Die Bauernhochzeit.
1. Das Aufgebot.

Eine Hochzeit ist immer ein wichtiges Ereignis für ein Dorf. Sei es, daß die Liebschaft schon lange offenkundig gewesen oder daß die Verlobungsnachricht überraschend kommt, immer gibt es auf ein paar Wochen Stoff zum abendlichen Heimgartengespräch, bei dem natürlich alles, was die Brautleute angeht, aufs Genaueste erörtert wird, und zwar mit einer Einzelkenntnis, welche oft mehr weiß als die Betreffenden selber. Der Dorfklatsch übertrifft in dieser Beziehung, wenn möglich, den Stadtklatsch. Das erste, was ein auf Freiersfüssen befindlicher Bursche tut, ist, daß er es "mit dem Mädchen richtig macht". Dazu eignet sich das "Fensterlen" oder "Gasselgehen" ganz vorzüglich, weil man da in der Stille der Nacht unbelauscht alles besprechen kann. In manchen Orten, z.B. in Dux, gibt der Bursche nach erzieltem Übereinkommen dem Mädchen ein paar Geldstücke als "Are" (Har), dann erst wirbt er bei den Eltern um ihre Tochter. Im letztgenannten Tale mußte dies früher in Reimen geschehen. Der pustertalische Werber schickt eine eigene Gesandtschaft in das Haus seiner Erkorenen, welche in aller Form um deren Hand anhält. Wehe, wenn ihm ein Korb zuteil wird! Dieser Schimpf wird ihm von seiner schadenfrohen Mitburschenschaft lange nicht vergessen und durch Spottschnaderhüpfeln und Kohlenzeichnungen in der fatalen Gestalt eines Korbes oder Schlägels, die ihm seine boshaften Kameraden nachts auf das Haus hinaufmalen, nach Kräften in die Öffentlichkeit gebracht. Darum, stärkt sich der kluge Deferegger, ehevor er den heikeln Gang der Brautwerbung unternimmt, durch eine tüchtige Portion fetter "Werberstrauben". In anderen Gegenden jedoch, z. B. in Ober-und Unterinntal, in der deutschen Gemeinde Proveis am Nonsberge usw. wird Werbung und Eheversprechen ganz im Geheimen abgemacht, sodaß niemand etwas davon erfährt als etwa die Schnüffelnase einer geschwätzigen Frau Base. Erst mit dem Gang in den Widdum, wo der Pfarrer dem angehenden Ehepaare das Brautexamen abnimmt, und mit dem darauffolgenden feierlichen "Handschläge" oder "Handstreiche", in Oberinntal "Stuhlfest" genannt, gelangt die Kunde an die Öffentlichkeit.

Zu diesem Familienfeste, das entweder im Hause der Braut oder im Wirtshause gefeiert wird, ladet man sämtliche Verwandte und, wo es die Sitte will, auch den Pfarrer und Meßner ein, in deren Gegenwart der Bursche dem Mädchen als Zeichen des Gelöbnisses die Hand gibt. Darauf setzt man sich an den Tisch, auf dem ein den Vermögens-umständen der Braut, denn diese muß die Kosten bestreiten, entsprechendes Mahl bereit steht. Während man mit den vollen Weingläsern anstößt und das Brautpaar hochleben läßt, krachen draußen die Böller, was entweder die Freunde des Bräutigams oder auch die Dienstboten veranstalten, um ein gutes Trinkgeld zu bekommen. Doch darf bei dieser Vorfeier nicht getanzt werden. Der "Handschlag" findet gewöhnlich an einem Samstag statt. In Ehrwald sucht man auch die Verlobung noch geheim zu halten und geht deshalb nachts in den Widdum, damit dann am folgenden Sonntage die unerwartete Verkündigung großes Aufsehen mache. Es gelingt nicht immer. Wenn die Burschen darum wissen, so schleichen sie schnell zum Hause der Braut und schießen vor den Fenstern, so daß es das ganze Dorf erfährt. Am nächsten Morgen nach der Predigt verkündet der Pfarrer mit einer gewissen Feierlichkeit von der Kanzel herab: Zum heiligen Sakrament der Ehe haben sich entschlossen etc. Lautlos horcht die Menge. Das Brautpaar ist dabei selten gegenwärtig; es darf sich erst beim zweiten Aufgebote in vollem Staat in der Kirche sehen lassen, so will es wenigstens an vielen Orten die Sitte, gegen die das neue Paar gewiß nichts einzuwenden haben wird, weil es sonst einen wahren Spießrutenlauf an den neugierigen Blicken zu bestehen hat.

Kommt nun das Volk aus der Kirche, so hat gewiß jeder zur wichtigen Neuigkeit etwas zu bemerken.

Manches Mädchen und mancher Bursche, der oder die auf eines der Verlobten einen stillen Anspruch machte, bemüht sich vergebens ein heiteres Gesicht zu zeigen, denn zur Täuschung kommt auch noch die Furcht vor der bevorstehenden Schande. Haben nämlich die Dorfburschen von so etwas Kenntnis, und sie stellen es schlau genug an, solchen Herzensgeheimnissen auf die Spur zu kommen, so bereiten sie den Sitzengebliebenen eine ähnliche Überraschung, wie wir sie bereits oben erzählt haben. Sie hängen nämlich nachts an einem öffentlichen Platze, wo es alle Leute sehen können, ein hölzernes Sieb, "Reiter" genannt, auf und schreiben darunter Knittelverse, in denen die Verlassenen einerseits ob ihrem Unglücke, nach so unzähligen Bemühungen doch durchzufallen, bedauert, andererseits spottweise tröstend auf eins bessere Zukunft verwiesen werden. Oft formt man sogar eine der Getäuschten ähnliche Figur aus Lehm oder schnitzt eine solche aus Holz, zieht derselben Kleider des Mädchens an, die man sich heimlich zu verschaffen gewußt, und stellt diesen Popanz auf dem Kirchplatze zur Schau auf. Dann nimmt man eine "Reiter" und zwängt sie der Figur bis auf die Hüfte hinab. Daneben und an den Ecken der Dorfgassen werden Spottgedichte aufgeheftet. Man kann sich den Schrecken und den Ärger der Armen vorstellen, die sich gar nicht aus dem Hause getraut vor Scham, so schmählich "durch die Reiter gefallen zu sein." Da mag sie dann wohl in ihrer einsamen Kammer singen:

Mei' Schatz hat mi' g'reitert,
Was soll i itz thoan,
I bin ja verlassen
Wie a Stoanl am Roan.

Eine andere Art Verspottung sitzengebliebener Mädchen ist das "Lösch" säen. Man nimmt sein zerriebene Schmiedschlacken und macht damit vom Hause des Mädchens bis zum Hause des wirklichen Bräutigams einen schwarzen Streif mit allerlei Figuren und Kreuzen. An anderen Orten, z. B. in Lermoos, macht man denselben aus Gerberlohe oder Sägmehl und zeichnet damit vor dem Hause des Mädchens einen Kreis mit den Anfangsbuchstaben des Namens. Auch eine mit Kohle an die Hauswand gezeichnete Geige nebst Fidelbogen gilt als Ausdruck dieser Schande.

Während sich so manch' eine Seele im Stillen härmt, leben die Brautleute in hellichtem Jubel. Alles geht ihnen zu und wünscht ihnen Glück und Segen, und wohin sie kommen, werden sie gefeiert. Am Sonntag des ersten Aufgebotes machen sie einen weiteren Ausflug in ein anderes Dorf oder in eine Stadt, wo der Bursche seine Braut ins Wirtshaus führt und ihr Wein und Braten vorsetzt. Erst abends kommen die beiden heim. Ist der Bräutigam aus einem andern Dorfe, so will es manche Talsitte, z. B. in Gröden, daß er an den drei Sonntagen, an denen sie in der Kirche verkündet werden, seine Braut in ihrem Heimorte besucht, mit ihr dem Nachmittagsgottesdienste beiwohnt, sie dann ins Wirtshaus führt und schließlich wieder heimbegleitet. An einem Tage der Aufgebotszeit gehen die Brautleute gewöhnlich in einen nahen größeren Ort, um die "Brautstückeln", d. s. verschiedene Gegenstände für sich und Geschenke für die Hochzeitsgäste einzukaufen. In Proveis schreibt ein alter Gebrauch dieselben vor: der Bräutigam muß für seine Verlobte einen Kittel, rote Strümpfe, ein Fürtuch, ein schönes Halstuch und die Trauringe einhandeln; dieBraut beschert ihm dafür ein Hemd, ein "Leibel" (Weste)und ein Halstuch und kauft die Kränze und künstlichen Blumen zum Schmuck der Hochzeitsgäste. Man geht von diesem Orte nach Cles, von Gröden nach Bozen etc. Ein solcher Gang wird in den meisten Tälern Südtirols nur in Begleitung von Verwandten unternommen, weil man während des Brautstandes auf strenge Zucht und Sitte hält. So darf in Proveis der Bräutigam während der ganzen vierzehn Tage vor der Hochzeit seine Braut in ihrem Hause nicht besuchen. Um ihr zu zeigen, daß er in Liebe ihrer gedenke, wird fleißig geschossen, und zwar desto eifriger, je näher der Hochzeitstag heranrückt.

Am strengsten sind die Anstandsvorschriften, welche die Verlobten in Ampezzo zu beobachten haben. Die Hochzeitsgebräuche in dieser von Kaiser Max I. mit Tirol vereinigten welschen Gemeinde gehören überhaupt zu den sonderbarsten. Der Fasching, Ostern, das Apostelfest Peter und Paul und der Monat November sind die ausschließlich zum Heiraten bestimmten Zeiten. Durch wechselseitiges Einvernehmen geschieht es, daß immer sechs, acht bis zehn Paare zugleich zum Altare gehen, welcher schöne Beweis von Gemeinsinn natürlich das Fest zu einem allgemeinen Talfeste stempelt. Ist das Mädchen in den ehrenvollen Brautstand getreten, so heißt sie "Novizin" und erhält sogleich von ihren Eltern eine "Novizenmeisterin" in der Person eines erfahrenen, verständigen Weibes, ohne welche die Braut nicht öffentlich erscheinen darf. Diese Wächterin hat den bedeutungsvollen Namen Brontola. (Brummbär), der genugsam ihre Pflicht ausdrückt. Das ampezzanische "Statut" strafte den einer Schönen wider ihren Willen gegebenen Kuß mit 10 fl. d. i. 20 Kronen Bußgeld. Am Sonnabend vor dem ersten Aufgebote begeben sich die gesamten Paare - versteht sich: jede Braut mit ihrem Argus an der Seite - in die Kirche. Der Küster führt sie dann in Prozession in den Widdum, wo sie der Pfarrer aus dem Katechismus prüft. Ist das Examen vorbei, so kehrt man in der nämlichen Ordnung in die Kirche zurück, von da aber geht der Zug ins Wirtshaus, um sich von der überstandenen Prüfungsangst zu erholen.

An den Tagen des Aufgebotes erscheinen die Novizinnen mit ihren Brontole in festlichem Putz, und zwar das erstemal grün, das zweitemal blau, das drittemal wieder grün, im ganzen buntscheckig in der Kirche und nehmen da den mittleren Platz ein. Die Braut muß vom ersten Aufgebote an bis zur Hochzeit immer die Tasche voll Kuchen zum Austeilen bei sich tragen. Den Namen "Newitscha" (Novize) führt auch die Braut in dem ladinisch sprechenden Gröden der Bräutigam heißt "Newitsch". Beim zweiten Aufgebote - beim ersten ist das Brautpaar abwesend - erscheint die Braut ebenfalls in altertümlichem Staate. Sie tragt ein scharlachrotes Korsett mit einem Oberkleid, welches das eine Mal von grüner, das andere Mal von blauer Farbe ist, und einen breitkrämpigen grünen Hut. Auch die ihr zur Seite gehende Kranzeljungfer hat die gleiche Tracht. Der Bräutigam zeigt sich in einem langen Festrocke mit einem Blumenstrauß an der rechten Seite und auf dem Hut, unter dem linken Arme aber hängt ein Amulet an einem farbigen Bande, das sich über die rechte Schulter zieht. In den nördlicheren Tälern Tirols hat man die alten originellen Trachten beim Aufgebote weggelegt und schmückt sich nur mit den gewöhnlichen Festkleidern.

An einem bestimmten Tage innerhalb der zwei Brautstandwochen, in Dux sogar schon vier Wochen vor der Hochzeit, erfolgt die Einladung der Hochzeitsgäste, das sogenannte Ansagen, das bei wohlhabenden Bauern mit größtmöglicher Feierlichkeit vor sich geht. Eingeladen werden die Verwandten, von den nächsten bis zu den entfernten Basen und Vettern, die, wie das Sprichwort sagt, "von der siebenten Suppe ein Schnitte!" sind, gute Bekannte und alle diejenigen, denen man "es schuldet", d. h. auf deren Hochzeit man ebenfalls eingeladen war. "Hochzeitslader" sind entweder die ältesten Brüder der Braut, oder in Ermangelung derer die beiden nächstverwandten Burschen, häufig auch der Brautführer. In Defereggen geht der Bräutigam selbst in Begleitung des Genannten einerseits, die Braut mit der Brautmutter andererseits von Haus zu Haus. In Gröden machen sich beide Brautleute mitsammen auf den Weg. Sie sind schön gekleidet und haben ein größeres Gefolge mit sich; dem Zuge voran schreitet ein Führer, der zugleich den Sprecher macht und bei dieser Gelegenheit viel Schwank und Schabernack verübt. Man geht zuerst zu den Nachbarn, dann zu den Gevatterleuten und endlich zu den Verwandten. Nach der Aufsagung des üblichen Spruches werden Speisen und Kaffee aufgetragen. Schließlich erhält die Braut ein Geschenk für das Hochzeitsmahl, welches deshalb für die Geladenen kostenfrei ist.

Die "Einladung" trägt der Sprecher entweder als eine Rede in Prosa vor, in welcher er die Hausbewohner im Namen des Brautpaares freundlich bittet und einladet, der Hochzeit, die an dem und dem Tage, um so und so viel Uhr in der und der Kirche stattfinden werde, sowie dem darauffolgenden "Traktament" in aller "Freud' und Fröhlichkeit" beizuwohnen, oder er deklamiert einen langen Reim, in welchem er voll urwüchsigen, freilich oft auch derben Witzes die Herrlichkeiten aufzahlt, welche die Gäste bei der Festlichkeit zu erwarten haben. Es sei gestattet, ein Bruchstück eines solchen wirklich launigen Hochzeitladerspruches 1) aus der Umgebung von Innsbruck hier anzuführen:

"Es schicken mich daher Sie und Er, der Johannes Barkopf mit der kropfeten Stine (Christine) mit ihrem klumpen Kragen, sie lassen enk (euch) alle auf die herrische Bettelhochzeit laden, welche angestellt wird den 55ten Gänsmonat. Zu einer Früh- oder Morgensuppen wird man ein heißes Paar Knödel samt einer kalten Gatz'n voll Wasser übern Buckel geben, von da wird man das ehrlose Brautvolk mit Knittl und Wasen (Rasenstücken) auf's weite Feld begleiten und dann wird das hochzeitliche Traktament beim Herrn Wirt zum goldenen Besenstiel, der wenig gibt und roatet (rechnet) viel, angestellt werden. Es werden auch recht wackere Gast' erscheinen, nämlich: der Prügelbeichter aus dem Engadein, der Suppenschmied aus Schwaben, der oberste Fackelschneider aus Baiern, der Nudelsetzer aus Hötting, der Strohprofessor von Innsbruck, der Judenhenker von Wiltau (Wilten), der Musaufstiefler von Flaurling etc...... Was die Musik anbelangt, haben sie ein paar hurtige Spielleut, an' berühmten Schellenschlager und an' halbverzagten Kraxentrager, wie auch zwei liebliche Vorsänger, der Jaggl vom Sterzingermoos und der Grigg Gragg vom Amraserg'schloß."

1) Andere derartige Ladesprüche, wie ich deren in meiner Sammlung mehrere besitze, sind in dem Buche von Franz F. Kohl, die Tiroler Bauernhochzeit. - Sitten, Bräuche, Sprüche, Lieder und Tänze mit Singweisen. Wien, Ludwig. 1908 (Quellen und Forschungen zur Deutschen Volkskunde hgg. v. E. K. Blümml. III, Bd,) zu finden.

So geht der Reim weiter, indem noch in ähnlicher Weise von den Herrlichkeiten des Hochzeitmahles und von den Gütern und Eigenschaften des Brautpaares erzählt wid.

Die Duxer Hochzeitlader fahren zur Winterszeit auf einer "Geiß", d. h. auf einem Rennschlitten in dieser Form. Vorgespannt ist ein mit einem Schellenkranz geschmücktes Pferd. Die Geladenen erhalten sogenannte Nesteln, griffelförmige Läppchen von rotem Leder, welche sie auf dm Hut stecken und bis nach der Hochzeit oben lassen. Auch im Zillertal müssen die Hochzeitsgaste solche Nesteln aus roten Lederriemchen tragen und zwar, wie man dort sagt, damit dem Brautbett nichts Böses geschehe und das junge Paar Glück habe. Sobald die Hochzeitslader ihren Auftrag ausgerichtet, werden sie bewirtet und ziehen ihren Weg weiter in das nächste Haus.

Ein bedeutungsvoller Teil der Hochzeitsvorbereitungen ist die feierliche Überführung des Heiratsgutes der Braut in die neue Heimat, Dieselbe findet in der Regel am Tage vor der Hochzeit oder, wenn dieselbe auf einen Montag fällt, am vorhergehenden Sonnabende statt. Auf einem Leiterwagen werden alle Gegenstände der Mitgift, das "Wazum", wie es im Unterinntale heißt, hoch aufgeladen, da prangt der Brautkasten aus hartem Holz oder blau angestrichen und mit Blumen bemalt, das neue aufgerichtete Doppelbett, daneben andere Möbel und Geräte. Oben auf der Fuhr liegen schön geordnet die Kleider der Braut, die faltenreich herabhängenden Röcke, die verschiedenfarbigen Korsetten, die seidenen Tücheln, die Weißwäsche und das Bettzeug. Zuhöchst auf dem "Plünderwagen" nickt das Spinnrad mit einem Wickel Flachs, der durch rottaffetne Bänder an der Stange befestigt ist, und die Wiege. Der Führer des Wagens, im Unterland "Samer" oder "Samerlführer" genannt, ist schmuck herausgeputzt und trägt einen "Büschel" (Blumenstrauß) auf dem Hut. In Defereggen heftet er ein seidenes Tüchel hinauf, welches ihm die Braut zum Geschenke gemacht hat. Auch die Pferde sind mit "Pfötscheln" und farbigen Maschen geschmückt. Hat man fertig aufgeladen, so treibt der Führer lustig mit der Peitsche schnalzend die Pferde an und fährt unter Jodeln und Jauchzen seinem Bestimmungsorte zu.

Aber noch gibt es einige Hindernisse zu überwinden.

Kaum ist er eine Strecke vorwärts gekommen, so springen ihm ein paar Burschen in den Weg und versperren ihm denselben mit einem Seil oder einer Stange. Der Führer fordert freien Durchlaß; der hinter der Sperre stehende Bursche verweigert ihn. Nun entspinnt sich ein Wortgefecht, das in Reimen geführt wird und eine gute Weile dauert, bis sich der "Reimer" endlich herbeilaßt, gegen ein gutes Trinkgeld - z. B. in Defereggen einen Taler - den zeitweilig errichteten Zollbaum aufzuheben und den Führer samt seinem Wagen frei ziehen zu lassen. Das ist das sogenannte Klausenmachen. Oft geschieht dies neun bis zehn Mal, ehe der Wagen zum Ziele gelangt. Der erste "Reimer" ist meist ein Bruder oder Verwandter der Braut. Ist der Wagen im Hause des Bräutigams angelangt, so schenkt dieser Schnaps aus. Mit noch größerer Feierlichkeit hielt man diesen Brauch früher im Pustertal; im Iseltal kommt er noch jetzt bisweilen vor.

Eine solche "Klause" beschreibt Zingerle in seinen "Sitten und Gebräuchen" aus Tirol". Wenn ein Mädchen von einer Gemeinde in eine andere heiratet, so wird innerhalb des Gemeindegebietes, aber außerhalb des Gerichtsbezirkes der Braut, über den Weg eine grüne Ehrenpforte gebaut mit zwei oder vier Säulen und Querbalken, zuweilen mit den Insignien des Bräutigams geziert, z. B. mit Scheibchen, wenn er Schütze ist. Zu beiden Seiten der Pforte brennen zwei große Pechkerzen. Diese sind ziemlich lange Prügel mit einer Vertiefung oben, in der das Pechfeuer unterhalten wird. Der Weg ist an der Pforte durch eine überzogene Kette, die in der Mitte aus Stroh besteht, abgesperrt. Rechts und links steht ein Wächter. Die anderen Personen halten sich meistenteils beim nahen Feuer auf. Es sind der Hauptmann, etliche Musikanten und der Wirt mit seinem Schnapsfäßchen, zuweilen hat er seine ganze Branntweinbrennerei hier unter freiem Himmel aufgeschlagen. Er siedet aber nur Wasser in seinem Kessel. Noch einige andere Personen, drollig gekleidet und mit großen Bärten versehen, sind anwesend, z. B. ein Zigeuner, ein Bettler, ein Auswanderer, der allenfalls eine große Hennensteige mit einer Katze auf dem Rücken trägt. Eine andere stets vorkommende Person ist das "Angele", nämlich ein Weiblein, welches sein Männlein auf dem Rücken oder im Korbe mit sich schleppt. Alles bisher Erwähnte, die Pforte mit den Leuten, kommt erst bei einbrechender Nacht an den bestimmten Platz, nachdem der Bräutigam mit dem leeren Fuhrwerke schon zum Hause der Braut gefahren ist. Gegen 11 Uhr nachts ungefähr kehrt der Bräutigam mit dem reich ausgestatteten Kasten der Braut und mehreren Begleitern zurück und nun nimmt das Spektakel seinen Anfang. Lauter Jubel, Musik und Böllerknall brechen los und die zwei Hauptpersonen beginnen ihr Spiel. Der eine "Reimer" steht hinter der Klause, der andere kommt mit dem Bräutigam oder er ist zuweilen der Bräutigam selbst. Letzterer verlangt freien Durchzug, ersterer verweigert ihn. Dies ist die Einleitung eines Streites und Wortkampfes, der manchmal - fünf Stunden lang dauert und wobei die zwei nur in Versen und Reimen sprechen dürfen. Jeder rühmt seine Partei und setzt die andere herab, jeder Fehler wird gerügt und jeder Vorzug des Ortes oder der betreffenden Person hervorgehoben. Unterdessen werden von den übrigen Personen alle möglichen Scherze getrieben. Jeder bringt irgend einen Reim gegen den Bräutigam. Das Angele, welches gewöhnlich eine Geige hat, die nur mit einer oder zwei Saiten versehen ist, streicht mitunter dem Gegner ein paar recht eindringende Töne unter's Gesicht, besonders wenn er nicht gar viel zu sagen weiß. Abwechselnd spielen die Musikanten ein lustiges Stücke!, von Zeit zu Zeit knallt ein Böller und das Gelächter der oft ziemlich zahlreichen Zuschauer, worunter allenfalls auch die Braut ist, trägt zur Belebung des Ganzen bei. Schließlich läuft die Sache dahin aus, daß der "Klausenmacher" entweder freiwillig oder unfreiwillig sich als besiegt erklärt. Der Bräutigam reicht ihm ein Trinkgeld, worauf der Hauptmann befiehlt, die Kette abzuhauen. So gelangt das Heiratsgut endlich in die neue Behausung.

Ein wichtiges Stück aber muß die Braut ihrem Bräutigam selbst überbringen, nämlich sein Brauthemd, das sie ihm mit eigener Hand genäht haben muß und am Tage vor der Hochzeit in sein Haus trägt. Man nennt diese Sitte "mit der Pfoad gehn". In Gröden überbringt die Kranzjungfer unter Böllerknall das Hochzeitshemd, in welches eine kleine Puppe genäht ist. Der Bräutigam muß es am Hochzeitstage tragen, wenn die Ehe glücklich sein soll. Sein Gegengeschenk für die Braut ist das Brautkleid und ein seidenes Tüchel. Der Brautführer erhält ein paar Strümpfe.

Der Polterabend verläuft in der Regel ruhig, nur die Duxer machen sich denselben lustig. Es wird nämlich der sogenannte Nachttanz aufgeführt, zu dem man nicht die Verwandten sondern die Nachbarn einladet. Dabei geht es oft lärmender zu als bei der Hochzeit selbst.

Quelle: Ludwig von Hörmann, Tiroler Volksleben, Stuttgart 1909. S. 355 - 365.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Isabella Richrath, September 2005.
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