Trum- und Mattsee

Es erübrigt mir, noch ein weniges von den Seen zu erzählen, die im Hügellande, nördlich von der Stadt Salzburg, liegen.

Als ich, das erste Mal, an einem Maienmorgen, meinen Weg nach dem Trumsee nahm, erglänzten die winterlichen Spitzen im grellsten Licht über die grüne Aue der Salzach. Die Trommler der in der Stadt liegenden Soldaten feierten draußen ihren Frühling in Gemeinschaft mit den Lerchen. Die Buchen um die Kapellen von Maria-Plain waren so grün wie das weite Land, das von der Terrasse überschaut wird. Es gibt keine andere Rundschau von Salzburg als diese.

Die kiesigen Auen, welche die Salzach vielgewunden durchläuft, kennzeichnen den Bergstrom. Wir haben ihr Gestrüpp, ihre Schotterbänke, ihre Sackgassen und Altwasser gar oft an anderen Flüssen gesehen, welche aus der hohen Kette kommen. Einen schönen Gegensatz dazu zeigt hinter dem Hügel der Wallfahrtskirche die bräunliche Ache, welche aus dem Wallersee gegen den Juvarus heranfließt. Ein sanftes Gewässer, diese Ache, das zwischen grünen, jetzt blühenden Ufern seine Ringel zieht und von ganz anderen Baumgeschlechtern begrenzt wird.

Das Schloß steht auf einer jener felsigen Höhen, wie sie die Bildung der Voralpen bietet. Weitaus und rund herum liegt die Welt blau und grün - den Himmel schließen dort dämmernde Fernen, hier gleißende Schneeberge ab, an welche sich gerne ein träumerisches Verlangen hängt, das hinter dem Glänze des Mittags und der Gipfel eine andere Erde ahnt. Es ist ein lichteres Wesen in uns selbst, welches dergleichen wünscht. Auch fehlen die braunen Senkungen eines Hochmoores nicht, in welchem die Legföhre wuchert.

Dort oben, links, auf den Höhen des Haunsberges, öffnen sich im Wald noch schönere Fernsichten, weil auch die östlichen Berge, die Zeugen unserer Wanderungen, über die verlagernden Hügel ragen. Im Auersbergschen Hirschpark oberhalb Antering, auch neben dem einsamen Wirtshause zum 'Dopl' überschaut man das sumpfige Heideland, die ansteigenden Hügel, Dachstein und Göll, Traunstein und Watzmann, die blaue Marke des Flusses und die Häuser der Stadt.

An jenem Abend ruhte ich unter einem hier seltenen Baum, einem Wachholderbaum, nicht Strauch. Auf ihm, der von ferne einer traurigen Thuja glich, sang eine Amsel, und die Abendröte leuchtete aus einem schmutzigen Tümpel, der sich zwischen die Rohre des Moores eingesenkt hatte.

Während der Verfasser dagegen an einem Februarmorgen die nachfolgenden Zeilen niederschrieb, erblickte er, dann und wann über die Linien des Papiers hinweg nach grünen Hügelrändern spähend, die Gestade des Mattsees, an welchen Wälder und fruchttragende Auen sich über die Hänge zur leicht erregten Flut hinabziehen. Manchmal begegnete es ihm dabei, daß sich nicht nur das Auge über die Zeilen, sondern auch die Einbildungskraft über Tag und Jahrhundert hinweghob und jene Umgebungen zu sehen wähnte, welche der Heruler und Bagiarvorstand, als seine Heerhaufen zum ersten Mal das Dickicht der norischen Wälder durchzogen. Sie schritt mit ihnen fort und sah sie ihre Wohnsitze zimmern.

Der 'Matah-See' ist ein Gewässer zwischen gewaltigen Laubforsten und nur an wenigen Stellen von der Art der Ankömmlinge gelichtet. An solchen steht hier und da eine Hütte, mit roten Ziegeln gedeckt. Auf Säulen ruht ihr Dach, 'die Wände schimmern' nicht, sie sind von Holz, wie die Säulen. Einen besonders Neugierigen will ich noch darauf aufmerksam machen, daß nur eine Hauptsäule das plumpe Dach hält, während ein heutiger Baumeister die anderen roh zugehauenen Stützen 'Winkelsäulen' nennen würde. Um das Blockhaus, aus welchem Rauch aufsteigt, stehen noch andere Hütten: Scheune, Streubehälter, Küche, Getreidekasten. Rings um das alles herum zieht sich ein aus Ruten geflochtener Zaun, der 'Ezzisk-Zun' (Erntezaun). So haust der freie Bauer dort am 'Matah-Seo'. Die elenden Hütten seiner Dienstbauern oder Leibeigenen, welche ihm die 'Scharwerke' verrichten, liegen in untertäniger Entfernung von der Ansiedelung. Doch unser Vorstellungsvermögen verfolgt auch die Bewegung dieser Gestalten und erblickt sie auf ihrer Lieblingsbeschäftigung, der Jagd. Wenn aber in unseren Tagen die Erbeutung eines Rehes oder eines Hirsches in den fürstlich Auersberg'schen Forsten nur dem geduldigen Waidmann nach langem Pirschen gelingt, so konnte der Bauer am 'Matah-Seo' von kurzer Jagd mit dem Fell des Bären und Luchses mit der Haut des Waldstiers oder mit dem kostbaren Pelz des Bibers zurückkehren.

Was der Name dieses Gewässers einst bedeutete, das entzieht sich unserer Wißbegierde. Es ist sehr schade, daß der Herr Bischof von Poitiers, Venantius Fortunatus, welcher um die Mitte des sechsten Jahrhunderts nach christlicher Zeitrechnung diese Gauen auf seiner Reise berührte, als ein sehr mittelmäßiger Tourist betrachtet werden muß. Was unsere Teilnahme am meisten in Anspruch nehmen würde, eine genaue Angabe der Örtlichkeiten, eine Beschreibung der Sitten ihrer Bewohner, Mitteilungen über frühere Schicksale derselben, vermissen wir in seinen Aufzeichnungen und müssen uns mit wenigen trocken hingeworfenen Nachrichten begnügen, von welchen die wichtigste die ist, daß er die angesessenen Volksstämme als Bajuwaren kennt.

Quelle: Das Österreichische Seenbuch, Heinrich Noë, München 1867, S. 146 - 149.