Der Totentanz im geistlichen Lied



  Melodie: Es ist gewißlich an der Zeit.
 

1161 Komm, Sterblicher! betrachte
mich, du lebst, ich lebt' auf
Erden. Was du jetzt bist, das war auch
ich; was ich bin, wirst du werden; du mußt
hernach, ich bin vorhin, gedenke nicht in dei-
nem Sinn, daß du nicht dürfest sterben.

2. Bereite dich, stirb ab der Welt, denk'
an die letzten Stunden, wenn man den Tod
verächtlicht hält, wird er sehr oft gefunden.
Es ist die Reihe heut' an mir; wer weiß,
vielleicht gilt's morgen dir, ja wohl doch die-
sen Abend.

3. Sprich nicht: ich bin noch gar zu jung,
ich kann noch lange leben; ach nein, du bist
schon alt genug, den Gesit von dir zu ge-
ben. Es ist gar bald um dich gethan; es
sieht der Tod kein Alter an, wie mgast du
anders denken.

4. Ach ja, es ist wohl klagenswerth, es ist
wohl zu bweinen, daß Mancher nicht sein
Heil begeht, daß mancher Mensch darf mei-
nen, er sterbe nicht in seiner Blüth', da er doch
viel' Exempel sieht, wie junge Leute sterben.

5. So oft du athmest muß ein Theil des
Lebens von dir wehen, und du verlachst des
Todes Pfeil, jetzt wird du müssen gehen.
Du hältst dein Grab auf tausend Schritt,
und hast dazu kaum einen Tritt, den Tod
trägst du im Busen.

6. Sprich nicht: ich bin frisch und ge-
sund, mir schmeckt auch noch das Essen; ach!
es wird wohl jetzt diese Stund' dein Sarg
dir abgemessen; es schneidet dir der schnelle
Tod ja täglich in die Hand das Brot: be-
reite dich zum Sterben!

7. Dein Leben ist ein Rauch, ein Schaum,
ein Wachs, ein Schnee, ein Schatten, ein
Thau, ein Laub, ein leerer Traum, ein Grab
auf dürren Matten, wenn man's am We-
nigsten bedacht, so heißt es wohl: zu guter
Nacht; ich bin nun hier gewesen!

8. Indem du lebest, lebe so, daß du kannst
selig sterben: du weiß nicht: wann, wie,
oder wo, der Tod um dich wird werben.
Ach denk', ach denke doch zurück! ein Zug,
ein kleiner Augenblick führt dich in Ewig-
keiten.

9. Du seyst dann fertig oder nicht, so
mußt du gleichwohl wandern, wenn dienes
Lebens Ziel einbricht: es geht dir wie den
Andern. Drum laß dir's eine Warnung
seyn, dein Aufersteh'n wird überein mit dei-
nem Sterben kommen.

10. Ach, denke nicht: es hat nicht Noth,
ich will mich schon bekehren, wenn mir die
Krankheit zeigt den Tod; Gott wird mich
wohl erhören: wer weiß ob dur zur Krank-
heit kommst, ob du nicht schnell ein Ende
nimmst? wer hilft alsdann dir Armen?

11. Zudem, wer sich in Sünden freut
und doch auf Gnade bauet, der wird mit
Unbarmherzigkeit der Hölle andertrauet:
drum lerne sterben, eh' du stirbst, damit du
ewig nicht verdirbst, wenn Gott die Welt
wird richten.

12. Zum Tode mache dich geschickt, ge-
denk' in allen Dingen: werd' ich hierüber
hingerückt, sollt' mir es auch gelingen? wie, könnt'
ich jetzt vor Gott besteh'n? So wird dein
Tod zum Leben.

13. So wirst du, wenn mit Feldgeschrei
der große Gott wird kommen, von allem
Sterben los und frei, seyn weig aufge-
nommen. Bereite dich, auf daß dein Tod
beschließe deine Pein und Noth. O Mensch!
gedenk' an's Ende!

Quelle: D. Gottfr. Wilh. Dacer, in: Geistlicher Liederschatz: Sammlung der vorzüglichsten geistlichen Lieder für Kirche, Schule und Haus und alle Lebensverhältnisse, von Samuel Elsner, 1832, S. 494
© digitale Version: www.SAGEN.at


 

 


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