Pertisau

Die Pertisau ist der schönste Punkt des Achensees, und der Achensee ist der besuchteste See Tirols. Gegen Nachmittag, wenn die Sonne über den Schneefeldern des Triftenauerkopfs, des Falztumer- und Sonnenjochs, des Schneekogels und Pfaunsjoches steht, über der Talmulde ein blauer Duft liegt und der See draußen auf seinen Wellen vor dem bayerischen Wind< sprüht, da ist es ein hoher Genuß, sich am Strande der frischen lebendigen Seeluft, der Rosendüfte des Ufergartens und der Fernsicht auf die blinkenden Joche zu erfreuen. Hast du dabei die purpurne Flut des Pomarolo oder Isera, der feurigsten Traube Tirols, in wohlgefüllter Flasche neben dir, so bist du in ein Bad der Verjüngung getaucht, in welchem Glanz, Duft, Wärme in gesteigerter Potenz strömen. Der Achensee wird von zwei Winden bewegt, dem Nord- und dem Südwind. Ein anderer kann wegen der Felswände im Osten und Westen seine Ufer nicht berühren. Der erste heißt der bayerische, der zweite der warme, auch der Landwind, weil er vom 'Land' (Tirol) hereinweht. Jener kommt meist am Morgen, dieser nachmittags, dann spät am Sommerabend wieder der Südwind. Dieselbe Erscheinung bemerkt man auf fast allen größeren Seen der Alpen und Voralpen. In letzteren heißt der Südwind Bergwind. Der Grund muß in der ungleichen Erwärmung der Luftschichten liegen, welche die aufsteigende Sonne teils auf den kalten Jochen, teils in der dichten Atmosphäre der wärmeren Täler und Ebenen hervorbringt. Diese schwimmen übereinander hin und gleichen sich aus, und mit der Regelmäßigkeit der Tageszeiten drehen sich auch die Winde.

Aber ich muß doch sagen, daß, wer einmal hier ist, besser tut, sich jenseits des Inns umzusehen. Im Süden des Ziller- und Duxertales, die so nahe sind, warten seiner andere Genüsse und Belehrungen über das Wesen eistragender Alpen.

Quelle: Das Österreichische Seenbuch, Heinrich Noë, München 1867, S. 290 - 291.