Die Poesie der Dreschtenne.

Wenn wir in den Oktobertagen durch ein Gebirgsdorf gehen, so hören mir immer seltener jenes anheimelnde helldumpfe Gehämmer, jenen "süßen Melodientakt der Tennen", wie es Hermann v. Gilm so bezeichnend nennt. Statt dessen martert unser Ohr das eintönige Gepolter der Dreschmaschine, die, von keinem Pulsschlag emsiger Arme belebt, in mechanischer Gleichförmigkeit die Menschenarbeit verrichtet. Für den Bauer ist dieses Ersatzmittel allerdings erwünscht, besonders seit die Hilfskräfte so selten und kostspielig geworden sind, aber der mit fühlendem Sinn betrachtende Freund von Land und Leuten ist dadurch um ein reizendes Stück Poesie, der Baum des Volkslebens um einen vollen Ast ärmer geworden. Denn um den Vorgang des Dreschens, wo es noch in althergebrachter Weise geübt wird, schlingt sich ein ganzer Kranz von ernstheiteren Gebräuchen, die mit ihren Wurzeln noch ins graue Altertum zurückreichen.

Welch liebliches Bild bietet sich dem Auge, wenn wir aus dem offenen Scheunentor die Knechte und Dirnen mit den wuchtigen "Drischeln" in den Armen staubumwirbelt im "Tennen" hantieren sehen, und hören, wie sich Scherz und helles Gelächter mit dem taktmäßigen Gehämmer der niederfallenden Streiche vermengt. Vom Dreschen selbst weiß der Städter sogar in Gebirgsgegenden in der Regel so wenig, als von den andern bäuerlichen Arbeiten, z. B. vom Pflügen, Säen, Mähen, Heuen etc. Alle diese Gegenstände und Verrichtungen sind ihm nur der Jahr für Jahr wiederkehrende belebte und unbelebte Aufputz der Gegend bei seinen Ausflügen aufs Land, weiter nichts. Und doch bieten Pflug und Dreschflegel, Sense und Sichel, und was sonst noch zum sogenannten "Arbeitsplunder" des Bauern gehört, gleich den entsprechenden Ackerbestellungs- und Erntegebräuchen eine Fülle der anregendsten Beobachtungen für den Sittenmaler und Volksschilderer. Man glaubt gar nicht, welche Mannigfaltigkeit je nach der Landschaft in diesen scheinbar unbedeutenden Dingen steckt und welche Schlüsse auf die Herkunft und Stammeszugehörigkeit sich daraus ziehen lassen. Oder ist es, um bei unserem Gegenstand zu bleiben, nicht interessant, wenn das breite, der Hereinflutung des Bayernstammes ganz offen liegende Zillertal ganz andere Dreschflegel, andere Namen hiefür und zum teil eine andere Dreschmethode aufweist, als das Unterinntal. Dort besteht nämlich der "Bengel", wie der Drischel im Zillertale heißt, aus einem beinahe meterlangen walzenförmigen Kolben aus Ahornholz, "Treml" genannt, in den stumpfwinklig ein meterlanger, etwas biegsamer Stock fest eingefügt ist. Während also sonst der "Flegel" oder "Schwengel" am langen Stiel mittels der ledernen "Haubenbänder" lose hängt, so daß er frei schwingen kann, sitzt er im Zillertal fest und die Schwingung wird durch den biegsamen, etwas gekrümmten Stock bewerkstelligt. Auch für die Art des Dreschens haben die Zillertaler eine eigene Benennung. Wenn nämlich jeder nach der Reihe seinen eigenen Streich macht, so nennen sie das "Bengeln", wenn aber nur abwechselnd bald die eine Hälfte der Drescher zusammen einen Streich macht, dann die gegenüberstehende, so heißt das "Trotten". Wer nun dem Typus der Zillertaler und anderen Eigentümlichkeiten derselben in Brauch und Sitte nachspürt, wird bei diesen Talbewohnern ganz deutlich neben dem helleren bajuvarischen Stamme noch einen dunkeln, vielleicht ursprünglich romanischen, herausfinden, mit dem sich ersterer vermischte und von dem er Verschiedenes, darunter auch den "Bengel" übernahm. Doch wohin gerate ich! Wir treiben volkstümliche Kleinkrämerei, während uns das Riesenhackbrett der Tenne seine Stücklein zum Besten gibt. Hörst du: Tiktaktak, Tiktaktak! Wie viele Drescher sind? Drei! Willst du auch den Text dazu haben, er lautet in Tirol:

Stich Hund ab, stich Katz ab,
Häng d'Haut auf.

Oder wie es in Oberösterreich und Salzburg heißt:

Stich Katz ab,
Laß's Fleisch da.

Hiebei ist "Stich Hund ab" etc. als Daktylus (- ~ ~ ) zu zählen.

Noch deutlicher zeigt sich der Rhythmus, wenn wir das den Dreschtakt wiedergebende Steirersprüchlein, das Rosegger in seinem trefflichen "Volksleben in Steiermark" mitteilt, damit vergleichen:

Hund ist todt,
Hund ist todt,
's thät uns a
Drescher noth.

Man merkt schon, es steckt in den Versen, besonders im letzten, auch eine kleine Beigabe von Spott auf den "nötigen" Bauer, der nur drei Drescher für sein Korn braucht. Bei vier Dreschern lauten die Verse:

Steigen d'Hund in Dach,

oder nach Rosegger in der Steiermark:

Schlagt ma 's Körndl
Lüfti(g) außa,
Thoan die Drischln
Lusti(g) klesch'n.
Sull'n die Körndln
Paarweis springen,
Müaß'n Buab'n und
Menscha dresch'n.

In Oberösterreich heißt es, wenn vier dreschen:

San Hund im Dach,
Iag's aber (herab) da.

Bei fünfen sagt man im genannten Landesteil:

Sein Hund im Sumpa (Korb).

Wenn sechse dreschen, haben wir den vollständig raschen Ländlertakt, so daß man, wie beim Schnaderhüpfl, darauf tanzen könnte. So im Inntal:

Stich Hund ab, stich Katz ab, häng Haut auf.

Inhaltsvoller sind die Verse in Gmunden, wo es heißt:

A Schüssel voll Krapfen,
I mag's net dertappen,

oder an anderen Orten Oberösterreichs und Steiermarks:

Bäurin, koch Krapfen,
Sechszipfede Zupfen,
Die beangged'n, bauched'n
Körndln thoan hupfen.
(Rosegger)

Dieses Hüpfen der Körner ist für die Güte des Getreides maßgebend. Der Roggen muß beim Dreschen "singen", d. h. er muß so dürr sein, daß die Körner in die Höhe springen und beim Niederfallen auf den eschenen Tennenboden gleichsam tönen. Was nun aber die Krapfen betrifft, auf welche das Sprüchlein anspielt, so hat es damit seine guten Wege. Wohl wird den Dreschern schon während der schweren Arbeit fünf- bis sechsmal des Tages mit Knödeln, Nocken, Kücheln etc. aufgewartet, und zwar mit einer Schüssel voll, daß sich der Tisch biegen könnte, und so fett, daß alles in Schmalz förmlich schwimmt, aber die Hauptmahlzeit wird erst nach der vollständigen Beendigung des Dreschens, das bei großen Bauern oft eine Woche dauert, meist abends abgehalten.

An diesen den Magen betreffenden Schlußakt des Dreschens, sowie schon an die Bearbeitung der letzten Lage Getreides knüpft sich nun eine Reihe von Gebräuchen, die ihrem Kerne nach mit den ältesten Vorstellungen unserer heidnischen Vorväter zusammenhängen und uns die scheinbar ganz bedeutungslosen Texte der oben angeführten Dreschersprüchlein als sehr inhaltsvoll erscheinen lassen 1). Gleich wie beim Schneiden des Kornes um die letzte Garbe, so dreht sich der Schwank hier um den letzten Drischelschlag. Man denkt sich nämlich nach altem Glauben in den wogenden Halmen der Kornfelder ein dämonisches Wesen, den Kornhund oder Kornwolf, verborgen, der nun mit der letzten Garbe gefangen und mit dem letzten Drischelschlag getötet wird. Dieser zweifelhaften Ehre samt den sich daran schließenden unangenehmen Folgen zu entgehen, hütet sich jeder Drescher auf das Sorgfältigste. Doch das ist schwer, wenn auch jeder mit größter Aufmerksamkeit auf den "Tennenmeister", der durch den "Vorschlag" den Gang des Dreschtaktes markiert, heimlich hinüberschielt. Denn dieser erhebt beim Dreschen der letzten "Schanze", die bereits ausgedroschen auf der Tenne liegt, plötzlich den Flegel. Wer alsdann noch einen Streich macht, der hat den "Hund" erschlagen.

Nun gibt es ein wahres Faschingskunterbunt. Unter Lärm und Gelächter wird der Unglückliche gleich erfaßt. Nährend die einen ihm mit "wiechem" (fettem) Ruß tüchtig das Gesicht einreiben, binden andere drei Kränze aus Stroh und setzen ihm dieselben auf. Ein Strang kommt um den Kopf herum, zwei andere werden in Kreuzesform darüber gewölbt und zur Vervollständigung der Narrenhaube noch mit roten Bändern durchflochten. Hierauf setzen die übrigen Drescher den Gefoppten auf einen Wagen oder Karren und ziehen ihn jauchzend durch das ganze Dorf, wo natürlich alles aus den Häusern läuft, um die Komödie anzusehen.

Neben dem armen Sünder sitzen zwei seiner Kameraden, die ihn mit lächerlichen Ehrenbezeugungen überhäufen, was stets großen Jux macht. Schließlich geht es zum Mahl. Man führt den "Drischelkönig" zum Ehrenplatz, vor welchem zwei Teller stehen. Auf dem einen liegen die besten Bissen, auf dem zweiten - Hennenmist, daneben Messer und Gabel. Neues Gelächter bricht los und eine Flut von derben Witzen überschüttet auf's Neue den Helden des Tages, bis ihm endlich der Strohkranz herabgenommen wird. So ist es, oder vielmehr war es im Oberinntal, denn die neueste Zeit verwischt immer mehr alle derartigen Gebräuche, obwohl sie einst überall im Schwung waren, in jedem Tale, ja in jedem Dorfe mit verschiedenen Abänderungen.

In Mühlau bei Innsbruck bekam, wenn ein Weibsbild den letzten Drischelschlag machte, dasselbe den schmeichelhaften Titel: Sau. Man flocht ihr ebenfalls einen Kopfschmuck aus Stroh und roten Bändern und führte sie in diesem Putz durch das Dorf, doch mit dem Unterschiede, daß man zum Schluß in ein Wirtshaus einfiel und dort bei Zitherklang nach Herzenslust tanzte. War der Betreffende ein Bursche, so würgten ihn die Dirnen mit einem Strohband und malten ihm mit Ruß einen tüchtigen "Ratzen" unter die Nase. Im Eisaktale ist dagegen die Sitte umgekehrt. Derjenige, der den letzten Schlag tut, läuft, ein Strohband versteckt haltend, zur Bäuerin, würgt sie und schreit: "Ob die Küchel außerkommen oder nit!" Am nächsten Samstag, der gewöhnlich der folgende Tag ist, erscheint dann wirklich die geforderte Speise.

1) Vergl. des Verfassers "Der heber gât in lîtun. Ein Erklärungsversuch dieses althochdeutschen Gedichtes" (Innsbruck, Wagner. 1873) und "Das Sautreiben. Ein Erklärungsversuch dieses Kinderspieles" (Ebenda. 1894).

Quelle: Ludwig von Hörmann, Tiroler Volksleben, Stuttgart 1909. S. 155 - 160.