Ausflug ins Mittelalter und in die Römerzeit

Jenseits Spitals erblickt man über der Drau am Waldgehänge die Trümmer der alten Veste Ortenburg, von deren einstiger Bedeutung wir oben gesprochen haben. Beim Anblick dieser auf engem Räume erhaltenen Trümmer vermag man sich kaum zu denken, wie dort jemals ein umfangreiches, gut wohnliches Schloß gestanden haben kann. Und doch wissen wir das aus geschichtlichen Überlieferungen. Für Freunde des Mittelalters bietet der Besuch der Ruine eine interessante Gelegenheit, eine der ältesten Bauformen von Burgen kennenzulernen. Von den zwei noch bestehenden Türmen, welche die Hauptbefestigung bildeten, hat nur der eine, kleinere, einen Eingang. Die beiden Türme stehen erst im obersten Stockwerk durch eine Tür miteinander in Verbindung. Diese Überreste stammen noch aus dem Anfang des zwölften Jahrhunderts.

Indessen verschwindet das Alter dieser Ruinen, wenn man es mit dem von Denkmälern vergleicht, welche fast gerade gegenüber, nördlich von der Eisenbahn, gefunden werden. Zwischen den Stationen Spital und Lendorf steht am Abhang des Petersberges das Dörfchen St. Peter im Holz.

Blick von der Ruine Ortenburg auf St. Peter im Holz © Harald Hartmann

Blick von der Ruine Ortenburg auf St. Peter im Holz
© Harald Hartmann, August 2006

Wenn man wissen will, warum hier die Römer eine befestigte Stadt anlegten, braucht man nur einen Blick auf die Karte dieses Alpenlandes zu werfen. Vom Brenner ab östlich münden hier die ersten Saumwege, welche über den Hauptkamm der Alpen, nach Salzburg und Bayern, in das alte Noricum, führen. Ringsum sind drei Flüsse, Drau, Moll und Lieser, das Land fruchtbar, der sonnseitige Hang zur Ansiedlung einladend. Jene zwei uralten Saumstraßen sind die über Mallnitz und den Korntauern nach Gastein, welche heute noch an vielen Stellen des Gebirges durch die senkrecht eingesetzten Granitpflaster kenntlich ist, mit welchen man sie gepflastert hat und im Volke der Heidenweg genannt. Diese diente, abgesehen von ihren kriegerischen Zwecken, vornehmlich zur Beförderung der Edelmetalle, die in den Tauerntälern Gastein und Rauris, sowie des Salzes, das in den Bergwerken Salzburgs gewonnen wurden.

Der andere Weg in die Donauländer, der später in eine Fahrstraße umgewandelt wurde, ist die dermalige Salzburger Reichsstraße, die von Spital nördlich über Gmünd, den Katschberg und den Radstädter Tauern nach Salzburg führt.

So war also die Lage der Römerstadt Teurnia gewissermaßen durch die Natur vorgezeichnet. Überall in der Nähe, im Mölltale sowie Drau auf- und abwärts waren zudem Bergwerke in Betrieb. Ein solches aus ältester Vorzeit, die ohne Zweifel weit über die Periode der Römer, und vielleicht auch die der Kelten, hinausgeht, befand sich, wie erwähnt, in der Gegend von Tragin bei Paternion.

Im Mittelpunkt alles dieses Verkehres nun stand Teurnia. Seit Jahrhunderten sind diesem Boden Steindenkmale, Geräte, Waffen und Münzen entnommen worden. Mosaikboden findet sich an vielen Orten im Wald unter der Pflanzendecke. Man entdeckte größere Ruinen mit Heizungseinrichtungen. Die Stellen, an welchen sich Türme und Tore befanden, sind leicht nachweisbar. Die alte Umfassungsmauer befindet sich im Walde. Votivsteine, die man hier und dort aus dem Boden hob, deuten auf das Vorhandensein von Tempeln und Heiligtümern hin. Die wichtigsten Denkmäler befinden sich indessen nicht an Ort und Stelle, sondern an anderen Örtlichkeiten Kärntens und selbst entfernterer Länder, so beispielsweise Steintafeln mit Inschriften im Millstätter Stiftsgebäude, in Rom am Coelius, in Paternion. Auf zwei am Chiemsee in Bayern entdeckten Grabdenkmalen wird gleichfalls der Name Teurnia erwähnt. Der ältere Plinius zählt Teurnia unter den altrömischen Städten auf. Keltische Münzen, die hier gefunden wurden, beweisen übrigens, daß die Römer bereits eine eingesessene Bevölkerung vorfanden. Später bildete sich die Namensform Tiburnia heraus, und von dieser hat sich als umgestaltetes Überbleibsel die Bezeichnung 'Lurnfeld' erhalten, worunter man die ganze Gegend zwischen Spital und Sachsenburg begreift. Das Lurnfeld ist der klassische Boden Kärntens. Nicht nur römische Erinnerungen machen es zu einer Stätte, die jedem Kärntner denkwürdig bleibt, sondern auch Überlieferungen aus den dunkelsten Zeiten des Mittelalters. Als die Bayern, die den Grundstock der heutigen Bevölkerung bilden, den hier in den Ostalpen ansässigen Slawenstamm, von dem noch heute Überbleibsel als Ortsnamen an Dörfern, an Bergen, Wald und Flur haften, zurückdrängten, kam es an der einen und andern Stelle zu harten Kämpfen. Als Erinnerungszeichen sind 'Blutkapellen' übriggeblieben, alte Heiligtümer auf vergessenen Walstätten.

Quelle: Das Österreichische Seenbuch, Heinrich Noë, München 1867, S. 217 - 220.