Die Heidenbekehrung von Brunäckkchch.

Gleich im voraus sei es bemerkt: daß die Tarrola getreue Anhänger des Papsttums sind, ist richtig. Wer das nicht weiß, müßte es aus ihren Chorgebeten hören, indem sie also sprechen: "Lost uns bät'n fir insern Popscht, fir insern Bischof Johannes und fir insern Kaisa - - - ".

Diese Rangordnung vom "Popscht" über den Bischof zum "Kaisa" wird jedesmal strenge eingehalten, hat aber sicherlich keine besondere Bedeutung.

Was man über die Unduldsamkeit der Leute redet, ist hingegen fast immer Erfindung oder gar Verleumdung.

Protestantenverbrennungen kommen in dem Lande überhaupt nicht mehr vor!

Und wenn ein findiger Journalist schreibt, die letzte Ketzerverbrennung soll im Jahre 1882 vorgekommen sein, so wird jeder Einsichtige sofort verstehen, was dieses "soll" bedeutet!

Auch aus der folgenden Geschichte spricht keine eigentliche Unduldsamkeit. Man lese sie aufmerksam durch und wird die stille Größe felsenfester Überzeugung daraus verstehen lernen. - Ein Heide sollte bekehrt werden. Freilich ward dem frommen, gründlich betriebenen Werke kein ganzer Erfolg zuteil. Aber man darf die Dinge nicht nach ihrem Ausgange beurteilen.

Die gute Absicht entscheidet über den Wert einer Handlung.

Franz Schmecker hieß der Mann, dem die gute Absicht galt. Er kam als Landesfremder nach Brunäckkchch und war ein friedlicher Deutscher und Bahnbeamter. Im Anfang kümmerte er sich um niemand, und wenn er keinen Dienst hatte, fuhr er aus Brunäckkchch weg, weil er Junggeselle war. - Er meinte, so weiter leben zu können. Doch er vergaß, daß er im "hailachn Lond Tarrol" wohnte. Die Tarrola kümmerten sich sehr bald um ihn, weil er ein Fremder war und darum ihr Mißtrauen erweckte.

Und eines Tages begann der "Pforra" der "Gmoa" in der "Kerchch" folgendes zu sagen: Liabe Kchrischten! Das Efangölium, welchas gelesn wirt am dritn Suntoch noch hölichan Draikenich lautet - nehmt enk vor den Franz Schmeckkcher in Acht! daß i necht drauf vergiß! Er ischt Bohnbiamta und kos Kchrischt necht ! Weil a die gonzen vier Wochn, dä wos a do ischt bei ins, noch nia necht in da Kerchch'n g'wen ischt! Ech muß also fragen : Wauooo fohrt er hi'? Wauooos mocht er durt, wauooo a hi'fohrt? Treibet a Unzucht? Warum bleibt a donn necht in Brunäckkchch? Und warum kemmt er nia necht in dä hailache Kerche? Wä' a kos' Kchrischt necht ischt! Und darum, kchrischtlache Mitbrida, weiset in furt aus airer Nähe! Wer ain guda Kchrischt ischt, der gewehret ihm kos Obdach nöt in seinem Hause, der reichdt ihm nöt Speise noch Trankch ! Dann werdat ihr aire Söl rain erholten und er wirt die Mocht des Häan l) erkenna müssén! Noo a mol sog' i enk: nehmet engare Söle in Ocht vor dem Franz Schmeckcher, der wo ein Haide ischt! - Und hiazt, kchrischtlache Mitbrida, fohr'n ma weida auf insan haidich'n Efangölium, welchas lautet: Du sollst deinen Nächchstn lieben wia dichch sölbst! - -

Franz Schmecker kam am Abend ahnungslos nach Brunäckchch zurück. Ein bekannter Europäer erzählte ihm das Vorgefallene. Franz Schmecker meinte, es sei nichts daran, die Meinung der Leute kümmere ihn gar nicht. Er begriff noch immer nicht, wo er lebte. - Als er ins Wirtshaus kam, rannte der Wirt wütend zum Tische hin und schrie ihn furchtbar an: Daß d' außi kchemmst, haidnischer Teifi du! Fir di how i nix z'essn und z'trinkch'n !
Franz Schmecker

Wer si' bei mia ansauffn wü', däa muaß enda 2) in d' Kerchch'n gähn! Außi, du höllischer Satanas!

Schmecker ergriff die Flucht. Er wollte sich beim Krämer eine Wurst zum Nachtmahl kaufen, aber dieser hetzte seine drei Hunde auf ihn mit den Rufen: Pockchts 'n o', den vahextn, glosaugaten Zoddel !

Der Bäckerladen war seine letzte Hoffnung. Doch die Eigentümerin trat bei seiner Annäherung

Franz Schmecker

mit einem Weihwasserkessel heraus und schüttete ihm dessen Inhalt mit den Worten entgegen: Gehscht wekch ! Mir bockch'n fir koane haidnischen Stodtfrackch nöt! - -

Hungrig mußte er nach Hause gehen. Auf der Straße vor seinem Quartier sah er seine Habe liegen. Reisekoffer, Kleider, Hüte und Stiefel bildeten einen einzigen Haufen. Als er in den Flur trat, stürmte ihm die ganze Familie entgegen: voran die Hausfrau mit einem Besen, ihr nach der Vater mit den vier Kindern,

Franz Schmecker

alle mit Hausgeräten bewaffnet, zum Schlusse kam der neunzigjährige Großvater, in den zitternden Händen die alte Flinte, die er einst in der Heldenzeit seines Volkes dem Vater aufs Schlachtfeld nachgetragen hatte. Franz Schmecker floh abermals. Er wurde traurig und mutlos. In einem Zimmer des Stationsgebäudes fand er Zuflucht. Mit leerem Magen mußte er am nächsten Tage seinen Dienst verrichten. Ein mitleidiger Weichenwärter, gleichfalls ein Ausländer, steckte ihm ein Stückchen Brot zu, wobei er lispelte: Aber verraten Sie mich nicht! - Sein Vorstand, ein Tarrola, sagte mit ernster Miene: Es ischt mir just gor nöt racht, daß Sä dä fridlache Bevölkcharung gonz aune Grunt a sauoo schwär beleidich'n! -

Schmecker hungerte furchtbar. Er war ein gebildeter Mann und dachte an Canossa und Heinrich den Vierten, doch noch mehr an ein ausgiebiges Nachtmahl - und an einige Maß Bier. Da beschloß er, ebenfalls hinzugehen - ins "Pforrhaus" nämlich. Und er ging hin und läutete an. Der Pforra" sah ihn unten stehen und ließ ihn warten, vielleicht dachte er an Gregor den Siebenten. Aber es waren 27 Grad unter Null, darum konnte Franz Schmecker nicht so lange warten als weiland König Heinrich gewartet hatte. Er ging weg, um ins nächste Dorf zu wandern, wo er Eßwaren zu bekommen hoffte. Am Wege überfiel ihn ein Schneesturm, seine schwachen Kräfte verließen ihn; er stürzte zusammen und erfror. Allein das viele Wasser, das er getrunken hatte, weil man ihm Wein und Bier verweigert, wurde zu Eis und zersprengte seinen Bauch, so daß ihm die Gedärme heraustraten.

Es war greulich anzuschauen. Auch den Irrlehrer Arianus hat man mit ausgetretenen Gedärmen aufgefunden. Freilich war er kein Bahnbeamter gewesen. Allein die Ähnlichkeit der beiden Fälle ist trotzdem nicht zu verkennen, ja geradezu in die Augen springend.

Niemand weiß, was Franz Schmecker, der Bahnbeamte, im letzten Augenblicke gedacht hat. Aber er wäre sicherlich bekehrt geblieben, wenn er nicht hätte sterben müssen.

Daran war jedoch die große Kälte schuld. Es waren, wie früher bemerkt, 27 Grad unter Null.


1) Herrn.
2) früher