Rund um den Ossiacher See

In nördlicher, vielmehr nordöstlicher Richtung von Villach wird man keinen abwechslungsreicheren Spaziergang finden als den Weg in der Richtung gegen die Burg Landskron und die westliche Ausbuchtung des Ossiacher Sees. Man erreicht auf der Südbahnstraße den Brandhof, bei welchem sich links der Weg gegen Sankt Ruprecht und Treffen abzweigt. Der Weg gegen Landskron hin übersetzt aber weiter gegen Osten die Bahn. Zur Linken erblickt man das Dorf Sankt Leonhard, hinter dem zwei kleine Seen zwischen Wiesen und Wald verborgen liegen. Am Gasthaus 'Zum Zehenthof' geht man auf der Straße, die nach Ossiach führt, den bewaldeten Höhen zu, welche den Ossiacher See vom Drautale scheiden. Bei einer hübschen Villa ist abermalige Wegkreuzung. Wir folgen der rechtsab führenden Straße. Wenn man sich umwendet, erfreut man sich des weiten Rundblickes über das weite Talbecken, den Dobratsch, Mangart und andere Spitzen der Karnischen Alpen.

Bei dem Weiler Seebach (so genannt von dem Ausfluß des Ossiacher Sees, welcher hier ein Hammer- und Walzwerk in Bewegung setzt) führt der Weg am rechten Bachufer nach Treffen. Wir überschreiten die Brücke und gelangen zu der wenig einladenden Herberge Sommereggers. Man sieht die Reichsstraße nach Klagenfurt, welche sich durch Wälder zunächst nach dem nahegelegenen Dorfe Zauchen (wobei die südlich von ihr gelegenen drei kleinen Seen von St. Magdalena mitgenommen werden können) weiterzieht. Unser Weg führt uns links, nordöstlich, von dieser ab. Jenseits des Baches erblickt man gegen Nordwesten auf schöner Waldkuppe das weiße 460 Meter über dem Spiegel des Baches gelegene Oswaldi-Kirchlein, unter welcher die weitschauende Reichmannhube den Villachern als ein vielbegehrtes Wanderziel gilt. Unser Weg, zum Teil durch einen Fußpfad abzukürzen, führt schön am Wald her, der mit Schatten, Erd- und Schwarzbeeren lockt. Vor uns haben wir das 1910 Meter hohe Görlitzengebirge mit seinen vielfachen Abstufungen von Grün, hinter uns aber über Waldwipfel hinweg scharfe Zacken der Alpen an den obersten Zuflüssen des Tagliamento und Isonzo. Weiterhin, gegen Nordwesten, fallen die weißen Häuser des Marktes Treffen in die Augen. Das Tal, welches sich dorthin gegen Nordwesten öffnet und über Afritz und den Afritzer See hin zwischen den Gneisbergen Oberkärntens von einer guten Fahrstraße durchzogen wird, die zugleich als Zugang sowohl nach dem Millstätter See (westlich) als nach Feldkirchen (östlich) dient, heißt 'die Gegend'. In einer guten Stunde gelangt man von der Stadt Villach nach dem unansehnlichen Dorfe St. Andrä. Dieses bietet im Sommer eine Annehmlichkeit, nämlich die des Badens in dem warmen, klaren und pflanzendurchdufteten Wasser, Ausfluß des Ossiacher Sees, dem erwähnten Kalmus-Bad. Man bemerkt in der unteren Hälfte des Sees, insbesondere aber in der Nähe des Ausflusses, eine ungeheure Menge von Wassernußpflanzen, deren Früchte bekanntlich eines der verbreitetsten Nahrungsmittel in der Steinzeit waren.

Den Rückweg nimmt man über das Moor, welches der helle Treffener Bach durchfließt, über St. Ruprecht und an den zwei Seen von St. Leonhard vorüber. Doch ist es vorher durchaus geboten, von St. Andrä aus der Ruine Landskron, der auffallendsten aller Burgtrümmer, über dem Villacher Talbecken einen Besuch abzustatten.

Quelle: Das Österreichische Seenbuch, Heinrich Noë, München 1867, S. 188 - 189.