Gömmachten und Perchtentag. (Dreikönig.)

Den Ausdruck "Dreikönigstag" kennt in den Alpen streng genommen nur der Städter; das Landvolk nennt ihn gemeiniglich "Perchtentag", welcher Name von altersher der gebräuchlichste ist und in den Urkunden vom dreizehnten Jahrhundert an vorkommt. Mit ihm beginnt für den Bauern das neue Jahr, mit ihm schließen aber auch die "Zwölften", das sind jene heiligen zwölf Tage der Weihnacht bis Dreikönig, welche, der altheidnischen Julzeit entsprechend, die winterliche Jahreswende abgrenzen. Deshalb wird dieser Tag in manchen Gegenden, z. B. in Passeier, geradezu der "Zwölfer" genannt oder der "oberste"; im Lechtal heißt er das "große Neujahr".

Ihm geht ein nicht minder wichtiger Tag voraus, nämlich die "Gömmacht" oder "Gömmat" 1), als Zielpunkt für geschäftliche Abmachungen dem Bauer sehr wohl bekannt. Die Ableitung dieses Wortes ist noch nicht ganz sichergestellt. Wahrscheinlich ist es nur die verstümmelte Form von Gebnacht, wie man ja noch im Wipptal diesen Ausdruck gebraucht; auch bei den Sette communi heißt dieser Tag "de gute Ghibe". Dann wäre der Name von den guten Gaben abzuleiten, die man um diese Zeit den herumziehenden armen Leuten spendet. Möglich aber auch, daß die "Frau Gönnacht", welche ebenfalls urkundlich schon früh vorkommt, die Wurzel tragt und auf Goden- oder Gödennacht leitet, was allerdings, wie wir sehen werden, zum ganzen Charakter dieses Tages gut stimmen würde.

"Gömmachten" als Vorabend des Dreikönigsfestes ist zugleich die letzte sogenannte "große Rauchnacht" und wird deshalb mit besonderer Feierlichkeit begangen. Gleichwie am Weihnachtsabend muß Stube und Haustür rein gefegt und gescheuert, Spule und Spindel sauber abgesponnen sein, sonst nistet die Perchtl darinnen. Gegessen wird an diesem Abend viel, sehr viel und wenn man auch nicht überall wie in Steiermark in dieser "Dreimahlnacht" dreimal ißt, so kommen doch drei Speisen auf den Tisch. Hiebei herrscht nun die überkommene Gepflogenheit, daß man von jeder Speise für die Perchtl etwas übrig läßt und auf's Hausdach stellt. Gewöhnlich sind es schmalzige Nocken, die man ihr vorsetzt, oft auch Milch, Speck, Schinken, Fleisch und Eier. Nachts kommt sie dann und ißt davon. In den Gegenden von Lienz wirft man Käse für sie in den Bach, ein Brauch, dessen bereits in Urkunden des dreizehnten und vierzehnten Jahrhunderts Erwähnung geschieht. Auch ins Feuer wird an diesem Abend von jeder Speise ein Löffel voll geworfen. Die obersteierischen Dirnen aber lassen der Perchtl von der sogenannten "Perchtenmilch" etwas übrig.

Diese Perchtl nun, die je nach der Landschaft auch Stampa oder, wie in Kärnten, Perchtrababa heißt, ist ein gespenstiges Wesen, das man sich als grausliches altes Weib mit zotteligem Haar und zerlumpten Kleidern vorstellt. An einigen Orten denkt man sie sich kopflos, an anderen trägt sie ein riesiges Haupt mit Augen wie Butzenscheiben. Eigentümlich sind ihr noch lange Zähne und eine lange eiserne Nase, weshalb sie schon in alten Urkunden den Namen Perchtl mit der "eisenen nasen" führt. Von hinten hängt ihr eine mächtige messingene Kuhschelle herunter. Man sieht, die Person ist nicht gerade Vertrauen erweckend, und ich nähme es keinem übel, wenn er, sobald er ihrer ansichtig wird, sich "hinter geheiligte Türen" flüchtet. In den Zwölften, vorzüglich aber in der Nacht vor dem Perchtentag, dem sie den Namen gab, fährt sie sausend durch die Lüfte, und wehe dem arglosen Wanderer, der ihr begegnet, oder der Spinnstube, der sie ihren nächtlichen Musterungsbesuch abstattet. Ihr Geleite bildet meist eine Schaar kleiner Kinder, die in langem Zuge ihr nachfolgen. Hie und da soll sie auch mit einem Roßkopf und mit einer Wiege gesehen worden sein. Da sie auch gern kleine Kinder raubt, so legt man letztere am Dreikönigstage nicht in die Wiege, sondern darunter, damit ihnen die gespenstige Räuberin nichts anhaben kann.

Gegen den Unfug dieses geisterhaften Weibes gibt es nur ein Mittel, nämlich das "Räuchern", das denn auch an diesem Abend nach dem Essen mit besonderer Sorgfalt ausgeführt wird. Über die Türen zu den Schlafkammern der Mägde wird, damit ja nichts Böses hineinkomme, von dem, der am besten schreiben kann, mit geweihter Kreide ein kräftiges C + M + B +, d. i. Caspar, Melchior und Balthasar angeschrieben. Auch die Tür zur "Stube" erhält diese drei Kreidezeichen. Sie bleiben bis zum nächsten Jahre stehen. Nach dem Räuchern werden Fenster, Haus- und Stalltüren fest verschlossen aus Furcht vor der "wilden Perchtl", die manchmal trotz der Räucherung in das Haus eindringt. So soll sie einmal in Virgen eine eiserne Hand auf dem Herd zurückgelassen haben. Es könnte einem wirklich gruselig werden.

Aus demselben Grunde geht, wer nicht muß, nach dem Räuchern nicht mehr vor's Haus und mancher, der es unkluger Weise tat, hat seinen Übermut bitter büßen müssen. Hier gleich ein Beispiel. Jenseits des Brenners saßen einmal um Gömmacht drei lustige Kumpane noch spät abends im Wirtshause. Da wollte einer hinaus, um zu sehen, ob es wohl heiter Wetter wäre, was man in dieser Nacht wünscht. "Geh nicht," mahnten die anderen, "die Stampa wird dich packen." Der aber antwortete keck: "Was, Stampa hin, Stampa her" und ging hinaus. Kaum stand er vor dem Haustor, so fühlte er sich plötzlich auf einen Wagen gehoben, und nun fuhr es mit ihm pfeilschnell durch die Lüfte. Als es endlich Tag wurde, befand er sich wieder vor dem Wirtshause, wo seine leichtfertigen Kameraden noch saßen und ihn mit angstvoller Miene erwarteten. "Ja", sagte er, "wenn ich gesagt hätte: "Stampa her, Stampa hin, statt Stampa hin, Stampa her, wäre ich nicht mehr gekommen." Manchem anderen auf diese Weise Entführten ist es schlimmer ergangen und man fand Tags darauf den entseelten Körper mit fremdartigen Blumen zwischen den Fingern vor der Haustür. Unter solchen Umständen ist es begreiflich, daß man sich an diesem Abende nicht gern ins Freie wagt, obwohl gerade um diese Zeit Geld und Gut in Hülle und Fülle zu bekommen und mit dem Leibhaftigen an Kreuzwegen ein gutes Geschäftchen zu machen wäre. So begnügt man sich denn, im traulichen Heimgarten durch "Schuhwerfen" die Zukunft zu erforschen oder sich durch Geschichtenerzählen die Zeit zu vertreiben. Beliebt ist auch, besonders im Unterpustertal, das "Hafelenstellen", welches geistreiche Orakel darin besteht, daß man neun Häfen umgestürzt aufstellt, unter jeden etwas legt, z. B. einen Ring, einen Brief, eine Kerze und anderes. Daraus schließt man auf das Angenehme oder Unangenehme, was das neue Jahr bringen wird. Sogar die oben erwähnte "Perchtlmilch", oder besser gesagt, die geleerte Schüssel mit den daran gelehnten Löffeln ist Gegenstand ängstlicher Beobachtung, denn wessen Löffel während der Nacht herabfällt, muß in diesem Jahre sterben.

Gleich "Gömmachten" weist auch der darauf folgende Dreikönigs- oder "Perchtentag" Züge uralter heidnischer Überlieferung auf, die aus der gegenwärtigen christlichen Feier des Festes noch durchschimmern. Die Kirche weiht je nach der Gegend auch an diesem Tage Wasser und Salz. Ersteres, das sogenannte "Küningwasscr" oder "Künigweih", wie es im Sarntal heißt, wird in ähnlicher Weise, wie am Stephanstage geweiht, meist in einer großen Kufe neben dem Taufbecken oder im Vorhaus der Kirche. Dahin bringt man auch die Kreide, sowie das aus Ameisenhaufen gewonnene Harz, um beides vom Priester weihen zu lassen, falls dies nicht schon am "heiligen Abend" nach dem letzten Rorate oder nachmittags geschehen ist.

Mit dem Dreikönigswasser besprengt man, wie mit dem Stephanswasser Stall und Vieh und gibt auch etwas davon ins Trinkwasser. Ebenso bespritzt man die Weinberge und Felder und räuchert sie dabei ein. Den Wedel steckt man an einer hohen Stange im Acker auf oder nagelt ihn an die Stalltür. Bei dieser Einsegnung, welche gewöhnlich die zwei "kleinsten" Knechte vornehmen, ist es nun an einigen Orten, z. B. in Sarntal üblich, daß diesen die Dirnen in einem Versteck am Wege, sei es nun Stiege oder Tür, aufpassen und die arglos ihrer Pflicht nachkommenden Knechte mit Wasser beschütten. Fehlen sie dieselben so gibt es ein trockenes Jahr. Meistenteils wird dieser Segensgang erst nach dem Mittagsmahl vorgenommen.

Dasselbe ist an diesem Tage reichhaltiger, als sonst. Die Sitte will es, daß hiebei gewisse Speisen nicht fehlen dürfen; so darf z. B. in Nordtirol ein Weizenmus (Brei) nicht vermißt werden. Im Zillertal kommen die beliebten Magschaden" (Mohnblatteln) auf den Tisch, welche Speise wahrscheinlich den kärntnerischen "Stockblatteln" oder dem "Blattelstock" entspricht. Wo der große Familienzelten nicht schon am Stephanstage angeschnitten wurde, geschieht es am Dreikönig beim Mittagsmahl und zwar mit einer gewissen Feierlichkeit durch den Familienvater. Befinden sich Windmühlen beim Hause, so werden dieselben während dieses Zeltenanschneidens getrieben.

Der Nachmittag ist verschiedenen ernsten und heiteren Belustigungen geweiht. Da ziehen die "Heiligen drei Könige" mit ihrem Stern von Haus zu Haus und singen ihre treuherzigen naiven Lieder. Im Etschtal und in den deutschen Gemeinden an der italienischen Sprachgrenze gehen, wie wir bei Weihnachten hörten, die Kinder in die Häuser um die "Goimacht", d. i. um ein kleines Geschenk. Hie und da wird auch ein Dreikönig-Spiel aufgeführt, so in Hall und Taur das beliebte Goliathspiel, obwohl dieses mit den drei Weisen aus dem Morgenlande nichts zu tun hat.

Im Salzburgischen zieht an manchen Orten die Perchtl um. Im blauen Kleide und mit einem Schellenkranz kommt sie zu den Häusern und bittet um Gaben. Doch selten erscheint sie in so lieblicher Gestalt. Gewöhnlich zeigt sie sich als ihr Zerrbild die "wilde Perchtl", ein zerlumptes Weib mit einer messingenen Kuhschelle am Rücken. In wilden Sätzen springt sie Gassen auf, Gassen ab und dringt gabensammelnd in die Häuser mit dem Rufe:

Kinder oder Speck,
Derweil geh i net wek.

Noch toller geht es dort zu, wo sie mit ihrem Gefolge, den "Perchten", erscheint, wie dies vorzüglich in den östlichen Alpengegenden der Fall ist. Waizer und Franzisci in ihren veldienstvollen Schilderungen kärntnerischen Volkslebens geben von diesem aufregenden Schauspiel ein sehr lebendiges Bild. In den seltsamsten Vermummungen, mit Tierlarven vor den Gesichtern und Schellen am Rücken, stürmen sie unter ohrenbetäubendem Peitschenknallen, Geschelle und wildem Jauchzen durch die Dorfgassen. So ist es besonders im Mölltal und in der Lienzer Gegend; aber auch im Zillertal und im Großachental war noch vor wenigen Jahrzehnten das "Perchtenlaufen" oder "Perchtenspringen" üblich. Im Pinzgau zogen früher oft Rotten von zwei- bis dreihundert vermummten Burschen mit Kuhglocken und unter Peitschenknall herum. In jüngster Zeit ist dieser Brauch um Dreikönig sehr in Abnahme gekommen, oder hat sich, wie im westlichen Pustertal in harmloserer Gestalt mit den Faschingsumzügen vermengt. Diesem gleichmachenden Zuge der Zeit ist leider auch, wenigstens in verkehrsreicheren Bezirken, ein anderer altehrwürdiger Brauch zum Opfer gefallen, der noch in meiner Jugend in Tirol, besonders in den westlichen Tälern allgemein geübt wurde und sicher in die ältesten Zeiten zurückreicht. Wie schon im vorhergehenden Abschnitt erzählt wurde, hat der Geliebte eines Mädchens, der diesem am Stephanstage den "Zelten nachtragen" darf, das Recht, am Dreikönigstage denselben "anzuschneiden" oder, wie es ganz richtig heißt, "anzustechen". Der Bursch kommt mit einbrechender Dämmerung an's Fenster seiner Geliebten, die ihm das "Kletzenbrod" mit Butter vorsetzt. Er bringt als Gegengabe gewöhnlich ein Fläschchen Gebranntes mit oder ein anderes kleines Geschenk, so im Oberinntal einen "Schnürriemen", wie ihn die Mädchen dortiger Gegend zum Zusammenhalten des Mieders verwenden. In diesem Falle steckt der Bursch das Messer von oben herab in den Zelten, wickelt das Band herum und spricht:

Fünf Ellen a Schand',
Sieben Ellen a Band,
Neun Ellen um d'Hand.

Natürlich sagt diesen Spruch nur einer, der eine Schnur von entsprechender Länge mitbringt. Dann schneidet der Bursch von der Mitte bis zum Rand des Zeltens, die andere Hälfte durchschneidet das Mädchen. Darauf wird unter Scherz und Plaudern das frugale Mahl verzehrt. Ist es eine dienende Dirne, so muß ihr der Bursch dafür zu Lichtmeß, falls sie aus dem Dienste tritt, das "Schlengelzeug", d. h. ihre Habseligkeiten nachtragen. Oft ereignet es sich, daß ein Bursch auf die Einladung des Mädchens zum Zeltenanschneiden nicht erscheint und ihr auf diese Art die Liebe aufkündigt. In diesem Falle muß die Betreffende zusehen, daß sie bald einen neuen Liebhaber bekommt, denn es heißt:

Sebastian
Schneidet den letzten Zelten an.


1) Auch Gönnacht (Oberinntal) und Gennachten (Unterinntal).

Quelle: Ludwig von Hörmann, Tiroler Volksleben, Stuttgart 1909. S. 241 - 247.