Schilderungen der Totentänze von Alois Menghin

Etwa eine gute Viertelstunde von Pinzolo und am Eingang in das durch seine großartige Alpennatur ausgezeichnete Val di Genova, steht auf einem hohen und völlig isolierten Granitfelsen, umgeben von einer reizenden Landschaft, das uralte Kirchlein San Stefano.

Das Kirchlein ist ein höchst einfacher Bau mit kleinen Rundbogenfenstern und einem derben Schindeldach. An der Nordseite ist der Turm angebaut, dessen romanische Doppelfenster von einer Quadernpyramide überragt erscheinen. Durch eine überdachte Treppe an der Südseite gelangt man zum ziemlich hoch gelegenen Eingang. Bevor wir jedoch das Innere betraten, fielen und die Fresken an der Außenwand ins Auge. Sie stammen laut Jahreszahl aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts (1519).

Zunächst fällt ein riesiger St. Christophorus, der an Körperlänge mit der Höhe der Kirche wetteifert auf, dann sieht man eine lange Reihe zusammenhängender Bilder, welche das Leben des Kirchenpatrons darstellt.

Gleich darunter springt eine Darstellung in die Augen, die in Bezug auf Originalität sicher einzig dastünde, wenn in Rendena nicht eine zweite Kirche, von der wir weiter unten zu sprechen gedenken, etwas Ähnliches, ohne Zweifel vom gleichen Meister, aufzuweisen hätte. Es ist dies, der in der ganzen Einwohnerschaft des Tales wohlbekannte Totentanz, ein Triumphzug des unerbittlichen Sensenmannes, der ohne Rücksicht auf Rang und Stand, Menschen aus den verschiedenartigsten Berufskreisen in seinem Gefolge führt.
Repräsentiert werden diese durch neun Stände: Papst, Bürger, Bauer und Bettler. Von den letzten sechs finden wir selbstverständliche auch die bezüglichen Frauen in dem unheimlichen Zug.
An der Spitze desselben sehen wir die Musik, welche drei Totengerippe mit den Italienischen Nationalinstrumenten, Dudelsack und 'Quitsch-Klarinette' besorgen.
Die Figuren sind sämtlich von tödlichen Pfeilen durchbohrt, und jede ist von einem schadenfroh grinsenden Bogenschützen im Skelettgewand belgeitet.

Der ganze Zyklus ist dem Stoff gemäß in einem düsteren, fast bräunlichen Kolorit ausgeführt, während die anderen Fresken eine recht lebhafte Farbgebung zeigen.

Zu San Vigilio in Pinzolo schreibt Menghin weiter:

Sonst macht die Kirche einen recht vernachlässigten Eindruck, der durch mancherlei Bestattungsutensilien, die ordnungslos umherliegen, nur noch erhöht wird. Um so interessanter gestaltet sich das Äußere, wo wir auf der südlichen Kirchenwand wieder einen ähnlichen Totentanz finden, wie in San Stefano.

Er nimmt die ganze Länge und ein Drittel der Höhe der großen Mauer ein und ist oben und unten mit zahlreichen Inschriften versehen, die aber leider aus der Entfernung nicht mehr zu lesen sind.

Der Dudelsackbläser ist hier als König dargestellt mit einer Krone auf dem Haupt und auf einem Thronsessel [sitzend]. In seinem Gefolge ist als erstes Opfer des Todes, Christus am Kreuze mit dem Todespfeil im Herzen, dargestellt. Im weitern Zug sind wieder Ritter und Fürsten, Arm und Reich. Ein reitender Tod auf einem beschwingten Schimmel, dem Symbol der Schnelligkeit, bildet den Schluß.
Auf einem zweiten Bild unter diesem sieht man der Gegensatz des ersten, die sündige Welt und Saus und Braus, die Huldiung der sieben Hauptsünden, welche durch allegorische Tiere, welche den respektiven Schwelgern als Attribute beigegeben sind, dargestellt erscheinen. So zeigt uns der Esel den Trägen, das Schwein den Unmäßigen, den Bock den Unzüchtigen u.s.w. Die tolle Gesellschaft hat einen Teufel voraus und einen hinten nach, und ist also ganz in deren Händen.

An einer Stelle fand ich die Jahreszahl 1520, an einer andern 1536 angezeichnet.

Quelle: Alois Menghin: Wanderungen durch Judicarien und Rendena, in: Tirolensien I, Jg. 1887, 1888, 1889, S. 65ff
© Digitale Version: www.SAGEN.at, Rechtschreibung angepasst

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Anregungen und Ergänzungen: Berit Mrugalska