. Zunächst versuchte er es mit der Kellnerin, deren Schweigsamkeit ihn bald entmutigte. Meine Bemerkung, daß es jetzt doch, verglichen mit seinem vorherigen Zähneklappern, weit besser mit ihm bestellt sei, ermunterte ihn zu einem Ausfall gegen den Hadernsammler. Für diesen Mann war es vielleicht kein so großes Mißgeschick, daß er wenig zu beißen hatte, denn die von der Natur dazu bestellten Werkzeuge fehlten fast sämtlich. Darauf bezog sich der Spielmann, als er zu jenem sagte: "Du, Hadernsammler, hast es am Jüngsten Tage gut!" "Warum?" entgegnete dieser. "Darum, weil du dich, wenn es zum Zähneklappern kommt, nicht viel anzustrengen brauchst." Diesmal beteiligten sich die Spinnerinnen, welche wenig sprachen, aber emsig hörten, durch ein allgemeines Gelächter. Selbst ein anderer anwesender Gast, ein Bilderhändler, sah sich veranlaßt, seine bis jetzt aufrechterhaltene Würde abzulegen.

Nun bekamen auch wir seine Bilder zu sehen. Es waren Heilige oder die Schlachten von 1866. Die ersteren waren mit demselben Rot und Blau bekleidet, welches auf den letzteren Feuerbrände und Uniformen versinnbildlichte. Vor unserem Abgang kam die Reihe der Abenteuer an den Spielmann. Es trat ein von Reif gepuderter Gendarm herein, welcher sich die Zeit seiner Ankunft von der Wirtin in seinem Patrouillenbüchlein bestätigen ließ. Das Äußere unseres Spielmannes entsprach nicht jenem Ideal eines Staatsbürgers, welches der Gendarm im Busen trug, und er hatte keine Legitimationen.

Ein in der neueren Literatur Belesener hätte die Zumutungen des Gendarmen vielleicht mit dem bekannten Zitat 'Wem Gott will eine Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt' zurückgescheucht, unser Künstler aber verlegte sich aufs Bitten. Wir vereinigten, die Wirtin mit inbegriffen, damit unsere Fürbitten. Endlich siegte in dem Gendarmen die Teilnahme, welche man der Kunst schuldet, und der Besitzer der Klarinette verließ mit uns die Herberge in der Richtung, welche er wünschte, nicht in derjenigen, welche ihm die Laune des Gendarmen anzuweisen beabsichtigt hatte. Als wir vor der Tür waren, verständigte er sich zunächst flüsternd mit dem Hadernsammler über die Anzahl der 'guten' Bauern, welche im nächsten Dorfe zu finden sein dürften.

Quelle: Das Österreichische Seenbuch, Heinrich Noë, München 1867, S. 267 - 269.