Schiffahrt auf dem Hallstätter See

Dieser See, obwohl in steile Felsen eingeschlossen, wird doch von vielen Schiffen befahren; der Reichtum an Salz, Holz und Steinen würde es, für sich betrachtet, noch nicht tun, wenn nicht durch die Traun die schönste Gelegenheit gegeben wäre, solche Ware an den Schienenweg und in die weite Welt zu bringen. Da sehen wir die langen schweren Salzschiffe vorüberziehen, an denen sechs Ruderer sich abarbeiten, bis sie die Last (jedes Schiff ist mit dreihundert Zentnern beladen) mit den Rudern bis zur Seeklause hinabschieben. Der See ist geschwellt; die Holzwand der Klause hemmt einen Teil des Abflusses. Die Traun ist zu seicht, als daß ein solches Schiff auf ihrem Wasser den Gmundner See zu erreichen vermöchte - deshalb wird vier Stunden, bevor die angesagten Schiffe hinabfahren wollen, die Klause geöffnet, damit sich das Bett des Flusses seinem ganzen Lauf entlang hinlänglich mit dem nachdrängenden Wasser fülle. Sollte ein Fährmann sich beikommen lassen, vor dem Ablauf der vier Stunden den Fluß hinabzufahren, so könnte es ihm leicht begegnen, daß er dem aus der Klause abgelassenen Wasser zuvorkommt, plötzlich auf den seichten Grund gerät und sein Schiff zerschellen sieht. Man sollte es freilich vom ersten Hörensagen nicht glauben, daß es möglich sei, die Eile des Wassers zu überflügeln, auf dem man sich, ohne zu rudern, treiben läßt. Wenn man aber bedenkt, daß die Wassermassen, welche aus der geöffneten Klause hervorbrechen, nicht nur der Länge, sondern auch der Breite nach sich ausdehnen, so wird das Verhältnis begreiflicher. Jeder Alpenfluß hat so viele Verästelungen, Sackgassen, Buchten, Tümpel, Altwasser an seinem unregelmäßigen Ufer, daß das Fortströmen eines zufließenden Wassers talabwärts durch die seitlichen Ausbeugungen des Spiegels bedeutend verzögert wird. So ist es allerdings möglich, mit dem Schiff das Wasser zu überholen. Ein solches Schauspiel gibt ein gutes Bild für manche Vorgänge im Leben.

Im Frühjahr, bei höherem Wasserstand, wird die südliche Bucht des Traunsees in zwei und einer halben Stunde erreicht, mit dem spärlichen Wasserkapital des Herbstes in drei bis vier Stunden. Außerdem können aber auch die Schiffe im Frühjahr, von der größeren Wassermenge abgesehen, schwerer befrachtet werden. Denn es fließen die Bäche der Berge in die Traun, die Bäche der Schneeschmelze und der Regengüsse, welche Kalk- und Schlammteilchen derselben Flut zuwälzen, welche sonst, durch das tiefe Becken des Hallstätter Sees geläutert, klar wie flüssiger Edelstein über die heraufschimmernden Blöcke des Bettes hinrauscht. Im trüben Wasser sinkt das Schiff nicht so tief wie im reinen.

Im übrigen hat sich durch die ständige Anschwellung des Wassers am Nordende des Sees dessen Bett in geschichtlicher Zeit sicherlich etwas erhöht. Wo in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts, als der berühmte Schleusenbauer Seeauer noch nicht wirkte, Bäume am Ufer standen, da schlägt jetzt die Welle fußhoch über Stümpfe und Wurzelwerk hin. Auch wissen die Bauern von einem Steg zu erzählen, der vor Zeiten von einem Punkt unterhalb der Gosaumühle, dem 'Durchlaß', an das östliche Gestade hinübergeführt haben soll. Bei niedrigem Wasserstand sieht man noch Hölzer aus dem Wasser heraufscheinen - wieder eine Notiz für Pfahlbautengelehrte.

Ein Bild von hervorragender Schönheit stellt der See dar, wenn die auf ihm hin- und herringenden Nebel endlich die sonnigen Wände durchschimmern lassen und die beschneite Spitze irgendeines Kegels langsam über sie herauftaucht.

Man sagt, gesund werden sei ein höheres Glück als gesund sein. So ist es ein mehr reizender Anblick, den sich aufhellenden als den aufgehellten Himmel und die aufgehellte Erde zu betrachten.

Jetzt sieht es freilich nicht so aus, als ob das ein See wäre, der gewaltige Wellen werfen kann. Das tut er unter dem Druck heftiger Winde, die ihn um so mehr aufregen, je mehr sie sich an den Wänden stauen und von verschiedener Richtung in die Wasserfläche eingreifen. Dann kommt es vor, daß eines der langen Schiffe mit Spitze und Ende, auf dem Kamm zweier Wellenberge stehend, vom Sturm ohne weiteres aufgehoben und in die Flut geworfen wird. Große Stürme aber, sagen die Leute, werden vom 'Grundwind' vorher verkündet. Man bemerkt nämlich manchmal bei vollkommener Stille der Luft starke Wellen im See - von vielen auch tote Wellen genannt -, welche sie einem Wind zuschreiben, der in den Wasserabgründen die Flut aufregen soll. Auf solche pflegen Sturmwinde oben zu folgen.

Quelle: Das Österreichische Seenbuch, Heinrich Noë , München 1867, S. 72 - 74.