Menschen am Mondsee

Wir wollen nicht von Mondsee scheiden, ohne noch eine kleine trockene Nachlese über Menschen und Dinge zu halten.

Wenn ich im frühen Dunkel des Herbstabends auf meiner Stube sitze und aus dem kerzenerleuchteten Zimmer in den Himmel und das Wasser hinaussehe, so erscheint mir das hohe Gewölbe dunkel und drohend, der Mond wie eine feurige Kugel und die Wellen schwarz, von einem goldgrünen Kegel durchbrochen, der aus den Nebeln unter dem Mond herabfällt. Da sehnt man sich nach Lichtern und Menschen.

Wir gehen in irgendeine der Bierstuben des Marktes, um mit unseren Bekannten zu plaudern. Das Bier ist hier wieder, wie in Bayern, gesellschaftliches Bindemittel. Während man in Tirol viele Wirtshäuser antrifft, in denen kein Bier verabreicht wird, sieht man hier verhältnismäßig selten ein Seidel Wein trinken. Der Grund dazu mag darin liegen, daß dieses Getränk hier um die Hälfte teurer zu stehen kommt als dort. Doch trinken das hier gebraute Fabrikat beinahe nur die Bauern - den halbstädtischen Kulturmenschen des Marktes ist es oft zu schlecht.

Um die dicke steinerne Säule gruppiert sich eine heitere Gesellschaft. In ihr bemerken wir mit Vergnügen den wackeren Bildschnitzer Wenger, dessen seltene Begabung uns von seiner bescheidenen Werkstätte her bekannt ist. Ohne je zeichnen, bossieren oder modellieren gelernt zu haben, bildet er aus Holz Figuren, insbesondere Tiergestalten, die dem Beschauer das Bedauern aufdrängen, daß sich der Künstler in diesem verborgenen und für ihn unfruchtbaren Winkel versteckt hält. Nun wollen wir vom herrlichen Mondsee Abschied nehmen. Gern wünsche ich den Bewohnern die Erfüllung ihrer Wünsche, hier eine modische Touristen-Sommerfrische entstehen zu sehen. Der große See und die schönen Berge geben dem Markt mehr Anrecht darauf als dem begünstigten Ischl. Dazu ist aber mehr Rührigkeit der Bewohner notwendig, mehr Sinn für feine Sitte und weniger spießbürgerliche Selbstzufriedenheit. Der strebsamste Mann des ganzen Ortes, ein Fremder, der in dieser gemeinnützigen Richtung tätig ist, wird noch immer lieber angefeindet als nachgeahmt.

Quelle: Das Österreichische Seenbuch, Heinrich Noë , München 1867, S. 42 - 43.