Die Klöpfelsnächte.

So heißen die drei letzten Donnerstage im Advent, an einigen Orten nur der letzte vor Weihnachten. Man schreibt diesen Tagen besonders wundertätige Kraft zu, und manche abergläubige Gebräuche und Ansichten knüpfen sich daran. So darf z. B. der Weihnachtszelten nicht gebacken weiden, ehe nicht der letzte Klöpfeldonnerstag vorbei ist. Tirol ist in dieser Beziehung reich gesegnet, und gewiß nirgends werden die Klöpfelsnächte feierlicher begangen. Sie gelten als förmliche Belustigungstage, bestimmt, um die stille Adventzeit etwas zu würzen.

Sehr bunt geht es um diese Zeit in Pillersee im Unterinntale zu. Da fährt an diesen Tagen der sogenannte "Anklöpfelesel" herum. Dieser Langohr muß aber erst auf folgende Art verfertigt werden. Zwei kräftige Burschen stellen sich hintereinander und nehmen ein hölzernes Gerüst auf die Schultern, das mit einem Eselskopf versehen ist und eine Decke trägt, welche als Sattel dient und zugleich den Zweck hat, Kopf und Oberkörper der Träger zu verhüllen. Auf dieses schwanke Reitzeug setzt sich ein lustiger Gesell als Fuhrmann, Daneben schreitet der Eigentümer des Esels, gewöhnlich in der Tracht eines feisten Unterinntaler Wirtes. Das Gefolge bilden Zigeuner, Landstreicher, Hexen, Zillertaler, Ölträger 1), Quacksalber und ein Tierarzt. So geht es in die Bauernstuben, und das "G'spiel" beginnt. Zuerst wird dem Esel Wasser und Heu vorgesetzt. Dieser jedoch packt nichts an und erhebt zugleich ein klägliches Geschrei, welches der Eigentümer dahin erklärt, daß das Tier krank sei, worauf er mit allen Kraftausdrücken des Unwillens über den Fuhrmann herfällt, der daran schuld sei. Der weiß sich vor Schreck kaum zu helfen und fragt zuerst bei allen Quacksalbern und Ölträgern um Hilfe an. Diese suchen nun den Esel mit verschiedenen allo- und homöopathischen Pulvern zu kurieren. Da jedoch alle Kuren nur die entgegengesetzte Wirkung hervorbringen, so nimmt der verzweifelnde Fuhrmann endlich seine Zuflucht zum eigentlichen Tierarzt, der auch wirklich den Esel kuriert. Während dieses ganzen Vorganges, dem es natürlich nicht an komischen Szenen fehlt, werden die beißendsten Ausfälle auf alles Ungereimte gemacht, was während des Jahres in der Gemeinde vorfiel. Zum Schluß wird den Klöpflern Schnaps, Brot, Butter und Käse vorgestellt, worauf sie abziehen.

Noch ausgeprägter und zugleich ursprünglicher ist die Sitte des Klöpfelns im Sarntal in Südtirol. Da versammelt sich bei einbrechender Dämmerung eine Anzahl von jungen Leuten, besonders Knechte mit Zithern, Geigen, Kuhhörnern, Hafenplatten und ähnlichen Marterinstrumenten an einem Platze außerhalb des Dorfes. Manche kleiden sich, so gut es angeht, als Masken, indem sie entweder ihre Joppen verkehrt anziehen oder wohl auch das Hemd über das übrige Gewand werfen. Zwei Männer jedoch hüllen sich ganz in Stroh ein, und zwar der eine als Mannsperson, der andere als sein Weib. Sie führen wegen ihres originellen Anzugs den Namen "Zuseln". So ausstaffiert zieht der ganze Haufen mit Sang und Klang zum nächsten Hofe, wo er vor der Türe Halt macht.

Während nun der Chor einen Höllenlärm vollführt, um die Hausleute von seiner glücklichen Ankunft zu unterrichten, hadern die beiden Strohpuppen miteinander, indem sie sich gegenseitig Untreue vorwerfen, überhaupt solche Fehler rügen, welche die Eigentümer des Hofes betreffen. Nach diesem Vorspiel beginnt das eigentliche "Klöckellied":


Heut ist uns eine heilige Klöckelsnacht;
Lei 1) was geschah?
Verweil uns die Zeit vorhanden schon ist,
Wohl oni 2) zu der ersten Klöckelsnacht,
Lei, was geschah?
Gott hat uns ein Gebetlein vom Himmel gesandt.
Der Erzengel St, Gabriel ist's, der's uns genannt.
Er grüßet Maria, die Jungfrau rein,
Sie hat uns geboren ein klein Kindelein.

Wohl oni zur anderten Klöckelsnacht,
Lei was geschah?
Gott hat uns ein Gebetlein vom Himmel gesandt,
Johannes, der Taufer ist's, der's uns genannt;
Er taufet wohl an dem großen Jordan,
Lei Kleanars und Größers, lei wie's zu ihm kam.
Jetzt hat er getaufet den wahren Gottessohn,
Denselbigen hat er getaufet itzt schon.

Wohl oni zur dritten Klöckelsnacht,
Lei was geschah?
Gott hat uns ein Gebetlein vom Himmel gesandt,
Herr Jesu Christ ist's, der's uns genannt.
Der für uns am Kreuz gestorben schon ist.
Jetzt kemman wir bald zua der kurzen G'frist
Zu die lieben Altväter, die waren so froh,
Die darin lagen so viel hunderttausend Jahr,
Ja, das ist wahr;
Heraus, heraus, ihr lieben Altväter mein.
Heraus von der schweren, von der höllischen Pein.

1) nur, was nur? 2) hinan


Nach diesem rührenden Gesange folgt noch eine Strophe, in der die Klöckler der sichern Erwartung, nun etwas zu bekommen, Ausdruck verleihen:


Ein hellichter Stern geht über das Haus,
Gar a ehrsame Hausmutter geht ein und geht aus;
Jetzt hören wir schon die Schlüssel erklingen,
Jetzt wird man uns bald a Stuck Brotawurst bringen.
Ja sei's a Brotawurst, sei's a Stuck Spöck,
Dann gien 1) halt wir Klöckler mit Freuden awök. 2)

1) gehen 2) hinweg


Die hartherzigen Bethlehemiten scheinen aber trotz des Komplimentes für die Hausmutter noch nicht befriedigt zu sein; denn nun folgen erst die sogenannten "Ansinglieder", in denen der Witz und Scharfsinn der Klöckler auf eine scharfe Probe gestellt werden. Die Bauersleute singen nämlich Reimfragen zum Fenster heraus, auf welche die Klöckler gereimte passende Antwort geben müssen. Derjenige Teil, der die Frage oder das Spottlied nicht erwidern kann, wird verlacht, und wenn es die Klöckler sind, müssen sie leer abziehen. Man spart sich oft die unangenehmsten Wahrheiten und stechendsten Spöttereien während des ganzen Jahres zusammen, um sie bei dieser Gelegenheit ungestraft an den Mann zu bringen. Trotz der bei dieser Gelegenheit allgemein anerkannten Zungenfreiheit entstehen doch häufig infolgedessen Feindschaft und Schlägereien, weshalb auch das Klöckeln immer mehr abkömmt.

Hier folgen einige der besseren "Ansinglieder":


Von innen: Itz bin i auf'n Ofen oben g'legen, hon die Stützen 1) aufg'reckt,
Itz haben mi die Klöckler mit der Musik aufg'weckt.

Klöckler: N'ar 2) darfst mit die Knie net fast 3) im Himmel aufi stechen. Sonst kannst 4) oft amol in die Höll' oin 5) brechen.

1) Beine 2) nachher, dann 3) sehr 4) könntest 5) hinab


Dem spottenden Bauer war nämlich wirklich passiert, daß er einmal auf diese Weise in die "Hölle", d. i. der Raum zwischen Ofen und Wand, gefallen war.


Von innen: Klöckler, was habt's den ös 1) im Summer getan,
Daß ös im Winter müeßt lottern 2) gian?

Klöckler: G'schnitten, g'mahet 3) und Hack'n 4) getragen,
Daß die Feirer 5) eppas 6) zum Essen haben.

Von innen: Wann ös so witzige Klöckler wollt sein.
So müßt ös wohl wissen, wie viel Stern' am Firmament oben sein?

Klöckler: D'selm 7) mußt du den Luzifer fragen.
Der ist vom Himmel in d'Hüll oid'n 8) g'fahren.

Von innen: Wann ös so witzige Klockler wollt sein,
So müßt ös wohl wissen, wer die größten Vögel im Sarnthal sein?

Klöckler: Der Geier 9) in Pens, der Sperber in Durnholz, der Guck' auf Reinswald
Das sein die größten Vögel im Sarnthal.

Von innen: Was für a Turm hat koan' Spitz?
Und was für a Geasl 10) tragt koa Kitz.

Klöckler: Der babylonische Turm tragt koan' Spitz,
Und a au'g'molens 11) Geasl tragt koa Kitz.

Von innen: Wann ös so witzige Klockler wollt sein,
Müßt "s wissen, wie a Döck mit neun Egger 12) sollt' sein.

Klöckler: Drei unten, drei oben und drei daneben.
Dann werd's wol a Döck mit neun Egger 0' geben.

Innen: Da unten auf der Eb'ne hat oaner a Zäunl gebaut.
Der oan Schnarling 1) oi, 13) der ander' auerwärts g'schaut.

Klöckler: I hob's a net der söchen.
Es ist lei a brüchiges Görl gewesen.

Von innen: Die Wurst liegt auf'n zu 'nem Kranz
Itz Klöckler geht einer und tuet an' Tanz.

1) ihr 2) betteln gehen 3) gemäht 4) Baumstöcke 5) Faulenzer 6) etwas 7)daselbst, da 8) hinunter 9) Namen von Bauernhöfen 10) Gaislein 11) gemaltes 12) Ecken 13) abhin, abwärts


Auf diese Aufforderung begeben sich die Klöckler in die Stube, voran tanzt das Strohpaar, dahinter schreiten die Musikanten. Hier wird ihnen Branntwein, Speck und Fleisch vorgesetzt, worauf ein allgemeines Tanzen beginnt. Hiebet wird nun absichtlich einer der Dirnen das Spinnrad, das man, meist ein altes, für den Zweck schon vorgerichtet hat, von einem der Klöckler zertreten. Als Entgelt tanzt dann das "Zuselmannl" mit ihr. Da wirft plötzlich der zärtliche Strohmann seine "Zusel" zur Türe hinaus und tanzt mit einer anderen. Die "Zusel" guckt zur Türe herein, springt auf die fremde Tänzerin, balgt sich mit ihr und treibt allerlei Schabernack. Ist der Tanz um, so singen sie zum Abschied noch folgendes "Danklied":


Itz hat man uns ehrsame Erleichterung geb'n,
Gott laß uns das Jahr mit Freude ausleb n;
Itz wünsch'n wir das Glück wohl ausi 1) auf's Feld
Wohl zuehi 2) zum Getreid', wohl zuehi zum Geld;
Itz wünsch'n wir's Glück, wohl eini in den Stall
Wohl zuechi zum Vieh und sonst überall.
Itz wünsch'n wir's Glück wohl aui 3) in's Haus,
Und's Unglück seh' oben zum Fenster heraus.
Was wünsch'n wir dem Hausvater? An' goldenen Tisch,
Auf an' jeden kloan' Eckelein an' gebach'nen Fisch,
Was wünsch'n wir ihm noch in die Mitte hinein?
Ein silbernes Kandelein voll roten Wein,
Dazu die Hausmutter, die schenkt ihm's ein.
Was wünsch'n wir der Hausmutter? An' gold'nen Wag'n,
Der wird sie dann fröhlich in den Himmel aui trag'n,
In den Himmel, in den Himmel zu den obrigsten Thron.
Da singen die Engelen, drum beten sie schon.
Itz nehmen wir Urlaub von der heurigen Haustür,
's lieb heilig Gotteskreuzlein schreib'n wir uns herfür,
Wir schreiben's uns auf ar (einer) Saul', a guet's Blatt,
Itz wünschen wir euch allen a glückselige gute Nacht
Und a freudenreich's neu's Jahr.
Das wir euch fernt 4) hab'n g'wunschen, ist Heuer no' nit gar.

1) hinaus 2) hinzu 3) hinauf 4) Im vorigen Jahr

Hierauf heißt der Bauer die Klöckler noch tüchtig auf seinen Feldern herumspringen, auf daß es ein gutes nächstes Jahr gebe und das Getreide gedeihe, die Hausfrau aber füllt ihnen den Lottersack, den gewöhnlich der letzte trägt, mit den sogenannten "Klöcklerwürsteln". Haben die Klöckler nun die vorgesetzten Höfe auf diese Art abgezogen, so kommen sie in einer ihrer Hütten zusammen, tanzen und verleben den übrigen Teil der Nacht fröhlich miteinander. Am darauffolgenden Sonntag werden die "Klöcklerwürsteln" gemeinschaftlich verzehrt.

1) Über diese interessante Menschenklasse vergl. meine "Tiroler Volkstypen, Beiträge zur Geschichte der Sitten und Kleinindustrie in den Alpen." (Wien. Gerold,) S. 185-201.

2) Der Schnarling d. i. das dicke Ende des Zaunbandes, darf nie gegen das Gut desjenigen Grundbesitzers schauen, dem die Zäunung obliegt, sondern stets gegen das Gut des Nachbars, Dieser Unterlassungsfehler, den ein Klöckler beging, wird hier vom Bauer verspottet, wofür ihm der erstere vorwirft, aus Versehen ein "brüchiges" Görl (Mutterschaf) gekauft zu haben.

Quelle: Ludwig von Hörmann, Tiroler Volksleben, Stuttgart 1909. S. 218 - 224.