Das Benediktinerstift und die Mariahilf-Kapelle am Mondsee

In der Pfarrkirche des uralten Benediktinerstiftes schauen vom Hochalter fünf teils sitzende, teils liegende Skelette in das Schiff. Man könnte glauben, es werde hier ein Gott verehrt, dem Menschen zum Opfer fallen. Der schöne gotische Bau ist durch die wüste Pracht des Zopfes verunstaltet. Das Benediktinerstift, einst von Utilo, Bojariae duce, gestiftet, ist ein fürstliches Schloß. Ich habe einen dicken Sammelband vor mir, in welchem Chroniken, Dokumente, Predigten, die sich sämtlich auf Mondsee beziehen, in lehrreicher Folge vereinigt sind. Man sieht aus einer dieser Abhandlungen die Absicht des Gründers. Der mehrere Teil Deutschlands, und unter diesem auch das Noricum Ripense, war mit abergläubischen Gebräuchen, so nach dem Heidentum schmeckten, oder wohl gar mit einer großen Anzahl schwarzer Irrgeister angefüllt, denen die unglückseligen Inwohnern als Götter opferten. Die zauberischen Alraunen, welche noch in den Bergklüften verborgen steckten, verursachten größeren Schaden, als die Basilisken, da sie die Seelen nicht minder als die Leiber unserer Voreltern vergifteten. Auch ein lateinisches allegorisches Drama über des Stiftes Geschichte finde ich darin. Ich könnte viel Seltsames aus dem alten Wust zu Tag fördern, aber ich bin ein Spaziergänger in der umgebenden Welt und habe an alten Historien, die schon irgendwo gedruckt stehen, gar keine Freude.

Daneben zieht sich ein Weg in leichtem Ansteig nach der Mariahilf-Kapelle hinauf. Dort steht eine große Linde, die in allen Reisehandbüchern genannt wird, weil man in ihrem Schatten eine anmutige Fernsicht genießt.

Mehr berühmt im Volke ist aber die Kapelle. Hunderte von Votivbildern bezeugen es. Das Gnadenbild steht in einigem Zusammenhang mit dem Baderhaus dort hinter dem Schloßgarten, indem es sich aus unbekannten Gründen schon mehrmals in dessen Brunnen auffinden ließ. Der Zudrang der Landbewohner ist ein großer - die Honorationen des Marktes dagegen besuchen häufiger die unmittelbar daneben stehende gedeckte Kegelbahn.

Neben einem Haus haben die Leute eine kleine Muschel-und Tropfsteingrotte eingerichtet, der sie den Namen 'Mariahilfquelle' geben. Jetzt im trockenen Herbst fließt darin kein Wasser, aber auf die Einbildungskraft eines Kindes oder eines schlichten Bauern wirkt das Grottenhäuschen mit den bunten Figuren sicherlich wie eine recht hübsch ausgestattete Krippe. Es zieht sich um den ganzen Hügel eine Weihe, daß die andächtigen Besucher auch an kindischem Spielwerk ihr Genügen finden.

Herunten am See liegen mächtige Stämme und Bretter. In der Umgehend ist auch die eigentliche Heimat der oberösterreichischen Holzhändler. Die Bretter werden auf dem See weitergeschafft, an seinem Ostende über die schmale Landzunge nach dem Attersee, dann auf dessen Ausfluß, der Ager, in die grüne Traun gebracht, mit welcher sie in die große Donau hinabschwimmen. Ein arges Leidwesen dieser Spekulanten wurzelt in dem Übelstande, daß die kleine Ache, welche den Mond- und Attersee verbindet, kein tieferes Bett hat, so daß sie mit Flößen zu befahren wäre. Dann brauchte man die Hölzer nicht mit schweren Kosten über den tiefausgefahrenen Weg der Landzunge zu schleifen. Der Freund einer schönen Waldnatur seinerseits wird sich über jenes Hemmnis nicht ärgern und ebensowenig der nunmehr beabsichtigten Verbindung durch einen für Dampfschiffe fahrbaren Kanal seine Wünsche zuwenden; denn je leichter der Verkehr zu Wasser, desto rücksichtsloser verwüstet man die Forste.

Quelle: Das Österreichische Seenbuch, Heinrich Noë , München 1867, S. 28 - 30.