Das Familienleben.
Haus und Hof.

Nirgends kann man das eigenste Leben eines Volkes besser kennen lernen als dort, wo es den größten Teil desselben zubringt, im Hause. Von der Wiege im ehelichen Schlafzimmer rückt das selbständiger gewordene Kind in die Nebenkammer, wo seine älteren Geschwister oder die "Ehe-Halten" schlafen; an dem eisenvergitterten Fenster und in der Stube beim abendlichen Heimgarten spielt sich der bäuerliche Liebesroman ab, bis das junge Paar einen eigenen Hausstand gründet und der Hausvater "von des Hauses weitragendem Giebel sein blühend Glück überzählt", während die Hausfrau in Küche und Gaden schallet und waltet. Allerdings ist das tirolische Bauernhaus, was Bauart, Größe und Bequemlichkeit anbelangt, sehr verschieden. Es ist ein Unterschied zwischen der ärmlichen Hütte eines oberinntalischen oder eisaktalischen Kleinhäuslers, der in einem einsamen Quertale sein Nest an einen schwindeligen Abhang hingeklebt hat, und zwischen dem stattlichen Gehöfte eines unterinntalischen oder pustertalischen Großbauern, das entweder behäbig inmitten fetter Wiesgründe in der Talsohle liegt oder von einem grünenden Vorberge stolz auf die Heerstraße herabschaut.

Ebenso ist die Bauart nicht dieselbe. Wenn nun auch die gleichen Bedürfnisse, gleiche Lebensgewohnheit und wirtschaftlichen Verhältnisse im größern Teile Nordtirols, sowie in jenen Gegenden Südtirols, die nicht Weinbau betreiben, eine gewisse Gleichförmigkeit hinsichtlich der Anlage, Zahl und Gattung der Räumlichkeiten geschaffen haben, so waltet doch selbst innerhalb dieses Rahmens eine solche Verschiedenheit in der Bauart und Anordnung derselben, besonders in der Lage der dem Hause zugehörigen Baulichkeiten, wie Stall und Stadel, daß von einem einheitlichen Tiroler Bauernhause nicht gesprochen werden kann. Vielmehr hat sich dieses unter den verschiedensten Einflüssen in eine Anzahl von Typen geschieden, die, wenn sie auch wahrscheinlich auf eine Grundform zurückgehen, sich unter einem Bilde schwer betrachten lassen und eine abgesonderte Behandlung erfordern. Da es sich für unsern Zweck nicht um eine wissenschaftliche Untersuchung über die verschiedenen Arten des tirolischen Bauernhauses handelt, was sich bei dem beschränkten Raume und ohne Zeichnungen kaum durchführen ließe, sondern in erster Linie um eine Beschreibung seiner Wohn- und Wirtschaftsräume und ihrer Einrichtung als der Stätte, auf der sich das bäuerliche Familienleben abspielt, so werden wir uns auf die Vorführung einer dieser Typen beschränken und das Abweichende in andern nur nebenher, wo es tunlich erscheint, berücksichtigen. 1)

1) Eine ausführliche Behandlung des Tiroler Bauernhauses gedenkt der Verfasser demnächst in einer selbständigen Arbeit unter dem Titel "Nordtirolische Haustypen" zu veröffentlichen. Zugleich sei hier auf die zum Drucke bereite Arbeit des diplom. Architekten Marius Amonn: "Das Bauernhaus im deutschen Südtirol" verwiesen. Man vergleiche weiter: Deininger, J. W., Das Bauernhaus in Tirol und Vorarlberg. Im Auftrage d. Min. f. Kult. und Unterricht nach Originalaufnahmen herausgegeben, Wien. S. Szeiger.(1900). Bünker, J. R., Das Bauernhaus der Gegend von Stams (Tirol). (Mitteilungen d. anthrop, Ges. in Wien. XXXVI. Bd. S. 187 ff.). Spiehler, A., Das Lechtal. (Zeitschrift d. d. u. ö. A. Vereins. 1883. S. 298 ff.). Kübler, Aug., Das Tannheimer Tal. (Mitteilungen d. d. u, ö. A. V. 1898. S. 163 ff.). Plant, Frid., Alttirolische Bauernhöfe Wien. 1884. (Selbstverl.) und besonders K. Rhamm: Ethnographische Beiträge zur germanisch-slawischen Altertumskunde. II. Abt. 1. Tl. Urzeitliche Bauernhöfe etc. (Braunschweig, Vieweg u. S. 1908), in welch großangelegtem Werke u. a. auch wertvolle, auf Eigenschau gegründete Untersuchungen über das Tiroler Bauernhaus niedergelegt sind. Bancalari, G. Die Hausforschung und ihre Ergebnisse in den Ostalpen. Wien, Holder, 1893.

Der verbreitetste Typus ist der unterinntalische (oberbayrische). Er umfaßt das ganze Unterinntal mit den Seitentälern, zieht sich mit Überspringung des mittleren Oberinntals, das einer noch nicht ganz sichergestellten Bauart, wahrscheinlich der ladinischen, angehört, einerseits tief ins Vinschgau, anderseits ins Stanzertal und jenseits des Arlberges ins Vorarlbergische Klostertal bis in die Gegend von Braz, beherrscht ferner das Wipptal und den nördlichen Teil des Eisaktals, endlich den größeren Teil des Pustertals 1) mit den Seitentälern Taufers und Sexten.

1) Nach freundlicher Mitteilung des Herrn Architekten M. Amonn findet sich dieser bayrische Typus z. T. auch in den ladinischen Bezirken von Gröden, Fassa und Ampezzo.

Eine Unterart des unterinntalischen Typus bildet der mittelinntalische. Beiden gemeinsam ist, daß sich Wohnhaus und Wirtschaftsräumlichkeiten fast immer unter einem Dache befinden. Während aber bei ersterem Stall und Stadel rückwärts an das Wohnhaus angebaut sind, befinden sie sich bei letzterem vorn, und zwar neben demselben. Diese interessante Unterart, die manche, die über das tirolische Bauernhaus schreiben, als eigenen alamanischen Typus auffassen, wollen wir genauer ins Auge fassen. Ihr Verbreitungsbezirk ist nicht groß. Er erstreckt sich mit seinen Ausläufern nur etwa von Schwaz bis gegen Silz und ein Stück weit ins Wipptal einschließlich der Seitentäler Stubai etc.. Ihre stärksten und schönsten Vertreter hat sie in den Dörfern um Innsbruck Völs, Kematen, Arzl, Rum, Taur, sowie auf den südlichen Mittelgebirgsdörfern Lans, Natters, Mutters, Götzens und Axams.

Besehen wir uns vorerst das Äußere dieser Häuser. Das Charakteristische der Bauart besteht, wie bereits angedeutet, darin, daß der die Front des Hauses zuspitzende Giebel dieses gewissermaßen in zwei Hälften teilt. Die eine Halbseite, welche die Wohnung, nämlich drei Gelasse einschließlich Küche ebenerdig und drei Kammern im Obergeschoß enthält 2), ist bis zum Beginn des einen Dachflügels, manchmal auch bis zur Spitze hinauf gemauert, die andere Halbseite hat nur einen gemauerten Unterbau, in dem sich der Stall, und einen hölzernen Überbau, in dem sich der Stadel oder Tennen mit seinen Abteilungen befindet. Zu letzterem führt bis ans große Tennentor, wo der Raum es gestattet, vorn, bei engeren Dorfgassen rückwärts oder seitwärts, eine breite Auffahrtsbrücke. Darunter ist der Eingang zum Stall, sodaß also dieser knapp an das Erdgeschoß der Wohnung, beziehungsweise an den die Mitte des ganzen Hauses durchlaufenden Hausgang grenzt. Liegt jedoch, wie es in der Umgebung von Innsbruck typisch ist, nur der Futterraum des Stadels über dem Stall, der Tennen hingegen gleichfalls ebenerdig nebenan, so fällt natürlich die Tennenbrücke fort und der Tennen schiebt sich zwischen Wohnhaus und Stall. In diesem Falle verschmilzt sehr häufig Tennen und Hausflur in Eines, d. h. ersterer bildet zugleich den Zugang zu den Wohnräumen des Erdgeschosses und mittels einer Stiege auch zu denen des ersten Stockes. Deshalb trifft man bei solchen Gehöften in das für gewöhnlich geschlossene große Tennentor eine kleinere, leicht zu öffnende Haustür eingefügt. Die Fenster nebenan, gewöhnlich zwei an der Stirnseite und zwei an der Flanke, gehören zur Stube.

2) Die Gehöfte der unter- und mittelinntalischen Typen sind, wie überhaupt die Mehrzahl der tirolischen Bauernhäuser, einstöckig. Wo sich mehrstöckige finden, dienten sie gewöhnlich früher oder noch gegenwärtig andern als bäuerlichen Zwecken, z. B. als Wirtshäuser, ursprüngliche Herrschaftshöfe etc. Doch trifft man auch ausnahmsweise besonders im tiefern Unterinntal und Großachental zweistöckige Häuser, sowohl in Holz als in Stein. Besonders schöne sind im Lenkental (Brunnhof), im Mühltal (Tauferertal), im hintern Navistal und in Axams zu sehen.

Unter den Flankenfenstern des Obergeschosses zieht sich häufig ein mit einfachem Holzgeländer versehener Gang, "Laab'n" (Laube), in Oberinntal "Gangl" genannt, hin; ebenso findet sich hie und da an der Stirnseite unter dem Giebel eine balkonartige "Hoch-Laab'n" (Oberinntal "Solder" 1), zu der man durch eine Tür aus dem "Dachboden" oder "Esterer" (Estrich) gelangen kann.

1) Es sei hier schon aufmerksam gemacht, daß die Ausdrücke für die einzelnen Teile des Tiroler Hauses oft, je nach der Gegend, verschiedene Bedeutung haben.

Auf der Brüstung des schlichten Holzgeländers prangen in Töpfen die beliebten Nelkenstöcke (Nagelen) mit den vollen dunkelroten Blüten, daneben hängt Wäsche oder im Herbst an dem zu diesem Zwecke angebrachten Gestänge Erbsen- oder Bohnenstroh; auch Samen, Obstschnitze oder was sonst an der Luft trocknen soll, gibt man auf langen Brettern dahinauf. Im Spätherbst ist dieses ganze Gestänge durch die daran aufgehängten gelben Maiskolben überkleidet. Die schönen, durch zierlich ausgeschnittene Geländer geschützten "Laaben" (Lauben) des unterinntalischen Bauernhauses, von denen die untere das ganze Obergeschoß von drei Seiten umgibt 1), um schließlich in einen unaussprechlichen türlosen Ort auszumünden, die andere als "Hoch-Laab'n" 2) häufig durch Säulen mit der untern verbunden, im Giebelfelde steht, kennt der mittelinntalische Typus nicht. Ebenso fehlt das zierliche Türmchen, das auf dem Dachfirst der unterinntalischen Blockhäuser sitzt und denselben in Verbindung mit den beiden "Laaben" das anmutende und charakteristische Aussehen gibt. Dafür weist das mittelinntalische Haus das im Ständerbau meist sehr schön ausgeführte Gerippe des Giebelfeldes auf, welche bauliche Ausstattung in der Umgebung von Innsbruck typisch auftritt und als Beleg für die hohe Ausbildung der tirolischen Holzarchitektonik gelten mag. Häuser mit so schönem "Bund" oder "Bundwerk" trifft man besonders in Arzl, Lans, Natters, Mutters und Götzens. Die prächtigen Dachstuhlfronten in Zirl sind leider dem letzten großen Brande (1908) sämtlich zum Opfer gefallen. An der Rückseite trägt das "Bundwerk" eine Bretterverschalung. Weiter gegen das Oberinntal fehlt häufig diese Verkleidung, so daß sich das ganze kunstgerechte Balkengefüge vom Hintergrunde des offenen Giebels schön abhebt. Eine weitere Zierde des mittelinntalischen Hauses bilden die oft schön gebauten Erker, die sich, wenn auch seltener als im Oberinntal, teils an den Ecken, teils in der Mitte über dem Hausflur finden.

1) Im Zillertal "Wehr" oder "Wehrgang", in Alpach die "obere Laab'" zum Unterschied von der "untern Laab" , die das Erdgeschoß umgibt.
2) In Alpach, Brixental etc "Hilla-Laab'n", im Pustertal "Firstsolder".

Ebenso sind die Wände des Hauses nicht des Schmuckes bar. Die gemauerte Vorder- oder Halbvorderseite des Hauses schmücken häufig Madonnenbilder oder die Bilder von Heiligen, besonders bewährten Schutzpatronen, die ein bäuerlicher Künstler mit himmelschreienden Farben da hinaufgeklext hat. Aber es findet sich darunter auch malerische Zier teils an der Wandfläche, teils als Tür- oder Fensterumrahmung, von kunst- oder sittengeschichtlichem Werte 1). Diese Wandmalereien häufen und vervollkommnen sich, je weiter wir ins Oberinntal vorrücken. Es sei hier beispielshalber nur an das alte Schulerhaus in Ötz, an das Gerichtshaus in Wenns, an die uralten Häuser in Grins und Ladis (1590) erinnert 2).

Darunter oder daneben, oft auch allein, steht der "Hausspruch" 3). Solche Sprüche findet man fast an jedem älteren Hause und zwar von sehr verschiedenem Inhalte. Viele beziehen sich auf Gott oder das darüber befindliche Heiligenbild und empfehlen das Haus samt Insassen dem himmlischen Schutze, wie:

O Gott beschütze dieses Haus
Und Alle, die da gehen ein und aus.

oder:

O Mutter Gottes voller Gnaden
Bewahr das Vieh und uns vor Schaden.

oder:

Heiliger Florian und Sebastian
Sei unser Patrian (Patron).

1) Vergl. L, Hornbach: Malerischer Hausschmuck in Tiroler Dörfern. (Forschungen und Mitteilungen zur Geschichte Tirols und Borarlberas v. M. Mayr, Ig. III. ff.),
2) Viele dieser Malereien, besonders die angeführten, dürften wohl Wandermalern ihre Entstehung verdanken.
3) Vergl, die Einleitung zu meinem Bändchen "Haussprüche aus den Alpen" (Stuttgart, Cotta).

Oft ist der Name des Besitzers in den Spruch verwoben, nicht selten mit einem Anflug von Selbstbewußtsein und dem Hinweis auf materielle und moralische Güter desselben:

Zum Stainer heißt das Haus,
Der mich hat von Gruntt aufgepautt
Hans Stoffner ist er genand
In aller Ern und voller Hand.
1547 (Sarnthal [Sarntal])

oder:


Johannes Hartler, in der G'heim
Laß die Leute reden, wer sie sein,
Das Bauen ist ein schöner Lust,
Daß es so viel gekostet hat,
Das Hab ich nicht gewußt.
(Amras.)

Viele Sprüche haben ihren Ursprung und Inhalt von Schicksalen, die ein Haus getroffen, oder sie geben ernstere und allgemeine Lebensregeln, meist in knappester Form eine tiefe Wahrheit enthaltend. So findet man häufig folgende Sprüche:

Wir bauen Häuser stark und fest,
Darin sind mir nur fremde Gäst',
Doch wo wir sollen ewig sein,
Da bauen wir gar wenig drein.
(Sehr verbreitet.)

oder:

Wer will bauen an den Straßen,
Muß alle Leute reden lassen,
Bau ein jeder, was er will,
Ich wünsche jedem noch so viel.
(Mieders, Amras.)

Manche davon sind von ergreifender Schönheit und Tiefe, so:

Ich fahr', weiß nicht wohin,
Mich wundert, daß ich so fröhlich bin 1).

1) War am Wirtshaus zur "Schupfen", dem Standquartier Hofers vor der Schlacht am Bergisel. Seit wenigen Jahren ist der so bedeutsame Spruch verschwunden.

oder:

Das Wasser rinnt ins Meer und nicht zurück,
Zurück kehrt auch kein Augenblick.

Leider kommen diese Haussprüche nun mehr und mehr ab oder werden übertüncht und nicht mehr erneuert. An alten Bauernhäusern finden wir nebst Heiligenbild und Hausspruch auch noch eine Hausmarke, die bisweilen auf die Stalltür und andere Eingänge genagelt ist. Die Jahreszahl des Baues, umrahmt von zwei grünen Ölzweigen, treffen wir ebenfalls oft an die Hausfront gemalt. Auch die Holzwände der Scheuer zeigen als Luftlöcher allerlei Zierrat: Herzen, Blätter, Ziffern, Buchstaben oder Handwerkszeug.

Über alle diese vereinigten Räumlichkeiten erstreckt sich das ringsum vorstehende, ziemlich flache Schindeldach. Die Schindeln aus Lärchen- oder Fichtenholz gekloben, werden an vielen Orten nicht genagelt, sondern nur übereinandergelegt und mit zahlreichen, auf festgemachten Querstangen ("Schwerlatten") ruhenden Steinen niedergeschwert, damit sie der Wind nicht vertrage. Zu zehn, bei Fichtenholz zu fünf Jahren, pflegt ein sorgsamer Hausvater die Schindeln umzudrehen, weil sie dann einige Jahre länger halten 1). Als weiterer Schutz gegen Unwetter sind am Rand der "Windbrugg'n" - so heißt der über das Haus vorspringende Teil des Daches - die sogenannten "Windbretter" oder "Windladen" angebracht, die hie und da in gekreuzte Pferdeköpfe, Böcke, Gemsen etc. auslaufen. Ein derartiges Dach nennt man "Rottdach". In Gegenden aber, die heftigen Winden ausgesetzt sind, wie z. B. im Ötztal, genügt diese Vedachungsart nicht mehr, sondern die Schindeln müssen genagelt und noch dazu mit festen Querstangen niedergehalten werden; Steine jedoch werden nicht verwendet. Ein solches Dach heißt "Schardach". Auf den Dächern der unterinntalischen Bauernhäuser, besonders der größeren, einzelnstehenden Gehöfte, sitzt, wie schon oben bemerkt, ein Türmchen mit der Essensglocke, mittelst welcher das Gesinde von den ringsum gelegenen Wiesen und Feldern heimgerufen wird. Soviel über das Äußere des Hauses.

1) Über die Dauer solcher Dächer, sowie über Bau derselben, Umwechselung der Schindeln etc. vergl. Bünker, a. a, O. S, 189.

Bemerken will ich noch, daß sich das Haustor sowie die Außeneingänge zu Tenne und Stall häufig nicht an der Giebelseite, sondern an der Flanke (Traufseite) befinden, was auf den ersten Anblick als eine Abart unseres Haustypus erscheinen muß. Doch ist dies nur scheinbar und wird durch die geänderte Stellung, richtiger durch die Drehung des Daches um 90 Grade hervorgerufen, wodurch die frühere Giebelfront zur Traufseite und die frühere Trauf- oder Längsfront 1) zur Giebelseite gemacht wird. Diese Form des Halbhauses ist ziemlich verbreitet. Sie bildet im gewissen Sinne den Übergang einerseits zum oberinntalischcn Typus, wenn anders in dieser Gegend von einer halbwegs einheitlichen Bauart gesprochen werden kann, wie andererseits zum unterinntalischen. Denn wenn wir uns den Hausgang aus der nunmehrigen Flanke herausgenommen und in die Mitte der nunmehrigen Giebelseite versetzt denken, so nähern wir uns sehr dem unterinntalischen Haustypus, bei dem die Wohnung den vorderen, der Straße zugewendeten Teil des Gebäudes einnimmt und sich die Gelasse rechts und links vom Hausgang gleichmäßig verteilen. Dadurch, daß beim Unterinntaler Hause der untere wie obere Gang schmäler ist und die Tenne nicht, wie es beim mittelinntalischen meist der Fall, neben dem Stall, sondern über ihm liegt, wird auch Raum gewonnen, so daß sich in jedem Geschoß um ein Gelaß mehr befindet, nämlich je zwei auf jeder Seite des unteren und oberen Ganges.

1) Von einer Längsfront kann man strenggenommen nicht sprechen, da die Häuser dieser Type fast durchgehends quadratisch gebaut sind.

Einen weiteren Unterschied bildet auch das Baumaterial. Die unterinntalischen Bauernhäuser von Jenbach ostwärts, in Haupt- und Nebental, die großen Gehöfte nicht ausgenommen, sind fast sämtlich Blockbau, höchstens daß das Erdgeschoß gemauert ist, während die mittelinntalischen, wie wir sahen, bis zum Beginn des Giebels Mauerwerk zeigen. Im Oberinntal sowie im östlichen Vinschgau, im südlichen Eisakta! und im Etschland herrscht der Steinbau vor. Man würde übrigens nicht immer richtig gehen, wollte man aus der mehrfachen Anwendung von Mauerwerk auf den Wohlstand des Hausbesitzers schließen. Im felsigen Oberinntal, wo die Steine nichts kosten als die Fuhr, baut auch ein Ärmerer sein Häuschen aus Stein, auf den Bergdörfern und Berghöfen aber, z. B. in Alpach, holt der weniger Begüterte die Baumstämme vom nahen Walde, anstatt mit vieler Mühe und großen Kosten Steine herzuschleppen. In diesem Falle werden die Stämme bei Holzbauten an den Ecken übeieinandergelegt, eingekerbt und gut aneinander gefügt und die Fugen mit Bergmoos ausgestopft; innen erhalten die Wände, aber nicht immer, eine Bretterverkleidung 1). An solchen Blockhäusern, besonders alten, wie man sie z. B, im Hinteren Zillertal findet, sind auch die Fenster unverantwortlich klein, so daß ein gründliches Auslüften der Kammern eine Unmöglichkeit bleibt und bei einem Brande sich kein beleibter Mensch hindurch retten kann. Die zum Glück immer mehr und mehr abkommenden "Schieber", Fenster mit Holzrahmen, die in die Mauer geschoben werden können, haben oft kaum ein Drittel Meter in Länge und Breite, In Bezug auf Brandunglücke sind auch die eisernen, oft gekreuzten Fensterstangen sehr zu tadeln, die noch jetzt überall üblich sind, während man sonst an Neubauten den Fenstern mehr und mehr eine anständige Größe gibt.

1) Man muß übrigens bei der Unterscheidung von Holz-und Steinhäusern sehr vorsichtig sein. Manche der letztern bestehen nur aus mit Moos ausgefüllten Riegelwänden, die innen und außen mit Brettern verschalt und mit Mörtel überworfen sind.

Da wir nun in kurzen Umrissen das Äußere eines mittelinntalischen Bauernhauses unter Seitenblicken auf andere Arten kennen gelernt haben, wollen wir es auch von innen näher besehen. Noch bevor wir über die Schwelle, an manchen Orten "Drischübl" genannt, treten, bemerken wir knapp an der Haustür, unter den vorderen Stubenfenstern hinlaufend, die Hausbank auf der man sich an schönen Sommerabenden zum Heimgarten versammelt. Daneben steht der Dengelstein, wenn er sich nicht etwa rückwärts im Anger befindet. Durch die Haustür gelangen wir nun zuerst in den Hausgang, im ganzen Unterinntal nebst Seitentälern, "Haus" genannt 1), der durch das ganze Gehöft und rückwärts in den Baumgarten führt. Beim unterinntalischm Haus, bei dem sich der Stall rückwärts befindet, mündet er natürlich in diesen aus. Dieser Hausflur ist nicht selten so geräumig, daß verschiedene Arbeiten darin vorgenommen werden können. Da hängt man an den weißgetünchten Wänden allerlei Gerätschaften auf, z. B. das "Kammet", d. i. das Joch für das Ochsen- oder Kühegespann oder Fischernetze samt Angel und Fischerlatten. Auch das "Muskühl", eine Vertiefung in der Wand, in die man das "Mus" (Brei) zum Auskühlen stellt, findet sich oft.

1) Wo Tenne und Hausgang zusammenfallen, wie in der Umgebung von Innsbruck, heißt der Flur "Haustenn", In Sarntal nennt man ihn nach Schöpf S. 143 "Flöz" (?), in der Meraner Gegend und im tiefenn Etschtal und Pustertal auch "Hauslaab".

Ein paar Schritte vorwärts öffnet sich links und rechts eine Tür. Die eine führt in den Stall, die andere erschließt uns die "Stube", den wichtigsten Raum im ganzen Bauernhause, den Versammlungsort der Familie und des Gesindes beim Essen, bei der häuslichen Andacht, der gemeinsamen Arbeit zur Winterszeit und beim Heimgarten. Die Stube ist überall ganz oder nur bis zur Hälfte der Wand getäfelt. Freilich, bei ärmeren Blockhäusern des Unterinntals zeigt die Wand noch die behauenen Baumstämme. Im Oberinntal, dessen Bewohner eine besondere Anlage zum Schnitzen auszeichnet, ist der Oberboden häufig mit verschiedenem Zierrat geschmückt, z. B. mit Kränzen, Quadraten, Leisten u. a. An den Wänden sind bisweilen Hirschköpfe mit großen Geweihen und Gemshörner angenagelt, an denen der Scheibenstutzen oder ein paar Flinten hängen. In der Ecke zwischen den Fenstern steht der große viereckige Eß- und Familientisch, entweder von Ahornholz oder silberfarbig angestrichen und mit roten und blauen Blumen bemalt. Über ihm in der Ecke hängt das Kruzifix, daneben ein paar alte Heiligenbilder. Die ausgestreckten Hände des Gekreuzigten tragen die größten Maiskolben, die vergangenen Herbst zu finden waren, einen weißen und einen roten, als Dank für den Erntesegen. Die schönsten Kornähren hat der Hausvater hinter das Kruzifix gesteckt; auch der Palm, d. h. der Ölzweig, der am Palmsonntag geweiht wurde, hat dort seinen Platz. Vor diesem einfachen Hausaltar schwebt eine "Ampel" (Öllämpchen), die alle Samstage zu Ehren der Mutter Gottes und "zum Tröste der armen Seelen" angezündet wird. Die übrigen Stubenecken haben ebenfalls ihre Bestimmung. In einer befindet sich der Uhrkasten, in dem eine alte, rauchgeschwärzte Schwarzwälder Uhr ihren eintönigen Pendelschlag mißt; in der zweiten steht der Milchkasten, ebenso bunt angestrichen wie der Tisch. Er ist vorn offen, nur mit einem Vorhang gegen Fliegen versehen, und hat im Innern querlaufende Brettchen, auf welche die Milchschüsseln nebst Rahmgefäß und Milchseige gestellt werden. Dieser Kasten fehlt indes auch in vielen Bauernstuben oder wird durch einen gewöhnlichen Kasten ersetzt.

In der dritten Ecke neben der Türe macht sich der große Ofen breit. Derselbe ist in der Regel gemauert und mit einer Reihe von Kachelvertiefungen versehen, in welchen zur Winterszeit Äpfel gebraten werden. Den ganzen Ofen umgibt ein hölzernes Gerüste, "G'stang" oder "G'schall", im Lechtal "Ofenlatte" genannt, welches den Zweck hat, die Hitze von den auf der Ofenbank Sitzenden etwas abzuhalten und zugleich zum Trocknen der Wasche oder nassen Kleider benutzt wird. Dieses "G'stang" reicht mit seinen vier Säulen ein Stück über den Ofen hinaus und trägt ein Dach mit einem Polsterbrett, die sogenannte "Dörre" oder "Ofenbrücke", ein Lotterbett, auf dem die Bauern im Winter faulenzen und sich buchstäblich rösten lassen. Neben dem Ofen bildet die breite Ofenbank ein zweites Ruhebett, das ebenfalls zum Ausruhen und Schlafen dient. Letzterer Zweck wird durch ein festgenageltes schiefes Brett mit darüber liegendem Polster erleichtert. Der Raum zwischen dem Ofen und der Stubenwand heißt die "Höll" oder das "Höllenmäuerl", die Fläche auf dem Hals desselben das "Plattete". Im Oberinntal ist in der Mauer neben dem Ofen noch "das Kamin" hinter einem Eisenblech angebracht. Darinnen flackert an Winterabenden ein lustiges Feuer, an dem die Männer oder auch die Dirnen, denn das schöne Geschlecht pflegt ebenfalls den Tabak nicht zu verschmähen, ihre eisernen Pfeifchen anzünden, während der Hausvater oder der "Nöni" Geschichten zum Besten gibt. Vor diesem Kamin wird ein Hängetisch herabgelassen, um darauf beliebige Geschäfte abzumachen.

Die übrige Gesellschaft sitzt dabei auf den Bänken, die um den Ofen und um die halbe oder ganze Stube an den Wänden herumlaufen. Als hinterzillertalische Eigentümlichkeit will ich noch anführen, daß längs diesen Bänken ein Streifen des Bodens immer sauber gespült bleibt, während der übrige Teil desselben nie mit Wasser gereinigt sondern nur gekehrt wird und deshalb stets mit einer tiefbraunen Rinde von festgetretenem Schmutz bedeckt ist.

Der Raum unter diesen Bänken gilt als Rumpelkammer. Da liegt das Pfannholz, das Tabakbrettchen, das Tabakmesser, der Hanfsame für die Vögel, wenn welche da sind, samt dem dazu gehörigen Quetschstein; auch einige Behälter sind da, in deren einem der Bauer die Ketten, Stricke, Fußeisen und Schneereifen liegen hat, während aus dem anderen Milchschüsseln und "Stotzen" (kleine Holzkübel) hervorlugen. Eine dritte Abteilung oder Lade enthält die Schulbücher der Kinder. Die Bibliothek der Erwachsenen ist auf irgend einem passenden Platz, sei es nun die "Hölle" des Ofens, der Milchkasten oder ein an die Wand genageltes Brett, aufgestellt. Sie besteht aus wenigen, aber inhaltschweren Bänden, wie z. B. Gossine's Evangelien, des bekannten Pater Kochem's Lehr- und Exempelbuch, zu denen oft noch ein klassisches medizinisches Werk, nämlich des "Schäfers Thomas populäre Vieh-Arzneikunde" hinzukommt. Der Kalender hängt zur bequemeren Handhabung an einem Nagel in der Nähe des Eßtisches. Neben der Stubentür blinkt das Weihbrunnkrügel; unten ist an ihr häufig ein viereckiger Ausschnitt das "Katzenloch" vorhanden als Ausschlupf für diese vierbeinige Hausgenossin.

In manchen Stuben des Oberinntales findet man ein abgesondertes Plätzchen für junge Schweinchen; auch die Hennenkrippe, die sonst ihren Standort in der Küche hat, sieht man nicht selten in der Stube. In neuerer Zeit verbannt man das liebe Vieh wohl meistens hinaus in den Stall. Gewiß fehlt aber nie ein Krummschnabel, der in engem Käfig an der Zimmerdecke hängt, weil er nach dem Volksglauben alle Krankheiten an sich ziehen soll. Auch andere Vögel hält man gerne, besonders im Oberinntal, wo oft eine Menge kleiner Käfige mit gefiederten Insassen an den Fenstern stehen. Im Winter läßt man sie frei in der Stube herumfliegen. Mit dem Entkommen hat es keine Not, weil den ganzen Winter hindurch kein Fenster geöffnet wird. Was sich da aus dem Dampf feuchter Wäsche und "Lodentschölder" (Joppen), die am heißen Ofen trocknen, aus Speisegeruch und dem Qualm schlechten Tabaks (Lauskraut, nicotiana rustica) für eine Atmosphäre entwickelt, davon hat ein Städter keinen Begriff. Er würde es kaum fünf Minuten in dem Gestank aushalten. Dazu kommt noch, daß man Kranke - und der rasche Wechsel von Stubendampf und eiskalter Winterluft muß ja selbst abgehärteten Bauernnaturen zum Kranksein verhelfen - in die Stube bettet, weil diese der einzige heizbare Raum ist. Die ganze Ausdünstung wird nur durch das sogenannte "Wärmloch" 1), eine kleine meist mit einem "Schuber" versehene Öffnung in der Zimmerdecke, über dem Ofen ab- oder vielmehr in die Schlafkammern des oberen Stockwerks hinaufgeleitet, wodurch nur zu oft auch die anderen Hausbewohner angesteckt werden.

1) Auch "Dampf"- und "Kailoch" (Gehai-Dampf, Dunst, Hitze) im Zillertal "Stöckl" genannt. Diese Öffnung ist oft als sogenanntes Kammerloch so erweitert, daß man durch dasselbe in das obere Stockwerk "kraxelnd" gelangen kann. (Lechtal.)

Solche Umstände lassen es begreifen, warum epidemische Krankheiten, wie Blattern, Typhus etc. auf dem Lande und zwar besonders auf einsamen, abgeschlossenen Berghöfen oft so furchtbar wüten. Doch wenden wir uns ab von diesen Nachtseiten des Bauernlebens und machen wir der Bäuerin einen Besuch, die draußen in der Küche herumhantiert.

Diese befindet sich meistens hinter der Stube. Bei solchen Bauernhäusern, wo Stall und Tenne rückwärts angebaut sind, führt die Türe gegenüber der Stube statt in den Stall gewöhnlich in die Küche. Im Vinschgau, wo ebenfalls häufig der ganze Vorderbau bewohnt wird, kommt man von der Stube in einen kleinen Verschlag, der den Schreibtisch des Bauern, manchmal auch die Ehebetten enthält. Dahinter mit dem Ausgang auf den Hausflur ist die Küche, ihr gegenüber die gleich der letzteren gewölbte Speisekammer, gegenüber der Stube eine Kammer mit Kleiderschränken und Betten.

Die Küche, mit der Stube häufig durch ein kleines Schubfenster zum Hereinreichen der Speisen in Verbindung, ist überall sehr geräumig und mit blinkendem Messing- und Kupfergeschirr ausgestattet, denn reichliches Küchengeschirr ist der Stolz einer Bäuerin. Auf der sauber gescheuerten Schüsselstelle ober dem Schüsselrahmen stehen die Reihen der Schüsseln und auch Teller, obwohl diese nur an Festtagen benutzt werden. Die Bank darunter trägt das Wasserschaff mit der "Wassergatze" und dem großen Knödelhafen. Auf einer andern Seite ist ein Strick für die messingenen und eisernen "Milchgatzeln" gezogen, darüber stecken im Pfannenholz die weiten Muspfannen und die Schmalzpfannen, von denen das Fett nie abgespült wird. Der Waschkessel von glänzendem Kupfer steht in einer Ecke. Auch ein Käse- oder ein Branntweinkessel, je nach der Landschaft, findet sich bisweilen. Um den Kessel an eiserner Kette ("Hahl") 1) über das Feuer zu hängen, hat man oft über dem Herde eine drehbare Vorrichtung.

1) Bei den deutschen Mocheni in Gereut (Frassilongo) "Häl" genannt. An den Gliedern dieser Kette fährt die Hexe durch den Kamin aus.

Der Herd selbst ist groß, aber sehr einfach, von Ziegeln gemauert, mit einer seichten Vertiefung versehen, in der das Feuer brennt. Daneben ist eine Grube für die Asche. 1) Der Herd ist immer einer Ecke angepaßt. An der Hinterwand, auf dem Herde, steht die Hennensteige, von der ein Mauerloch in das Freie leitet. An der Seitenwand ist die Herdbank befestigt. Da sitzen an Winterabenden die Männer, stellen die Füße auf den warmen Herd und schauen der Bäuerin zu, die unterdessen die Abendmahlzeit kocht und von Zeit zu Zeit das Feuer mit Reisig schürt, das ihr die Kinder vom Holzhaufen in der Ecke zutragen. Lustig kracht und prasselt es und der Rauch wirbelt zur berußten Decke in den Rauchfang empor, wo an langen Holzstangen Speckstücke, Schweine- und Schaffleisch hängen. Die übrigen Eßvorräte, mit Ausnahme des Mehlkastens, der oft in der Küche den Platz hat, birgt der anstoßende "Gaden", im Pustertal auch "Garn" genannt. Hier winken die appetitlich gelben Butterwecken, Schmalz, Eier, kurz alle Lebensmittel, die man nicht der Kühle wegen im Keller aufbewahrt. Da hat auch die Bäuerin in einem heimlichen Winkel ihre besonderen Leckereien versteckt.

Damit wären wir nun bei jenen Bauernhäusern, welche die Wohngelasse auf der einen, Stall und Tenne auf der andern Seite haben, mit den Räumlichkeiten des Erdgeschosses fertig. Wo aber Stall und Tenne den Rückteil des Hauses bilden und der aus vier Gelassen bestehende Wohnungstrakt vorn liegt, da befindet sich die Küche häufig, durch den Gang getrennt, gegenüber der Stube, während die zwei anderen Räumlichkeiten entweder als Rumpel- oder als Schlafkammern dienen. In der Regel aber befinden sich letztere im oberen Stockwerke. Vom Hausgang führt eine Holzstiege, die, oft sehr steil und schmal, fast einer Leiter gleicht, hinauf in den oberen Gang, in ganz Unterinntal "Solla" (Söller) 2) solarium ?) genannt.

1) In Alpach und in der Kitzbühler Gegend "Festlgrube" genannt, in der die Asche über der aufbewahrten Glut mit dem "Festleisen" zugeättschelt, "gefestet" (gesichert) wird.
2) Ist der Gang im ersten Stock breiter, so heißt er im Unter- und Oberinntal "Saal" oder "Haussaal".

Die große Kammer vorn heraus über der Stube ist die "Stubenkammer", das Schlafgemach des Bauern und der Bäuerin, die mit allem bäuerlichen Prachtaufwand ausgestattet ist. Da steht das breite Ehebett, schön himmelblau angestrichen, und bunt bemalt. Häufig sieht man darauf ein Auge Gottes abgebildet, das mit einem Viereck von Pflaumen, Äpfeln, Birnen und hochroten Kirschen in grünem Laub umrahmt ist. Darauf steht der Spruch:

Gott lieben ist die schönste Kunst,
Die schönste Kunst auf Erden,
Wer anders liebt, der liebt umsunst
Und kann nicht selig werden.

In der Bettstelle liegt zu unterst der Strohsack, darauf ein Federbett, dicke Federpölster und eine ebenso gefüllte "Tuchent" hoch aufgetürmt. Neben dem Ehebett hat die Wiege für den kleinsten "Zügel" ihren Platz. An einer Wand prangt ferner der "Brautkasten", ebenfalls entweder aus hartem Holz und zierlich eingelegt oder bunt bemalt. An seiner Vorderseite sind die Namen des Ehepaares und die Jahreszahl der Vermählung verzeichnet. In diesem Kasten werden alle Sachen von Wert verwahrt, die Festkleider der Bäuerin, die Rollen der "hauswirchenen", d. h. im Hause gesponnenen Leinwand und in kleinen Schubladen der Silber- und Granatschmuck nebst den Schatztalern der Kinder. Die andere Wand ziert ein "Schubladenkasten", auf dem verschiedene Prachtstücke glänzen, z. B. bunte Gläser und Kaffeetassen, die man einmal als Hochzeits- oder Taufgeschenk bekommen, ein paar blinkende Leuchter, im Winter rotbackige Äpfel etc. In der Mitte dieser Herrlichkeiten steht ein kleiner Glasschrank mit einem wächsernen durch Blumen und Flitterwerk puppenhaft gezierten Christkind. Außer besagter Einrichtung findet man in dieser Kammer noch einen hübschen Tisch und ein paar drei- oder vierbeinige Stühle. An den Wänden hängen Heiligenbilder, im Zillertal auch "Briefe" genannt, in Holzrahmen, über dem Bette ein Kreuz und neben der Tür ein Weihbrunnkrügel. Auch Dreißigenkräuter und andere geweihte Gegenstände werden hier aufbewahrt.

Desto einfacher sieht es in den Schlafkammern der größeren Kinder, der Knechte und Mägde aus. Ein Riesenbett, in dem meistens je zwei Burschen oder zwei Dirnen zusammenschlafen, ein paar Stühle, eine Truhe für die Kleider, höchstens noch ein Tisch und ein rohgearbeiteter Kasten, das ist neben einem kleinen Spiegel die ganze Einrichtung. Eine geräumige Kammer des oberen Stockwerkes ist für die Kornkisten bestimmt. In derselben hängt auch die "Brothängel", im Oberinntal "Drenla" genannt, ein hölzernes Gestell mit mehreren Fächern, in denen die Brotlaibe liegen. Eine andere kleine Kammer enthält Handwerkszeug: Hobelbank, Schnitzelbank, Schleif- und Wetzsteine, Lederzeug, das Dengelzeug etc.

Andere Hausgeräte haben ihren Platz auf der "Dille", dem Estrich oder "Unterdach" 1) zu dem eine Leiterstiege und eine Falltüre hinaufleiten. Daselbst oder in den "Dillkammern", falls sie nicht bewohnt sind, erblickt man die Grammel, den Schwingstock und die Hechel, die Spinnräder, den Haspel, kurz was zur Flachsbereitung gehört; Kraxen, den "Obstbrocker" u. s. w., ferner kleinere Kisten und Truhen für die "Klobbirnen" und Äpfel- und Birnschnitze. Daneben hängen Geiß-, Schaf- oder Kitzfelle, eine Rinds- oder Kalbshaut an einer Stange zum Trocknen. Über dem "Kamin" steht eine "Wasserbrente". Auch eine tote Kröte kann man auf dem Estrich mancher Häuser an den Füßen aufgehängt finden, weil sie nach dem Volksglauben alle ungesunden Dünste an sich ziehen soll.

1) Im Unterinntal (Alpach, Brizental etc.) heißt der Dachboden Hilla, von der man auf die "Hilla-Laab'" (Ober- oder Hochlande) kommt, im Zillertal "Dill", ebenso, glaube ich, im Vinschgau.

Nun hätten wir von dem ganzen Wohngebäude noch den Keller übrig. Wir steigen zu demselben die finstere Stiege hinab, die sich unter der Haupttreppe hinabsenkt und gelangen in den kühlen dunkeln Raum. Da finden wir in Behältern: Erdäpfel, Rettige, Rüben, Bohnen; auf einer "Bühne" Äpfel und Birnen. Auf einer langen sauberen Tafel stehen die hölzernen Milchschüsseln voll frischer rahmiger Milch, "Stotzen", "Rahmemper", Seichtopf, Treibkübel oder Butterfaß, Gefäße mit Butter, Topfen etc. Käse und Zieger liegen im "Kasgrand", einer länglichen Kiste; daneben steht die "Krautbrente" mit gewichtigen Schwersteinen. Alles hat seit Urvaters Zeiten seinen bestimmten Platz.

Wir kommen nun zur anderen Halbseite des Hauses, zum Wirtschaftstrakt, und vorerst zum Tennen. 1) Wo er nicht, wie häufig im mittleren Inntal, ebenerdig zwischen Hausgang, beziehungsweise Wohnung und Stall, sondern über letzterem sich befindet, führt vom oberen Hausflur ein Nebenzugang zu ihm. Wir betreten zuerst den eigentlichen Dreschboden, Er ist aus starken Tannenpflöcken sehr fest zusammengefügt. Vorn oder rückwärts öffnet sich das riesige Einfahrtstor, zu welchem die "Tennenbrücke" heraufführt, eine aus festen Baumstämmen gezimmerte, schiefe Ebene, die oft noch zu beiden Seiten durch Untermauern gestützt wird. So ist es möglich, mit dem größten Heuwagen unmittelbar in die Tenne zu fahren. Zwischen Tenne und Heuboden befindet sich oft eine 2 Meter hohe hölzerne "Tennenwand", über die man das Heu wirft; bei der mittelinntalischen ebenerdigen Tenne bildet die Stallwand als sogenannte "Barnschalter" 2) die Grenze. Die Tennenwand hat oft 2-3 ausgebrochene Türchen, von denen jedes eine Abteilung des dahinter befindlichen "Heubodens", der sogenannten "Rem", Ass'n [Aff'n?], Pill'n oder Dill'n 3) bezeichnet. In einer derselben türmt sich der festgetretene Heustock auf, in der zweiten das Grummet, in der dritten das saure, sogenannte Galtheu, welche Futtergattungen stets gesondert aufbewahrt werden, in der vierten das Stroh oder auch das gesammelte Laub für das Kleinvieh.

1) Man sagt in ganz Tirol der "Tenn" oder der "Tennen".
2) Sonst bedeutet die "Barnschalter" eigentlich die kurze Brett-schranke, welche dem Kopf jedes Stückes Vieh und seinen Barn-(Futtertrog)anteil von dem des benachbarten Stückes trennt.
3) Wo, wie in den höher gelegenen Berghöfen der unterinntalischen Seitentäler z. B. Alpach die Bedeutung der Tenne gegen die des Heubodens, der "Rem", zurücktritt, führt der Zugang als sogenannte "Rembrugg'n" entweder direkt zu letzterer oder leitet zur sogenannten "Vorrem", einem von der Tenne durch einen Holzbalken abgetrennten Raum. In solchen Lagen wird das Heu auch nicht eingeführt, sondern eingetragen.

Ersteres wird sonst gewöhnlich auf die sogenannte "obere Rem" 4), den durch einen Bretterboden abgesonderten Dachraum über der Tenne gegeben. Bei Platzmangel baut man es auch neben dem Hause zu einem "Schober" auf. In einer leeren Abteilung der Tenne stehen allerlei Geräte, so die Windmühle zum Reinigen des Korns, G'sotbank (Häckselbank), wenn man eine besitzt; im Winkel lehnt eine Leiter, daneben die "Stangger", Heugabeln und kleinere "Garbgabeln"; an der Wand hängen die Dreschflegel, Rechen, Sensen und Sicheln. An passendem Platz neben den Heustöcken sind die "Schopp-" oder "Futterlöcher" in den Boden geschnitten und mit einem "Luck" zugedeckt. Das Futter wird mittelst des "Rupfers" vom Heustock herab-genommen oder mit der "Heu-Schrote" (im Unterinntal "Heu-Stecher"), einem sichelartigen Instrument, an dem seitwärts ein Treteisen und oben ein etwa 80 cm langer Holzstiel angesetzt ist, meist unter Zuhilfenahme des rechten Fußes, herabgeschnitten und durch die "Futter-" oder "Schopplöcher" unmittelbar in den "Raufen" (Krippe) oder "Barn" hinuntergesteckt. Darum finden wir den Heuboden in der Regel als Überbau des Stalles. Wo sich die Tenne, wie es beim mittelinntalischen Bauernhaus häufig der Fall, neben dem Stall befindet, tragt die "Barnschalter" mehrere längliche Lucken, "Stallbalklen" genannt, durch die das Futter in den Barn gegeben wird. Der niedere, häufig gewölbte Stall enthält vor allem den weiten Raum für Ochsen, Kühe und Kälber; in einer Ecke oder Abteilung werden im Winter auch die Geißen und Schafe untergebracht. Man sieht hier die nötige Einrichtung, Futter und Streuvorrat, einen Melkstuhl, eine Mistgabel; am Oberboden stecken geweihte Kräuter und ein Palmzweig und neben der Türe hängt ein gefülltes Weihbrunnkbügel. An der Außenseite der Türe nagelt man gern eine getrocknete "Dreißgenkröte" an, die das Vieh vor dem Schrattl und allerlei Hexerei bewahren soll, oft auch ein sogenanntes Schrattlgatterl, ein aus fünf dünnen Holzspänen zusammengesetztes gitterähnliches Gefüge.

4) Im östlichen Oberinntal Punna oder Plona, im Brixental Schlenn (Schlemm), im Stubai Litze, im Pustertal und Sarntal Birl genannt.

Das Vieh hängt an Ketten am Barn. Wächst der Mist zu hoch an, so wird er auf der "Mistbege" zum Düngerhaufen geschafft, der absichtlich meist vor dem Hause angelegt ist. Weiß der Bauer ja, daß man aus der Größe desselben auf seinen Viehstand schließen kann. Die Düngerwirtschaft liegt, besonders in den Seitentälern, noch sehr im Argen, da man teils die kostbare Jauche unbenutzt in den Boden versickern, andernteils das Ammoniak aus dem der Mittagssonne ausgesetzten Düngerhaufen verdampfen laßt. Aber "der Nähndl hat's auch so g'macht und die Alten sind auch nicht dumm gewesen," mit dieser hier sehr übel angewandten Rücksicht auf das Überkommene tritt der Bauer auch jetzt noch nur zu oft jeder Neuerung entgegen, und es braucht lange, bis sein harter Kopf die Zustimmung dazu gibt; hat er's aber einmal begriffen, so hält es auch für weltewige Zeiten. Im Viehstall steht auch ein Behälter für die Gänse, deren man in manchen Gegenden ziemlich viele hält. Pferde hat man nur in den gesegneteren Landstrichen, wo dann natürlich ein Teil des Stalles als Roßstall eingeräumt wird. Die Schweine haben meistens einen eigenen, ans Haus angebauten kleinen Stall.

Ans Haus angeschlossen oder in nächster Nähe desselben steht ferner die "Wagenschupfe", in welcher Wagen, Karren, "Radlbögen" (Schubkarren), Schlitten, "Granser", Holz-und Bockschlitten, Pflug und Egge ihren Platz haben. Pickel, Schaufel, der "Kral", verschiedene "Hauen", der "Zieter", eine Deichsel für das Ochsengespann vor der Egge, liegen und lehnen da herum. Nicht weit davon sehen wir noch die Holzschupfe, gefüllt mit schön aufgestößeltem Fichten- und Birkenholz; auf dem Boden steht der Hackstock mit Hacken, Keilen und Schlägel.

Mit der Besichtigung der hinter dem Hause liegenden "Schupfen" haben mir auch schon den "Bangert" (Baumgarten) betreten. Eine saftig grüne Wiese, überdacht von einem Walde von Kirsch-, Apfel- und Birnbäumen, ladet uns zu schattiger Rast ein. 1) Hier legen sich die Männer an warmen Sonntagsnachmittagen zu einem Schläfchen in das Gras, bis sie ein etwa herabfallendes grünes Äpfelchen aufweckt. Auch das "Zuhäusl" oder "Ausnahmhäusl", von dem wir später ausführlich sprechen werden, befindet sich im "Bangert". Der Anger ist ein Haupttummelplatz für die Kinder, die an den unreifen Kügelchen, noch mehr aber mit dem reifen Obst ihre Freude haben.

1) Im Unterinntal, besonders an den Flanken der Seitentäler, ist der Anger mit Fruchtbäumen oft so besetzt, daß die meist kleinen Blockhäuser dem Auge des im Tale Wandernden ganz entschwinden.

Viel weniger ist der kleine Früh- oder Hausgarten ihren räuberischen Händen ausgesetzt. Der Frühgarten, im Unterinntal auch "Bießgarten" genannt, wird gut gepflegt. Wir erblicken da sauber in Beete abgeteilt: Salat, Kohlrüben, gelbe und rote Rüben (Rohnen), Winterrettige, Spinat, "Peterzimmel" (Petersilie), "Winter- und Sommerföllen", (Zwiebelarten), Knoblauch, Schnittlauch, Kresse etc. Auch eine Auswahl von Gewürz- und Teekräutern treffen wir an, wie: Anisstauden, Kümmel, Brotsamen (Fenchel), Minzen, Kamillen u. s. w. In einer Ecke des Gartens ist häufig ein Sevenbaum gepflanzt. - In einer zweiten Ecke gedeiht ein Rauten- oder "Spicketstock" (Lavendula spica). Auch dem Blumenflor lassen die Töchter des Hauses sorgliche Pflege zukommen. So steht in der Mitte des Gartens ein Strauch mit roten Rosen, an den Seiten der meist mit Bux eingefaßten Beete prangen weiße und role Nelken, "gelbe Veigelen" und wohlriechender Rosmarin; Primeln im ersten Frühjahr hinter dem Bux. (Vergl. Kerner, A. Die Flora der Bauerngärten.) In wärmeren Gegenden sieht man an der Sommerseite des gemauerten Hauses häufig Pfirsichbäume oder Reben als Spalier, besonders im südlichen Teile Tirols, wo oft alle Wände dicht mit Weinlaub überkleidet sind.

Im Frühgarten oder neben dem Hause fehlt ferner selten ein Bienenstock. Einige Schritte davon sind zwei Räumlichkeiten unter ein eigenes Dach gebracht, da sie im Hauptgebäude meist keinen Platz finden, nämlich der Backofen und die Waschküche.

Auch der Abort steht, wenn er nicht den Abschluß des "Gangls" oder der "Laab'n" bildet, als eigenes Holzhüttchen hinter oder neben dem Hause in der Nähe des Düngerhaufens. Ebenso befindet sich die Brechelgrube oft im Anger oder in der anstoßenden Wiese. Der Brunnen hat gewöhnlich vor dem Hause seinen Standort. Frisches kristallklares Quellwasser sprudelt aus dem lärchenhölzernen Rohr in den Brunnentrog. In den Dörfern haben je zwei bis vier Häuser einen Brunnen, der deshalb an passender Stelle in der Mitte steht.

Über jedes dieser letztgenannten Zugehörigkeiten zum Hause ließe sich ein eigenes Kapitel schreiben, doch es fehlt der Raum und somit schließen wir die Durchschnittsskizze eines tirolischen Bauernheimatls.

Quelle: Ludwig von Hörmann, Tiroler Volksleben, Stuttgart 1909. S. 275 - 297.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Isabella Richrath, September 2005.
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